Strom

Deutsche Stromimporte: Neuer Rekord und neues Lieferland Nummer eins

Die Importüberschüsse haben sich 2024 mehr als verdoppelt. Zugleich gibt es bei den Netto-Lieferanten Verschiebungen – auch ganz vorn.
02.01.2025

Bei keinem anderen Land waren die Stromexportüberschüsse im Jahr 2024 so groß wie bei Frankreich (hier Präsident Emmanuel Macron).

Von Andreas Baumer

Innerhalb weniger Jahre ist Deutschland vom klaren Netto-Stromexporteur zum eindeutigen Netto-Stromimporteur geworden. Wie Zahlen der Fraunhofer-Plattform Energy-Charts zeigen, wurden insgesamt 28,3 Terawattstunden (TWh) Strom vom Ausland mehr eingekauft als dorthin veräußert. Die Daten stimmen mit den Werten der Bundesnetzagentur-Plattform Smard.de überein.

Im vergangenen Jahr war Deutschland erstmals Netto-Stromimporteur geworden. Der Überschuss betrug damals 11,7 TWh. Dieser Wert hat sich nun mehr als verdoppelt. Lediglich im Januar exportierte die Bundesrepublik – genau genommen sind es Energiehändler in Deutschland – mehr Strom ins Ausland als sie importierte. Auch im Dezember überwogen nun die Importe – ein Novum. Üblicherweise erzeugt Deutschland im Winter mehr eigenen Strom, weil dann auch wärmegeführte Heizkraftwerke laufen und Strom als Nebenprodukt anfällt.

Stromimporte: Neue Nummern eins und drei

Bei den größten Netto-Stromlieferanten gab es im Vergleich zum Vorjahr eine Verschiebung. Frankreich (12,9 TWh) zog an Dänemark (12,0 TWh, laut Bundesnetzagentur 11,9 TWh) vorbei. Während Dänemark selbst viel Windkraft auf See erzeugt und über Importe mit Wasser- und Atomkraft aus Norwegen und Schweden versorgt wird, produzieren in Frankreich vorwiegend Kernkraftwerke Strom.

Unter anderem auf Kernkraft setzt auch die Schweiz, die sich zum drittgrößten Netto-Stromlieferanten für Deutschland aufgeschwungen hat. Der deutsche Importüberschuss betrug hier 7,1 TWh. Die Alpenrepublik verdrängte damit Norwegen vom Podestplatz. Die Skandinavier landeten diesmal auf Platz vier (5,8 TWh).

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Stromimporte und Stromknappheit

Der Bezug von Strom aus dem Ausland bedeutet nicht, dass Deutschland ausländischen Strom für die eigene Versorgungssicherheit zwingend braucht. "Wir importierten nicht aus Knappheitsgründen", erläuterte Kerstin Andreae, Chefin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). "Wir hätten inländisch ausreichend Kapazität gehabt, die Stromnachfrage zu decken. Aber es ist das Ergebnis eines von uns gewollten europäischen Binnenmarkts. Dort, wo Energie günstiger erzeugt wird, wird sie auch gekauft."

Tatsächlich ist es beim Bezug von Stromimporten üblicherweise so, dass ausländische Stromproduzenten billiger bieten als Teile der heimischen Konkurrenz und sich damit bei Stromauktionen durchsetzen. Ausländischer Grün- oder Atomstrom ist in der Regel wettbewerbsfähiger als deutscher Kohle- oder Gasstrom, auch weil bei der Erzeugung von fossilem Strom zusätzlich ein CO2-Preis anfällt.

Gegenüber einzelnen Ländern hat Deutschland seinen Status als Netto-Stromexporteur verteidigt. Nach Österreich wurden insgesamt 7,4 TWh mehr verkauft als von dort bezogen. Im Vergleich zum Jahr 2015 ist dieser Exportüberschuss aber kräftig geschmolzen. Damals wurden noch satte 31 TWh netto in die Alpenrepublik verkauft.

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Weitere Netto-Abnehmer deutschen Stroms waren im vergangenen Jahr Polen (3,5 TWh), Luxemburg (3,5 TWh) und Tschechien (2,8 TWh).

Frankreichs Renaissance

Mit Blick auf ganz Europa reiht sich Deutschland zum zweiten Mal hintereinander unter die drei größten Netto-Abnehmer von ausländischem Strom ein. Großbritannien und Italien waren aber auch schon vor einem Jahrzehnt klare Netto-Stromimporteure.

Die Kasse klingelte dagegen in Frankreich. Der Stromexportüberschuss betrug dort im vergangenen Jahr satte 89 TWh – ein ungewöhnlich hoher Wert. Damit distanzierte sich Frankreich deutlich von Schweden (33,1 TWh) und Norwegen (25,1 TWh).

Die Renaissance des Stromexporteurs Frankreich ist auch deswegen bemerkenswert, weil das Land vor zwei Jahren wegen Reparatur- und Wartungsarbeiten im Kernkraftwerkspark so wenig Strom selbst erzeugte, dass es massenweise Strom auch aus Deutschland einkaufte. Während Frankreich das Jahr 2022 mit einem klaren Stromimportüberschuss beendete, erzielte Deutschland seinen bislang letzten Exportüberschuss über ein ganzes Jahr.

Hier ein graphischer Überblick über Stromimporte und -exporte Deutschlands im Jahr 2024: