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Jedes dritte EVU noch ohne Klimaziel

Das Geschäftspotenzial von Wasserstoff ist laut einer aktuellen Studie für die Mehrheit der Branche noch nicht greifbar. Auch bei der Digitalisierung gibt es Nachholbedarf.
17.01.2022

38 Prozent der Energieversorger haben laut einer Studie von Horvath & Partner noch keinen Fahrplan zur systematischen Reduktion ihrer CO2-Emissionen in Form einer Dekarbonisierungs- beziehungsweise Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt.

Viele Stadtwerke und größere Versorger stehen bei der Transformation zum „Green Tech“-Unternehmen noch am Anfang. Jedes dritte EVU im deutschsprachigen Raum hat laut einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung Horváth & Partner noch kein eigenes Ziel zur Erreichung von Klimaneutralität definiert.

38 Prozent der Energieversorger haben zudem noch keinen Fahrplan zur systematischen Reduktion ihrer CO2-Emissionen in Form einer Dekarbonisierungs- beziehungsweise Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt. Über das Geschäftspotenzial von Wasserstoff, der in „grüner“ Form einen großen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten soll, besteht bei zwei Drittel der Befragten Unklarheit, heißt es in einer Pressemitteilung.

"Energieversorger riskieren Vorteil zu verspielen"

"Energieversorger mit ihrer regionalen Positionierung sind eigentlich prädestiniert, um in Photovoltaik-Projekten, Dekarbonisierung der Wärme oder einem Wasserstoff-Netzwerk als Anbieter, Verteiler oder Schnittstelle zu fungieren – riskieren aber nun durch fehlende Strategie, diesen Vorteil zu verspielen", sagt Studienleiter und Energieexperte Matthias Deeg von der Managementberatung Horváth.

Unternehmen, die sich mit dem Thema Wasserstoff bereits strategisch auseinandergesetzt hätten, würden die größten Geschäftspotenziale in der Produktion sehen.

Überforderung durch Marktdynamik

Gründe für die insgesamt zögerlichen Nachhaltigkeitsaktivitäten sieht Branchenexperte Deeg vor allem in der Unsicherheit der Rahmenbedingungen, aber auch in hausgemachten Problemen. Unzureichend erprobte neue Technologien, unklare regulatorische Vorgaben, aber auch ein uneinheitliches Bild zwischen Marktanforderungen einerseits und kostenintensiven technologischen Innovationen andererseits seien meist Gründe dafür, dass in den Unternehmen noch keine Ziele stünden.

Digitalisierung als größtes strategisches Sorgenkind

Gefragt nach den größten internen Problemen, die ein strategisches Vorankommen behindern, antworteten die Befragten mehrheitlich mit „Erhöhung des Digitalisierungsgrades“ sowie „Veränderung der IT-Landschaft“ und „fehlende Kompetenzen“.

Den Unternehmen sei also durchaus bewusst, dass sie zur Bewertung von Geschäftspotenzialen und zum Ausbau von Geschäftsfeldern datenbasierte Analysen auf Basis moderner Systemplattformen sowie offene Schnittstellen zu Externen benötigten, heißt es weiter.

Dies sei allerdings nicht die einzige „digitale Baustelle“. Auch im Online-Vertrieb, der nach mehrheitlicher Einschätzung (80 Prozent) bis 2025 zum Hauptvertriebskanal werde, seien viele Unternehmen ungenügend vorbereitet. 60 Prozent verfügten über keine konkrete Strategie zum Ausbau des Onlinevertriebs und eine unzureichende Datenbasis.

Positiver operativer Ausblick der Branche

Positiv fiel unterm Strich aber der operative Gesamtausblick der befragten Branchenvertreter aus. Nur 22 Prozent erwarten eine negative Ergebnisentwicklung in den nächsten fünf Jahren. Fast 40 Prozent rechneten bis 2030 mit einem Ergebnisbetrag bei Energiedienstleistungen, der den der margenschwachen Commodities übersteigt.

Für die im Dezember 2021 veröffentlichte Horváth-Studie "Strategieentwicklung von Energieversorgern" wurden Unternehmensverantwortliche aus insgesamt 80 Versorgungsunternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt. Allein für Deutschland entspricht die Stichprobe laut der Unternehmensberatung einer Marktabdeckung von 70 Prozent. (hoe)