Wasser

Haushalt, Landwirtschaft, Industrie: Trends im Wasserverbrauch

Der DVGW hat für die Landwirtschaft eine wachsende und für die Energieversorgung eine sinkende Nachfrage ermittelt. Wichtig wäre ein integriertes Wasserinformationsportal.
28.10.2024

Wolf Merkel, Vorstand des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfachs (DVGW), auf dem diesjährigen DVGW-Kongress.

Der Sommer 2024 war erneut deutlich wärmer als der Durchschnitt. Neben den vor allem im August ungewöhnlich hohen Temperaturen waren Niederschläge mit lokalen Extremen ein wesentliches Kennzeichen der zurückliegenden Monate. „Der Sommer 2024 hat einmal mehr gezeigt, dass die Wasserversorgung in Deutschland einerseits sicher ist, sich andererseits aber auf zunehmende Hitzephasen und Extremwetterereignisse einstellen muss“, betont Wolf Merkel, Vorstand des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfachs (DVGW).

Doch wie ist die langfristige Entwicklung und auf welche Szenarien müssen sich einerseits die Wasserwirtschaft und andererseits die Gesellschaft einstellen? Eine wichtige Einflussgröße ist hier der zukünftige Wasserbedarf. Um diesen langfristig für verschiedene Sektoren abzuschätzen, hat der DVGW im Rahmen seines „Zukunftsprogramm Wasser“ unter Verwendung von Daten des Statistischen Bundesamtes die Entwicklung der Wassergewinnung aus natürlichen Ressourcen in Deutschland untersucht.

Wassernutzung ist nachhaltig

Als Gesamtfazit kann hier zunächst Entwarnung gegeben werden. „Der Wassernutzungsindex für Deutschland dürfte sich in den kommenden Jahrzehnten zwischen acht und neun Prozent einpendeln, so dass man von einer nachhaltigen Nutzung der natürlichen Süßwasserressourcen ausgehen kann. Insgesamt ist eine Übernutzungdes erneuerbaren Wasserdargebotes für Deutschland auch zukünftig nicht absehbar“, resümiert Merkel.

Der Wasserbedarf in Deutschland wird im Durchschnitt bis zum Ende des Jahrhunderts von aktuell 20,6 auf rund 16 Mrd. Kubikmeter pro Jahr zurückgehen. Dabei stellt sich die prognostizierte Entwicklung in den einzelnen Nutzergruppen differenziert dar.

Differenzierte Entwicklung in den Sektoren

Im Bereich der Haushalte ist der Tages-Pro-Kopf-Verbrauch im Zeitraum von 1991 bis 2019 bereits von 144 auf 128 Liter pro Einwohner gesunken.Prognostiziert wird hier eine stabile Entwicklung mit leichtem Anstieg von 3,7 Mrd. auf 3,9 Mrd. Kubikmeter bis Mitte des Jahrhunderts sowie auf 4,1 Mrd. Kubikmeter bis zum Ende des Jahrhunderts.

Auch in Industrie und Gewerbe wird mit einem leichten Rückgang des Wasserbedarfs von aktuell etwa 6,6 Mrd. auf rund 5 Mrd. Kubikmeter pro Jahr gerechnet. Bei der Wassereigengewinnung kalkulieren die Studienautoren deutschlandweit dagegen mit einem starken Rückgang aufgrund deutlicher Abnahmen beim verarbeitenden Gewerbe und im Bergbau.

Wasserbedarf für die Wasserstofferzeugung

Deutlich massiver ist der prognostizierte Abwärtstrend in der Energieversorgung. Die zunehmende Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien sorgte bereits zwischen 1991 und 2019 für eine Abnahme der Wassereigengewinnung von rund 29 auf 9 Mrd. Kubikmeter. Hier erwarten die Studienautoren infolge des geplanten Ausstiegs aus der thermischen Energieerzeugung einen weiteren Rückgang auf 5 Mrd.Kubikmeter.

Entgegengesetzt wirkt der Ersatz von fossilen Energieträgern durch Wasserstoff. Dabei lässt sich der Wasserbedarf der Elektrolyse zur Erzeugung von Wasserstoff nicht pauschal bestimmen. Im Worst-Case-Szenario, bei dem die Hälfte der Erzeugung onshore stattfindet und 75 Prozent der Anlagen mit Kreislauführung beim Kühlwasser ausgestattet sind, ergibt sich ein Gesamtbedarf natürlicher Wasserressourcen von rund 2 Mrd. Kubikmetern pro Jahr. Das würde etwa 23 Prozent der bisherigen Eigengewinnung der Energieversorgung 2019 entsprechen.

Große regionale Unterschiede

Von den anderen Sektoren hebt sich die erwartete Entwicklung in der Landwirtschaft ab. Die Studienautoren prognostizieren hier einen sehr deutlichen Anstieg von aktuell 0,6 auf 1,4 Mrd. Kubikmeter pro Jahr bis zum Ende des Jahrhunderts. Hintergrund: Eine in etwa Verdreifachung der Bewässerungsfläche sorgt für eine Verdreifachung der benötigten Bewässerungsmenge.

Klar ist jedoch auch: In allen Sektoren wird es zukünftig große regionale Unterschiede beim Wasserbedarf geben. „Die Regionen sind gefordert, ihre Wasserinfrastruktur fortlaufend anzupassen, um möglichen Engpässen vorzubeugen. Überregionale Lösungen müssen dabei mitgedacht werden“, betonte Merkel auf dem diesjährigen DVGW-Kongress.

Gute Chancen für deutsche Lösungen

„Mit dem Klimawandel ändert sich der Wasserhaushalt in Mitteleuropa und auch in Deutschland massiv“, konstatierte Prof. Dieter Borchardt auf der Veranstaltung in Berlin. Der Leiter des Themenbereiches „Wasserressourcen und Umwelt“ am UFZ – Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung sieht Deutschland künftig beim Umgang mit Wasser aufgrund seiner ökonomischen und demographischen Dynamiken zusätzlich vor besonderen Herausforderungen.

„Nicht die Daten und Fakten darüber sollten strittig sein, sondern debattiert werden muss, was daraus für die Wassernutzungen sektorübergreifend folgt“, betonte Borchardt. Dabei sieht er jedoch auch neue Optionen: „Deutschland hat mit seiner Wissens- und Informationsbasis die Chance, Vorreiter zu werden im nachhaltigen Umgang mit dem ‚neuen‘ Wasserhaushalt.“ Dies könnte den Weg zu einer „Spitzenposition im europäischen Wettbewerb um die besten Lösungen“ ebnen, glaubt der Wasserexperte.

Standards für den Datenaustausch

Von immer größerer Bedeutung werden hier konsistente und verlässliche Daten. Auf der Veranstaltung in Berlin präsentierte Christoph Schulte, Abteilungsleiter Wasser und Boden beim Umweltbundesamt (UBA), den Weg zu einem integrierten Wasserinformationsportal. Viele Portale und Dienste seien aus spezifischen Aufgaben und Berichtsanforderungen mit unterschiedlichen thematischen Zielsetzungen und -gruppen entstanden.

Die größten Datenmengen sind laut Schulte bei den Bundesländern vorhanden. Allerdings beklagte der UBA-Vertreter auf dem Kongress heterogene Austauschformate und Datenbereitstellungswege sowie eine unzureichende Umsetzung von Open-Data-Anforderungen, wie EU HVD-VO.

Integriertes Informationsportal

Ein integriertes Wasserinformationsportal soll der Umsetzung der Aktionen der Nationalen Wasserstrategie dienen sowie Bedarfe verschiedener Akteure – Wissenschaft, Politik, Verbände und Öffentlichkeit – aus einer Quelle bedienen. Zudem gelte es, Mehrfachentwicklungen zu vermeiden. (mn)