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"Wo Geothermie nicht geht, kommt der Eisspeicher ins Spiel"

Eisspeicher bieten unter den richtigen Bedingungen eine effiziente Lösung für die Wärmeversorgung neuer Quartiere. Wann genau, das erläutert Tim Winterscheid von der Rhenag im Interview.
05.05.2025

Blick ins Innere des Eisspeichers in Rommerskirchen während des Baus 2022.

Eisspeicher gelten als vielversprechende Lösung für die nachhaltige Wärmeversorgung neuer Quartiere – unter bestimmten Voraussetzungen. Welche das sind, erläutert Tim Winterscheid, Leiter Energiedienstleistungen, im Interview. Die Rhenag betreibt im nordrhein-westfälischen Rommerskirchen seit kurzem solch einen Eisspeicher.

Herr Winterscheid, Welche Voraussetzungen müssen Neubaugebiete oder Quartiere erfüllen, damit ein Eisspeicher überhaupt sinnvoll betrieben werden kann? Wie viele haben Sie bereits errichtet?

Ein Wärmenetz mit Eisspeicher läuft am wirtschaftlichsten mit Neubauten, denn diese benötigen in der Regel niedrige Vorlauftemperaturen und damit auch weniger Energie. Die Voraussetzungen für Eisspeicherprojekte sind ähnlich zu anderen Wärmenetzen. Aufgrund der Kosten für die Leitungsverlegung ist es sinnvoll, Eisspeicherprojekte frühzeitig in Neubauprojekten mitzudenken. Die Rhenag Energie ist bereits an zehn Wärmenetzen mit Eisspeichern beteiligt.

Sie sprechen am Beispiel Rommerskirchen von einer "kostenlosen Energieerzeugung". Wie setzt sich die Wirtschaftlichkeit des Systems genau zusammen, und ab wann rechnet sich die Investition für Kommunen oder Bauherren?

Wie auch andere Wärmepumpen bedient sich das Eisspeicherprojekt einer kostenlosen Energiequelle – in diesem Fall dem energiegeladenen Phasenübergang von flüssigem zu gefrorenem Wasser. Wärmepumpen mit Eisspeicher laufen im Vergleich zu Luft-Wasser-Wärmepumpen deutlich effizienter und benötigen daher auch weniger Strom für ihren Betrieb.

"Bauherren zahlen lediglich einen jährlichen Grundpreis."

Die Investitionen für das Wärmenetz trägt die Rhenag Energie. Bauherren zahlen lediglich einen jährlichen Grundpreis für den Anschluss an die Rhenag Energie, welche wiederkehrende Investitionen in zum Beispiel Netz oder Energiezentrale abdeckt. Das wirtschaftliche Risiko trägt somit die Rhenag.

Lässt sich ein Eisspeicher auch in bereits bestehende Quartiere oder in den Bestand integrieren oder sind es reine Neubauprojekte?

Bestandsquartiere haben meist einen höheren Energiebedarf. Da Sanierungen oft zeitlich unabsehbar sind und der bei Inbetriebnahme anfallende Gebäudeenergiebedarf eher hoch ausfällt, wäre der Eisspeicher langfristig überdimensioniert. Der Grundpreis stünde somit langfristig nicht im Verhältnis zur dann benötigten Wärmemenge.

Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen bei der Planung und Umsetzung solcher Projekte – eher bei den technischen Details, der Koordination oder bei regulatorischen Rahmenbedingungen?

Die erfolgreiche Umsetzung eines Eisspeicherprojekts hängt von allen genannten Faktoren gleichermaßen ab. Der wichtigste Schritt ist, den Eisspeicher frühzeitig in eine ganzheitliche Planung zu integrieren. Dadurch können potenzielle Herausforderungen frühzeitig identifiziert und Hürden vermieden werden. Beispielsweise sollte die zuständige Wasserbehörde aufgrund der Verwendung eines Glykol-Wassergemischs rechtzeitig einbezogen werden.

Wie aufwändig ist der Betrieb und die Wartung eines kalten Nahwärmenetzes – und wer trägt die Verantwortung dafür im laufenden Betrieb?

Der Betrieb und die Wartung eines kalten Nahwärmenetzes sind im Vergleich zu traditionellen Wärmenetzen weniger aufwändig, weil es mit niedrigeren Temperaturen arbeitet und keine aktiven Wärmeerzeuger enthält. Allerdings sind Umwälzpumpen notwendig, um das Wärmeträgermedium im Netz zu zirkulieren. Die Verantwortung für den laufenden Betrieb und die Wartung liegt bei der Rhenag Energie, welche sicherstellt, dass alle technischen Anforderungen erfüllt werden und das System effizient arbeitet.

"Eine effiziente und leise Alternative"

Welche Rolle kann die Eisspeicher-Technologie aus Ihrer Sicht in der kommunalen Wärmewende spielen – eher Nischenlösung oder bald Standard im Quartiersbau?

Die Eisspeicher-Technologie kann in Gebieten mit geologischen Einschränkungen, die Geothermie unmöglich machen, oder in dicht besiedelten Quartieren, wo Luft-Wasser-Wärmepumpen nicht möglich sind, eine wichtige Rolle spielen. Sie bietet eine effiziente und leise Alternative in der Wärmeversorgung. Obwohl sie derzeit eher als Nischenlösung gilt, zeigt das Pilotprojekt in Rommerskirchen, dass sie in Zukunft einen wichtigen Beitrag zur Wärmewende leisten kann.

Das Interview führte Daniel Zugehör

Mehr zu dem aktuellen Projekt in Rommerskirchen lesen Sie auch in unserer neuen E-Paper-/Printausgabe.