Viele Fachleute betonen, dass ausreichend Erholungszeit die Motivation und damit die Produktivität steigert. Sie setzen ebenfalls auf Produktivitätszuwachs – wie bringen Sie diese Ansätze zusammen?
Vorweg: Die 38-Stunden-Woche ist absolut branchenüblich. Wichtig ist mir dabei zu betonen: Wir setzen nicht einfach auf einen Produktivitätszuwachs im Sinne von "mehr leisten in der gleichen Zeit". Vielmehr erhöhen wir die Wochenarbeitszeit und passen gleichzeitig die Löhne an, wodurch wir uns wieder im Tarifgefüge der Branche in Baden-Württemberg befinden. Und wir gehen noch einen Schritt weiter, indem wir einen Kündigungsschutz bis 2030 vereinbart haben. Dieser ist ein wichtiges Signal an unsere Mitarbeitenden – gerade in Zeiten von geopolitischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten.
Wie hat die Belegschaft auf die Arbeitszeiterhöhung reagiert?
Die Mehrheit unserer Mitarbeitenden hat die Entscheidung mit Wohlwollen aufgenommen. Gleichzeitig wissen wir, dass die Erhöhung der Wochenarbeitszeit für einige Mitarbeitende eine Herausforderung darstellt. In diesen Fällen suchen wir gemeinsam nach Lösungen – etwa durch Teilzeitmodelle.
Dann bleiben individuelle Teilzeitangebote im gleichen Maße wie bisher bestehen?
Ja, individuelle Teilzeitmodelle sind bei uns im Unternehmen möglich. Wenn jemand seine Stunden anpassen möchte – egal ob nach oben oder unten – sind wir als Unternehmen in der Regel flexibel. Uns ist wichtig, dass die Arbeitszeit auch vereinbar ist, zum Beispiel mit der Care-Arbeit, die viele Mitarbeitenden leisten.
Gab es interne Befragungen dazu, ob Beschäftigte eher mehr Freizeit oder ein höheres Gehalt bevorzugen?
Nein, eine solche Befragung hat es nicht gegeben. Die 36-Stunden-Woche war ein Sonderweg. Unser Ziel war immer, in das in Baden-Württemberg für die private Energiewirtschaft übliche Tarifgefüge zurückzukehren, sobald das wirtschaftlich sinnvoll ist.
Tragen auch die betrieblichen Sozialpartner den neuen Weg mit? Wie verlief die Zusammenarbeit bei der Umsetzung?
Wir sind unseren Sozialpartnern dankbar, dass sie den gemeinsam eingeschlagenen Sonderweg in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten mitgetragen haben. Ebenso schätzen wir, dass sie nun auch die Rückkehr zur 38-Stunden-Woche konstruktiv begleiten. Die Gespräche waren stets zielgerichtet und lösungsorientiert. Das ist keine Selbstverständlichkeit.
Inwiefern trägt der neue Ansatz dazu bei, dem Fachkräftemangel langfristig wirksam zu begegnen?
Die Erhöhung der Wochenarbeitszeit auf 38 Stunden ermöglicht es uns, das umfassende Know-how unserer Mitarbeitenden noch gezielter und effektiver einzusetzen. Gleichzeitig reduziert sich der Bedarf an neuen Fachkräften – sowohl mittel- als auch langfristig. Die Rückkehr zur 38-Stunden-Woche ist daher ein wichtiger Schritt, um unsere ambitionierte Investitions- und Wachstumsagenda erfolgreich umzusetzen.
Das Interview führte Boris Schlizio.
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