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Extraenergie: Versorger bricht Preisgarantie – und erhöht deutlich

Das Unternehmen beruft sich auf eine "Störung der Geschäftsgrundlage". Ein Verbraucherschützer fürchtet: "Da baut sich eine neue Welle auf".
30.08.2022

Unter Verbraucherschützern ist der Versorger Extra Energie kein Unbekannter.

Update zum Strom- und Gasanbieter Extraenergie: Das Landgericht Düsseldorf hat vorgenommene Preiserhöhungen durch das Unternehmen trotz Preisgarantie untersagt. Zuvor war die Verbraucherzentrale NRW gegen Extraenergie vor Gericht gezogen. Hier erfahren Sie mehr dazu. Der folgende Artikel erschien so am 2. August:

Neuer Wirbel um Deutschlands sogenannte Energiediscounter: Wie die ZfK aus mehreren Quellen erfuhr, soll der bundesweit tätige Strom- und Gasversorger Extraenergie in den vergangenen Tagen mehreren Kunden Preiserhöhungen angekündigt haben – obwohl er zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung noch eine Preisgarantie von bis zu zwei Jahren zugesichert hatte. Extraenergie hatte zuletzt einen Jahresumsatz von 163 Mio. Euro.

Auch Marken wie Prioenergie, Extragrün, Hit Energie und EVD, die ebenso dem israelischen Geschäftsmann und Extraenergie-Geschäftsführer Mordechay Maurice Ben-Moshe gehören, sollen nahezu identische Schreiben versandt haben. Eine ZfK-Anfrage an Extraenergie mit Bitte um Stellungnahme blieb vorerst unbeantwortet.

Erhöhung auf 67,96 Cent pro kWh

Die ZfK erhielt über das Portal "www.Verbraucherhilfe-Stromanbieter.de" Einblick in ein Schreiben des Anbieters EVD, wonach sich der Arbeitspreis für Strom zum 1. September auf 67,95 Cent pro kWh erhöhen soll. Nutzer auf dem Bewertungsportal Trustpilot schrieben von Preiserhöhungen von teils mehr als 100 Prozent.

Begründet wird das Vorgehen mit "unvorhershebare[n], schwerwiegende[n] Situationen" wie dem derzeitigen Krieg in der Ukraine und anhaltenden staatlichen Eingriffen in den deutschen Energiemarkt.

"Störung der Geschäftsgrundlage"

In der Folge liege eine "Störung der Geschäftsgrundlage" nach Paragraph 313 des Bürgerlichen Gesetzbuches (§ 313 BGB) vor. "Dies berechtigt uns unter den gegebenen Umständen, die Anpassung bestehender Vertragsverhältnisse zu verlangen oder mit unmittelbarer Wirkung zu kündigen."

Holger Schneidewindt, Energiejurist bei der Verbraucherzentrale NRW, hält dies für unzulässig. Die Hürden für § 313 BGB seien sehr hoch. Würde diese Argumentation vor Gericht trotzdem halten, würde dies "die Büchse der Pandora öffnen", fürchtet er. Denn dann müssten sich wohl auch andere Energielieferanten an vereinbarte Preisgarantien nicht mehr halten.

"Da baut sich eine Welle auf"

Seit Freitag habe sich bereits eine Vielzahl betroffener Kunden bei der Verbraucherzentrale gemeldet, sagt Schneidewindt. "Da baut sich eine neue Welle auf."

Besonders brisant: Unter den Betroffenen soll es auch Kunden geben, die ihre Verträge samt Preisgarantie erst nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs abgeschlossen hatten.

Check 24 prüft Fälle

Auch dem Vergleichsportal Check 24 war Stand Dienstagnachmittag eine zweistellige Zahl von Extraenergie-Kunden bekannt, die trotz Preisgarantie entsprechende Schreiben erhalten hatten.

Check 24 befasse sich gerade mit den Fällen, sagte ein Sprecher auf ZfK-Anfrage. Sein Unternehmen gehe davon aus, dass die Preiserhöhungen rechtswidrig seien.

"Unternehmerische Entscheidung"

Zu dieser Einschätzung kommt auch Matthias Moeschler, Betreiber des Portals "www.Verbraucherhilfe-Stromanbieter.de", dem mehrere Schreiben zugespielt wurden. "Die meisten Anbieter erhöhen nicht in diesem Umfang und auch die allermeisten Grundversorger sind deutlich billiger", sagte er der ZfK. "Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass Extraenergie seine Energie zu wenig langfristig abgesichert hat. Das war eine unternehmerische Entscheidung." (aba)