"Es geht um die Befähigung, die Energiewende überhaupt stemmen zu können"
Bis 2045 soll die Stromversorgung klimaneutral sein. Allein der dafür notwendige Verteilnetzausbau ist ein finanzieller Kraftakt. Reicht der geplante, künftige Regulierungsrahmen aus, um die notwendigen Investitionen anzureizen? Darüber diskutieren beim VKU-Stadtwerkekongress Anfang September in Hannover mit Rebecca Reischuk und Daniel Töpfer zwei Vertreter der jüngeren Geschäftsführer-Generation mit Klaus Müller, dem Präsidenten der Bundesnetzagentur.
Die Energiewende stellt die Kommunalwirtschaft vor enorme Herausforderungen, gerade auch im Bereich der Finanzierung. Um dies zu meistern, seien verschiedenste Formen der Kapitalbereitstellung notwendig, wie das von VKU und Deloitte vorgeschlagene Konzept eines Energiewendefonds aufzeige, sagt Rebecca Reischuk, die seit November 2023 Geschäftsführerin der Bielefeld Netz GmbH ist.
Reischuk: "Entscheidend sind die konkreten Methodenfestlegungen"
"Von den Kapitalgebern wird eine angemessene und verlässliche Verzinsung erwartet, hierfür muss der Regulierungsrahmen stimmen", sagt Reischuk. Die aktuellen Ansätze der Bundesnetzagentur zum neuen Regulierungsrahmen könnten dieses leisten, insbesondere die Notwendigkeit einer zeitnahen Anerkennung von Kosten (zuwächsen) scheine erkannt worden zu sein.
Entscheidend würden dann jedoch die konkreten Methodenfestlegungen – die unter anderem die Berechnung der Kapitalzinssätze vorgeben – sein, die für nächstes Jahr geplant seien. "Es geht hierbei nicht darum, dass die Netzbetreiber von hohen Netzentgelten profitieren, sondern dass sie überhaupt befähigt werden, die Energiewende finanziell zu stemmen", betont sie.
Zum Gelingen der Mammutaufgabe müsse zudem die Bürokratie weiter abgebaut werden. "Da geht es sowohl um die Anforderungen an die Netzbetreiber von Seiten der Bundesnetzagentur aber auch für die BNetzA selbst, damit zeitnahe Bescheide zur Planungssicherheit bei den Netzbetreibern führen", so die Geschäftsführerin von Bielefeld Netz weiter. "Wir sind jedoch nach wie vor optimistisch, dass wir gemeinsam mit allen Akteuren mit einem großen Kraftakt die Energiewende meistern können."
Töpfer: "Betriebskosten sind explodiert"
"Der heutige Regulierungsrahmen ist nicht ausreichend, um die anspruchsvollen Ziele der Energie- und Wärmewende rechtzeitig erfüllen zu können", stellt Daniel Töpfer, seit Januar 2023 Geschäftsführer der Stadtwerke Soltau, klar. Deshalb sei es nur folgerichtig, mit dem kürzlich von der BNetzA vorgelegten NEST-Eckpunktepapier bestehende Probleme aufzugreifen und Lösungsansätze zu entwickeln, die dem energiepolitischen Dreieck aus Wirtschaftlichkeit, Klima- und Umweltverträglichkeit sowie Versorgungssicherheit gerecht werden.
„Unstrittig ist, dass der derzeitige Aufwuchs der Betriebskosten vor allem eine Herausforderung für den Stromsektor darstellt und sich weiter verschärfen wird. Im Vergleich zum letzten Basisjahr 2021 sind die Betriebskosten explodiert und die Kostensteigerungen halten auch in den kommenden Jahren an“, zeigt sich Töpfer überzeugt.
"Brauchen keine eierlegende Wollmilchsau"
Vereinfachungen und Reduzierungen der Komplexität des Regulierungsrahmens seien deshalb zwingend nötig und würden auch auf der Investorenseite die Diskussionen verkürzen. Das dürfe aber nicht nur an den Stellen geschehen, wo Reduzierungen der Netzentgelte zu erwarten sind (WACC-Ansatz), sondern müsse auch bewährte Mechanismen wie die Gewerbesteuerpauschalierung beibehalten.
Ein zukunftsfähiger Regulierungsrahmen sollte dabei nicht versuchen, die "eierlegende Wollmilchsau" zu geben, sondern sich auf die Anpassung weniger, aber wichtiger, Punkte fokussieren, betont der Geschäftsführer der Stadtwerke Soltau. „Die von der BNetzA angestrebten Rahmenfestlegungen sind deshalb mit Vorsicht zu genießen, denn sie werden durch nachgelagerte Festlegungen, die wir heute nicht kennen und in denen die Details bestimmt werden, konkretisiert.“
Wenn diese nachgelagerten Festlegungen nicht wieder Verschärfungen für die Netzbetreiber mit sich bringen, könne das am Ende ein richtig gutes System für die 5. Regulierungsperiode werden. "Die BNetzA hat es mit dem neuen Rechtsrahmen in der Hand, die Weichen so zu stellen, dass die Netzbetreiber befähigt werden, die Netze fit für die Energiewende zu machen und diese kraftvoll voranzubringen." (hoe)
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Mehr über die Highlights des diesjährigen VKU-Stadtwerkekongresses erfahren Sie in einer vierseitigen Sonderbeilage, die in der Augustausgabe mit der Printausgabe der ZfK erschienen ist. Darin finden Sie unter anderem einen großen Artikel über die Wärmewende in Hannover sowie ein Interview mit VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing.