Keine Vergütung bei Negativpreisen: "Das könnte ein böses Erwachen geben"

Solarmodule auf einem Hausdach (Symbolbild)
Von Julian Korb
Die alte Bundesregierung hatte vor der Neuwahl mit dem Solarspitzengesetz noch schnell neue Marktregeln eingeführt. Eine Kernregelung: Neue PV-Anlagen, die nach dem 25. Februar 2025 in Betrieb gehen, erhalten keine Vergütung mehr für Zeiten, in denen der Börsenstrompreis negativ ist.
Bei vielen Solarkunden hat das zu Verunsicherung geführt, ob sich die eigene PV-Anlage noch lohnt. Anbieter von Solaranlagen und Speichern sprechen sogar von einem "Gamechanger" für ihr Geschäftsmodell.
Viertel der Einnahmen weg
Nach Auswertungen des Allgäuer Speicheranbieters Sonnen hätte das Gesetz – wäre es bereits im Vorjahr beschlossen worden – massive Auswirkungen gehabt. So fielen im vergangenen Jahr rund 14 Prozent der Erzeugung von privatem Solarstrom in negative Stunden an der Strombörse.
25 Prozent der Stunden wären für die Reststromeinspeisung eines PV-Haushalts nicht vergütet worden. Damit wäre auch ein Viertel der Einnahmen weg. Und das Problem dürfte sich verstärken.
"Wir rechnen im Jahr 2027 mit 700 Negativstunden", sagt Felix Dembski, der bei Sonnen für Energierecht und regulatorische Themen zuständig ist. "Dann wären nach unseren Schätzungen sogar 40 Prozent der Einnahmen weg."
Einspeisebegrenzung hat psychologische Wirkung
Doch die Negativpreis-Regel ist nicht die einzige große Änderung im Solarspitzengesetz. Auch die bis zum Einbau eines Smart Meter geltende Einspeisebegrenzung auf 60 Prozent hat laut Dembski einen psychologischen Effekt. "Die Kunden haben Angst, da viel Geld zu verlieren."
Viele Marktteilnehmer scheinen derzeit überzeugt, dass die 60 Prozent-Kappung kein Problem darstellt. Aber laut dem Solarenergie-Förderverein Deutschland betrifft die Begrenzung aktuell immerhin rund acht Prozent der Erzeugung. "Wenn die erste Abrechnung nach dem Solarspitzengesetz kommt, könnte es ein böses Erwachen geben", meint Dembski. Mit Speichern, die sinnvoll betrieben würden, lasse sich jedoch gut gegen diese Entwicklung arbeiten.
Ertragschancen bei variablen Netzentgelten
Ebenfalls zu veränderten Bedingungen im PV- und Speichergeschäft sorgt der §14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Bereits etwas länger gibt es auf dieser Rechtsgrundlage für Netzbetreiber die Möglichkeit, Anlagen bei Engpässen zu dimmen. Grundlage hierfür ist der §14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Die Regelungen betrifft seit Anfang 2024 alle größeren, steuerbaren Verbrauchseinrichtungen wie Wärmepumpen oder Wallboxen.
Bei Sonnen wählen Kunden bislang vor allem die pauschale Entschädigung für das Dimmen. Dabei gibt es laut Dembski bessere Ertragschancen mit zeitvariablen Netzentgelten, auch Modul 3 genannt. "Wir haben einen dynamischen Tarif für das Modul 3 gestartet. Allerdings wollen viele Netzbetreiber erst ab dem dritten Quartal 2025 solche variablen Netzentgelte anbieten." Spätestens gegen Ende des Jahres dürften sich jedoch die Auswirkungen auf den Markt zeigen.
Systemdienlicher Einsatz von Heimspeichern
Sonnen ist wie auch andere Anbieter überzeugt, dass der systemdienliche Einsatz von Heimspeicher an Bedeutung gewinnen wird. "Heimspeicher haben mehr Zyklen 'im Tank', als für den reinen Eigenverbrauch nötig ist", erläutert Regulierungsexperte Dembski.
Sonnen selbst hat die Kapazitäten aus vielen Heimspeichern eine Zeitlang in seinem virtuellen Kraftwerk ausschließlich als Primärregelleistung vermarktet. Mittlerweile ist das Allgäuer Unternehmen auch im Handel am Intraday-Markt tätig. Die Speicher könnten auch lokal Entlastung schaffen, doch dafür fehlen die Anreize.
"Wir könnten mit dem virtuellen Kraftwerk auf die Hausnummer genau das Stromnetz entlasten", so Dembski. Für Netzbetreiber fehlten in Deutschland aber die Anreize, um diese Leistungen nachzufragen. Dass dies bereits technisch möglich wäre, zeigt ein Blick über den großen Teich.
So arbeitet Sonnen in den USA in Utah bereits mit dem Monopolnetzbetreiber Rocky Mountain Power zusammen. Der Deal: Der Netzbetreiber darf die Speicher bei Engpässen steuern und nutzt dafür die Software des virtuellen Kraftwerks von Sonnen.
Die Kunden wiederum erhalten einen Rabatt von durchschnittlich 2000 Dollar beim Kauf eines Speichers sowie jährliche Gutschriften. "Wir haben bereits tausende Speicher in der Leitstelle des US-amerikanischen Netzbetreibers aggregiert", so Dembski. Für den US-amerikanischen Netzbetreiber sei es sinnvoller, die Speicher zu nutzen, als das Netz auszubauen.
Hemmnisse in der Regulierung
In Deutschland sieht Sonnen das Problem vor allem in der Regulierung. Der deutsche Regulierungsrahmen honoriere grundsätzlich Investitionen in Netze stärker als Investitionen in Flexibilität, meint Dembski. "Netzbetreiber bekommen Flexibilitätsinvestitionen nicht verzinst."
Zwar habe der Gesetzgeber mit dem §14c EnWG neue Möglichkeiten geschaffen. "Aber die Netzbetreiber sagen, dass die Bundesnetzagentur noch Festlegungen treffen muss." Die Bundesnetzagentur sehe hingegen die Netzbetreiber in der Pflicht.
Laut Dembski kommt es in der Praxis dabei auch auf die Jahreszeit an, in der die Netzengpässen entstehen.Von November bis Februar sind Heimspeicher kaum ausgelastet und könnten überschüssigen Strom einspeichern und für Lastspitzen vorhalten. Im Sommer hingegen ist den meisten Kunden ein möglichst großer Eigenverbrauch wichtig.
"Im Sommer müssen wir darauf achten, dass wir den Eigenverbrauch nicht zu stark stören." Das schließe aber Flexibilität nicht aus. Das virtuelle Kraftwerk von Sonnen erbringe beispielsweise auch im Sommer Regelleistung. "Mit unserer Speicherflotte können wir die Einspeisespitzen im Sommer trotzdem abfedern, indem wir die Kapazitäten unserer Kunden am Intraday-Markt einsetzen", resümiert Dembski.
Eigenverbrauch könnte an Bedeutung verlieren
Energieversorger und Unternehmen, die im Vertrieb von PV-Anlagen und Speichern tätig sind, müssen sich aber neue Strategien überlegen. Der Eigenverbrauch gilt immer noch als wichtiges Verkaufsargument für Heimspeicher. Künftig müssen Anbieter ihren Kunden wohl stärker erklären, warum es sinnvoll sein kann, die Speicher zur Stabilisierung des Stromnetzes einzusetzen.
Dazu gehört auch, die Sorge vor übermäßigen Eingriffen zu nehmen. "Unser Algorithmus schaut, dass wir zuerst die Anlagen ansprechen, bei denen dadurch die geringsten Einschränkungen entstehen", betont Dembski von Sonnen. "Wird Strom im Netz benötigt, nutzt der erst die am meisten gefüllten Speicher, dann die weniger gut gefüllten."
Auch für Netzbetreiber ergeben sich neue Möglichkeiten. Einige Netzbetreiber, vor allem aus dem Süden, hätten ihre niedrigen Netzentgelte aber auch bereits in die Mittagszeit verlagert, um den flexiblen Verbrauch von lokalem Solarstrom anzureizen, meint Dembski. Der Regulierungsexperte von Sonnen sieht darüber hinaus auch die Möglichkeit, den Energiebezug im Winter zu optimieren und zu günstigen Zeiten Strom in die Speicher zu laden. Auch ließen sich etwa Ladevorgänge von E-Fahrzeugen entsprechen verschieben.
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