Strom

Blackout in Spanien: Mehr Details zum Ablauf bekannt

Innerhalb weniger Sekunden fielen im spanischen Netz mehrere Gigawatt an Kraftwerksleistung weg. Der Blackout war offenbar schon besiegelt, bevor die Verbindung nach Frankreich abbrach.
13.05.2025

In Spanien und Portugal brennt nach dem großen Blackout wieder Licht. (Symbolbild)

Von Julian Korb

Auch zwei Wochen nach dem weitflächigen Stromausfall in Spanien und Portugal ist die Ursache nicht geklärt. Immerhin ist nun klarer, wie sich der Vorfall genau abgespielt hat.

Als gesichert gilt, dass innerhalb von wenigen Sekunden eine erhebliche Menge an Erzeugungsleistung aus dem spanischen Stromnetz wegbrach. Der Verband der europäischen Übertragungsnetzbetreiber, Entso-E, hat eine Zeitleiste erstellt, welche die Geschehnisse vom 28. April zusammenfassen.

Kaskade von Ereignissen

Wie der spanische Übertragungsnetzbetreiber Red Eléctrica bestätigte, kam es gegen 12:33 Uhr zu drei kurz aufeinanderfolgenden Leistungseinbrüchen in Südspanien. Der gesamte Ausfall beläuft sich demnach auf 2200 Megawatt (MW) beziehungsweise 2,2 Gigawatt (GW).

Durch den großen Ausfall in der Stromerzeugung sank auch die Netzfrequenz schrittweise ab. Und zwar von den sonst üblichen 50 Hertz auf nur noch 48 Hertz. Der Frequenzeinbruch war so erheblich, dass er sogar in Deutschland zu messen war – wenn auch in einem deutlich geringeren Ausmaß. "In Freiburg konnten wir im Vorfeld der Abtrennung der iberischen Halbinsel eine markante Schwingung mit 0,217 Hertz messen", sagt Leonhard Probst, Energiesystemexperte vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE).

In der Folge kam es zu weiteren, automatischen Lastabwürfen in Spanien und Portugal. Innerhalb von nur fünf Sekunden schrumpfte die Stromerzeugung im spanischen Netz um rund 15 Gigawatt zusammen. Ein solcher massiver Einbruch der Netzfrequenz hatte eine Kettenreaktion zur Folge, wie Veit Hagenmeyer, Leiter des Instituts für Automation und angewandte Informatik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), in einer Pressemitteilung für das Science Media Center erklärt.

"Dann greifen automatische Abschaltvorrichtungen, die Kraftwerke, Wind- oder PV-Anlagen, Verbraucher, aber auch Stromleitungen oder Umspannanlagen abschalten – um diese vor Schäden zu schützen", so der Wissenschaftler. Daraus entstünde eine "regelrechte Kaskade von Abschaltungen", die sich durch das Netz ausbreite und zu einem großflächigen Stromausfall führe.

Verbindung zu Frankreich abgebrochen

Erst am Schluss dieser Kaskade kappte auch Frankreich die Verbindung zum Nachbarland, wie aus der Chronik von Entso-E hervorgeht. Auch ohne die Entkoppelung vom Nachbarland wäre der weitflächige Stromausfall also nicht zu verhindern gewesen. Denn bislang können über Transportnetze nur rund 3 Gigawatt zwischen Spanien und Frankreich ausgeglichen werden.

Sprich: Die Abkopplung der iberischen Halbinsel vom europäischen Verbundnetz war nicht die Ursache des Blackouts – dieser war schon vorher besiegelt. Zuvor war darüber spekuliert worden, ob die Trennung der beiden Länder den Stromausfall ausgelöst hatte.

Die Folgen waren jedenfalls verheerend. Stundenlang saßen 55 Millionen Bewohner der iberischen Halbinsel im Dunklen. Auch einige Ortschaften in Südfrankreich waren betroffen – wenn auch nur für kurze Zeit.

Herkunft der Oszillationen

Die Ursachenforschung läuft unter Hochtouren weiter. Debattiert wird derzeit über eine Reihe von Schwingungen im europäischen Stromnetz, die vermutlich mit dem Ereignis zusammenhängen. Die erste dieser sogenannten Oszillationen laut der Plattform Gridradar gegen 12:05 Uhr deutscher Zeit auf und war besonders in Nordportugal dominant. Eine zweite, stärkere Oszillation folgte nur fünfzehn Minuten später, mit einem Schwerpunkt in Südspanien.

Auffällig: Im Baltikum war diese Oszillation weit ausgeprägter als im Zentrum Europas. Netzexperten gehen davon aus, dass dies ein Anzeichen für eine systemische Instabilität im gesamten europäischen Netz sein könnte, die sich weit über die iberische Region hinaus erstreckte. Vor dem Hintergrund wird auch diskutiert, ob der Anschluss der baltischen Länder an das europäische Netz im Februar 2025 diesen Effekt verstärkt haben könnte. Bislang gibt es darauf jedoch keine gesicherten Hinweise.

"Diese Oszillationen sind per se erst mal eine zwingende Eigenschaft des Systems, seit Jahrzehnten bekannt und typischerweise so stark gedämpft, dass sie innerhalb von einer Periode abklingen", so Hagenmeyer vom KIT. Das Problem liege nicht in den Oszillationen an sich, sondern darin, dass durch einen Systemausfall die Kopplung so weit beeinflusst werde, dass "keine ausreichende Dämpfung" mehr vorhanden sei. Würden die Frequenzänderungen zu stark, könnten Generatoren überlastet werden und würden sich sicherheitshalber von Netz trennen.

Rolle der Solarenergie noch offen

Weiterhin heiß debattiert wird deshalb, inwiefern der hohe Anteil erneuerbarer Energien im Netz zu dem Stromausfall beigetragen hat. Laut Daten von Red Eléctrica betrug die spanische Stromproduktion zum Zeitpunkt des Ausfalls rund 32 GW, mit einem Solar-Anteil von knapp 55 Prozent.

Möglicherweise hätte ein höherer Anteil von konventionellen Kraftwerken dabei helfen können, die ersten Frequenzeinbrüche abzufedern. Hintergrund ist die sogenannte Trägheit, die solche Kraftwerke automatisch erzeugen – eine Art Puffer für Netzschwankungen. Auch mehr Batteriespeicher im Netz hätten dazu beitragen können, Spannungsschwankungen auszugleichen.

Analysten von der britischen Investmentbank RBC Capital Markets gehen deshalb in einer aktuellen Stellungnahme davon aus, dass der Blackout in Spanien "wahrscheinlich dazu führen wird, dass netzbildende Wechselrichter für PV-Anlagen eingeführt werden." Bislang sind solche Komponenten nicht vorgeschrieben. PV-Anlagen folgen daher eher der Netzfrequenz, als diese zu bilden.

Alternative Lösungen stehen bereit

Hersteller von Wechselrichtern betonten zwar, dass solche Lösungen technisch bereits möglich sind, es im derzeitigen Marktrahmen aber kaum Anreize dafür gibt. Zudem gibt es andere Technologien, um die nötige Trägheit bereitzustellen, etwa über sogenannte rotierende Phasenschieber oder besondere Netzanlagen wie Statcoms (Englisch: Static Synchronous Compensators), die ebenfalls Spannung im Stromnetz stabilisieren können.

"In Deutschland werden im Rahmen der Roadmap Systemstabilität die erforderlichen technischen Maßnahmen identifiziert, die eine Systemstabilität auch bei zunehmender Durchdringung von Umrichtern sicherstellen", sagt Albert Moser, Leiter des Instituts für Elektrische Anlagen und Netze, Digitalisierung und Energiewirtschaft, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH), gegenüber dem Science Media Center.

Um Schwingungen wie in Spanien frühzeitig zu erkennen, werde es immer wichtiger, "nicht nur auf statische Sicherheitsgrenzen zu achten, sondern auch die dynamische Stabilität im laufenden Betrieb zu überwachen und gezielt zu steuern", so Probst vom Fraunhofer-Institut ISE. Technologien wie gezielt eingesetzte Regler in Kraftwerken, steuerbare Stromleitungen oder moderne Wechselrichter spielten demnach eine Schlüsselrolle.

Um den Blackout weiter zu untersuchen, hat der europäische Netzbetreiberverband nun ein fünfzehnköpfiges Expertengremium gebildet. Von deutscher Seite ist Tilman Ringelband vom Übertragungsnetzbetreiber Amprion vertreten. Branchenexperten erwarten, dass die vollständige Aufklärung noch mehrere Wochen, wenn nicht sogar Monate dauern könnte.

Schwarzstart: Mehrere Anläufe scheiterten

Entso-E lieferte zudem bereits interessante Erkenntnisse, wie es gelang, das Netz in Spanien und Portugal wiederaufzubauen. So wurde bereits um 12:44 Uhr zentraleuropäischer Zeit – also elf Minuten nach Beginn des Stromausfalls – die erste Hochspannungsleitung nach Frankreich wieder in Betrieb genommen.

Um 13:04 Uhr folgte die Verbindung nach Marokko, das zwischenzeitlich teilweise auch vom Blackout betroffen war. Um 13:30 Uhr startete dann der Netzaufbau in Spanien selbst mithilfe mehrerer Wasserkraftwerke, die über eine sogenannte Schwarzstartfähigkeit verfügten, also ohne zusätzliche Stromzufuhr hochfahren können.

Mit Verspätung, ab 16:11 Uhr, fuhren anschließend zwei Kraftwerke in Portugal ebenfalls hoch. Zuvor waren mehrere Versuche gescheitert, die Stromverbindung wiederaufzubauen. Nach und nach wurden dann mehrere Hochspannungsleitungen zwischen Spanien und Portugal wieder unter Strom gesetzt.

Kurz nach Mitternacht war die Stromversorgung in Portugal wieder hergestellt. In Spanien dauerte es bis 4 Uhr nachts, bis das Übertragungsnetz wieder vollständig lief. Die verbliebenen Kernkraftwerke blieben dabei aus Sicherheitsgründen sogar 48 Stunden außer Betrieb.

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