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Mehr als ein Drittel der Kommunalpolitiker wurde angegriffen

Die Angriffe reichen von Schimpfwörtern bis zu Bedrohung und körperlicher Gewalt: Wer an der Spitze einer Stadt oder Gemeinde ist und wer in einem Kommunalparlament sitzt, erlebt Angriffe.
04.04.2022

Die Gewalt gegenüber Kommunalpolitikern in Brandenburg ist präsent. Die Politik will nun dagegen stärker vorgehen.

Beleidigung, Bedrohung, Gewalt: Mehr als jeder dritte Kommunalpolitiker in Brandenburg ist in den vergangenen Jahren Opfer von Angriffen geworden. Das geht aus einer Studie für das Innenministerium hervor, die Minister Michael Stübgen (CDU) am Montag in Potsdam vorstellte. 35,5 Prozent der Mitglieder aus Kreistagen, Stadtverordnetenversammlungen, Gemeindevertretungen sowie der Oberbürgermeister, Bürgermeister und Amtsdirektoren berichteten, sie hätten seit 2014 mindestens einmal Beleidigung, Bedrohung, Sachbeschädigung oder Gewalt erlebt. Rechnerisch vergehe fast kein Tag, an dem es nicht irgendwo im Land zu Angriffen komme. Die Landesregierung kündigte Konsequenzen an. Rund 1500 Politiker beteiligten sich an der Studie.
 

Die Opfer: Am stärksten betroffen sind mit je 52 Prozent Mitglieder von Kreistagen sowie Oberbürgermeister, Bürgermeister und Amtsdirektoren, heißt es in der Studie. In Städten mit mehr als 20.000 Einwohnern ist fast die Hälfte der Kommunalpolitiker betroffen, in kleinen Dörfern unter 1000 Einwohnern ein Viertel und weniger. Frauen sind der Studie zufolge eher Opfer als Männer. Auch die Partei spielt eine Rolle: Politiker von AfD, Grünen und der Linken berichten häufiger von Angriffen. Und Politiker wurden häufiger Opfer, die sich klar für oder gegen Windkraft, Asyl oder Extremismus positionieren.

Ein Drittel wird beleidigt

Die Angriffe: Am häufigsten sind Beleidigungen, sie werden von einem Drittel der Kommunalpolitiker genannt, wie die Forscher in der Studie der Beratungsfirma Change Centre schreiben. Bedrohungen machen knapp ein Fünftel aus, Sachbeschädigungen rund ein Siebtel. Beleidigungen im Netz gab rund ein Fünftel an, Bedrohungen im Netz fast ein Achtel. Vier Prozent sagen, es sei zu körperlicher Gewalt gekommen. Etwa die Hälfte von 49 telefonisch interviewten weiblichen Amts- und Mandatsträgern sprach von Beleidigungen mit sexistischem Hintergrund oder Anspielungen auf das Geschlecht. Eine Bürgermeisterin berichtete von dem Satz: «Die Schlampe müsste abgeschlachtet werden.»

Politiker von AfD, Grünen, der Linken und der Freien Wähler geben mehr Angriffe als der Durchschnitt der Befragten an. Vor allem Kreistagsmitglieder berichten von Angriffen, auch Politiker von FDP und SPD. AfD-Mitglieder erlebten Sätze wie «Nazischweine», Linke-Politiker sollten dahin gehen, wo die Ausländer herkämen. Rund jeder zehnte Kommunalpolitiker wurde ein bis zwei Mal persönlich bedroht. Darunter sei eine Morddrohung per Mail bei Mitgliedern von Kommunalparlamenten und die Drohung gegen einen OB, ihn abzustechen. Ein OB berichtete von der Drohung, ihn und seine Familie aufzuhängen.

Auch Kommunalpolitiker sind Täter

Die Täter: Für Angriffe kommen nach den Erkenntnissen der Forscher Bürgerinnen und Bürger in Betracht, aber auch Kommunalpolitiker selbst. Mit 36,5 Prozent berichtet mehr als ein Drittel der befragten Opfer, dahinter steckten Mitglieder anderer Fraktionen ihrer Kommune oder ihres Landkreises. Etwa ein Viertel gibt an, Täter oder Täterin seien unbekannt, ein weiteres Viertel kennt die Person. Rund sieben Prozent vermuten die Drahtzieher in der eigenen Fraktion oder Partei. 22 Prozent derer, die darauf antworteten, gehen von einem rechtsradikalen Hintergrund aus, 13 Prozent von einem linksradikalen.

Konsequenzen: Nur rund 27 Prozent der Opfer mit mindestens einem Angriff meldeten den Vorfall der Polizei, wie die Studie ergab. In persönlichen Befragungen dominiert ein mangelnder Glaube an Strafverfolgung und effektive Verurteilungen. Die Landesregierung will mit mehr Training gegensteuern, um Kommunalpolitiker bei Konfliktsituationen fit zu machen. Es soll Hilfe und Beratung geben. (dpa/gun)