Abwasser

Abwasserkanäle: In Bayern wird zu wenig saniert

Der bayerische SPD-Umweltpolitiker Harry Scheuenstuhl fordert eine Sanierungsquote von 2100 Kilometer pro Jahr ein. Doch das Härtefallprogramm des Freistaats erweise sich mit 70 Mio. Euro als viel zu klein. Das Umweltministerium wehrt sich gegen die Vorwürfe.
16.02.2018

Die Kanalisation in Deutschland ist schon über ein Jahrhundert alt. Immer öfters müssen die Abwasserkanäle erneuert oder saniert werden.

Der SPD-Umweltpolitiker Harry Scheuenstuhl warnt vor einem schleichenden Verfall des öffentlichen Abwassernetzes. Derzeit werden in Bayern nur rund 1600 Kilometer Abwasserkanäle pro Jahr saniert. „Zu wenig“, meint Scheuenstuhl in einer Pressemitteilung. Denn nur um die Substanz der Kanäle, den Ist-Zustand, zu erhalten, wären mindestens 2100 Kilometer pro Jahr nötig. Selbst das Umweltministerium gibt in einer Antwort auf Scheuenstuhls Anfrage zu, dass „die Sanierungsanstrengungen weiter gesteigert werden [müssen], um den bekannten Sanierungsbedarf abzubauen und dem rasch anwachsenden Anteil alter Kanäle gerecht zu werden“.

Wie eine parlamentarische Anfrage des Landtagsabgeordneten ergeben hat, sind 14,5 Prozent der Kanäle sanierungsbedürftig. „Die Kommunen können diese Milliardenkosten nicht alleine stemmen“, betont der SPD-Politiker, „doch das Härtefallprogramm des Freistaats erweist sich mit 70 Mio. Euro als viel zu klein. Das Ergebnis: Immer mehr Kanäle verfallen, das Abwasser versickert im Boden - mit schlimmen Auswirkungen für das Grundwasser.“

Kosten steigen weiter

Wie eine Studie der Technischen Universität München im Auftrag des Bayerischen Landesamts für Umweltschutz ergeben habe, beläuft sich der Investitionsbedarf für die Sanierung in Bayern im Mittel auf rund 5,8 Mrd. Euro. „Das sind 1,7 Mrd. Euro mehr als noch vor zehn Jahren. Schiebt man die dringend notwendigen Sanierungsmaßnahmen nun noch länger vor sich her, werden immer größere Anteile unserer Kanalisation marode und die dafür aufzubringenden Kosten steigen weiter“, mahnt der Abgeordnete.

Ein Sprecher des Umweltministeriums wies die Vorwürfe zurück. Er betonte, dass die Kommunen zuständig seien für die Infrastruktur. Die Finanzierung erfolge ohne Hilfe von außen. Für die Ersterschließung von Wasserver- und Abwasserentsorgungsanlagen habe Bayern aber staatliche Zuwendungen in Höhe von rund 12 Mrd. Euro aufgebracht.

Programm für Härtefälle

"Um unzumutbare finanzielle Belastungen von Bürgern und Kommunen bei der Sanierung der Anlagen zu vermeiden, hat das Bayerische Umweltministerium 2016 ein Förderprogramm für Härtefälle aufgelegt", erläuterte der Sprecher. Für das Programm stehen jährlich bis zu 70 Millionen Euro für Sanierungen oder Ersatzneubau von Trink- und Abwasseranlagen zur Verfügung. Die Härtefallförderung soll diejenigen Kommunen unterstützen, bei denen die Umlage der Sanierungskosten zu unzumutbaren Belastungen führen würde.

Die jährliche Sanierungsrate der Kanalnetzbetreiber habe sich 2012 gegenüber 2006 von circa 500 auf circa 1600 Kilometer pro Jahr deutlich gesteigert. Mit einer im Auftrag des Bayerischen Umweltministeriums durchgeführten Erhebung zum Zustand der Kanalisation in Bayern 2008 (Erhebungsjahr 2006) und 2015 (Erhebungsjahr 2012) lägen umfangreiche Kenntnisse über den Zustand der öffentlichen Kanalisation vor. "Der berichtete Sanierungsbedarf wird als bewältigbar bewertet“, betonte der Sprecher. (al)

Der Artikel wurde am 19. Februar um 11.50 Uhr mit dem Statement des Umweltministeriums ergänzt.