Karriere

Wenn der Arbeitgeber die private Gesundheitsvorsorge bezahlt

Eine betriebliche Krankenversicherung ist bei Mitarbeitern beliebter als Gehaltserhöhung oder Diensttelefon. Welche Vorteile sie bietet und auf was man achten muss, erläutern wir im dritten Teil der ZfK-Serie "Gesundheitsmanagement im Fokus".
24.06.2025

Aufwendige Hautkrebsscreenings müssen häufig privat bezahlt werden – Gutscheine aus der betrieblichen Krankenversicherung können hier eine Lücke schließen.

Von Boris Schlizio

Kommunale Unternehmen möchten sich im Wettbewerb um Fachkräfte durch zusätzliche Leistungen wie familienfreundliche Angebote, flexible Arbeitszeiten oder Mobilitätslösungen gut positionieren. Die private Vorsorge in Kranken- und Pflegeversicherung gewinnt wegen des demografischen Wandels, der das Gesamtsystem zunehmend belastet, immer mehr an Bedeutung für die Beschäftigten.

Im letzten Webinar des VKU-Personalnetzwerks stellte Konrad Seelig, Experte für Betriebliches Gesundheitsmanagement und Mitglied des VKU-Fördervereins, die arbeitgeberfinanzierte betriebliche Krankenversicherung (bKV) als möglichen Benefit für die Beschäftigten vor. 

Unternehmen bewegen sich hier noch auf Neuland: 2024 hatten rund sieben Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten eine private bKV über ihren Arbeitgeber.

  • Konrad Seelig leitet als geschäftsführender Gesellschafter die Unternehmensberatung Top bKV.

Steuerfreie Leistung

Der Arbeitgeber schließt für seine Mitarbeitenden eine private Kranken-Zusatzversicherung ab, die ihnen den Zugang zu privatärztlichen Leistungen ermöglicht. Dafür muss keine Gesundheitsprüfung durchgeführt werden, die Absicherung gilt also ab sofort und für alle Beschäftigten gleichermaßen. Die Vertragslaufzeiten sind zunächst auf zwei Jahre begrenzt, mit der Möglichkeit, die Verträge anschließend zu verlängern, konzeptionell anzupassen oder zu beenden.

Die Beiträge sind steuerlich absetzbar, Sachleistungen bis zu einem Wert von 50 Euro pro Mitarbeiter und Monat bleiben steuerfrei. Zudem kann die bKV im ESRS-Reporting (unter S1 – 11, Paragraf 74a zum Sozialschutz) als freiwillige Zusatzleistung ausgewiesen werden.

Erweiterte Vorsorgeangebote

Was genau umfasst ein solches Angebot einer bKV? Ein bereits bestehendes betriebliches Gesundheitsmanagement deckt oft schon viele Vorsorgeuntersuchungen ab – aber nicht etwa Brust-, Prostata- oder Darmkrebsvorsorge.

Nicht alle Unternehmen haben laut Seelig zudem die finanziellen oder strukturellen Möglichkeiten, regelmäßig erweiterte Vorsorgemaßnahmen für alle Mitarbeitenden anzubieten. Eine bKV ermöglicht es, solche Checks bei Bedarf durch externe Fachärzt:innen kostenfrei durchführen zu lassen. 

"Spätestens bei privatärztlichen Krankenhausbehandlungen sind die Grenzen dessen erreicht, was ein Unternehmen leisten kann", erklärt der Experte.

Sogenannte Vorsorge-Gutscheine der bKV für die Angestellten werden individuell angepasst. "Ein 20-jähriger Mann benötigt keine Prostatakrebsvorsorge, wohl aber ein großes Blutbild oder eine Hautkrebsvorsorge", erläutert Seelig.

Realitätscheck nötig

Vorsorgeuntersuchungen wirken langfristig. Doch das Angebot müsse sich auch im Betrieb bewähren und zur Belegschaft passen, so der Experte. Genau deshalb werden bKVs meist für zwei Jahre abgeschlossen. "Arbeitgeber müssen sich immer ein Ausstiegsrecht vorbehalten", bekräftigt er. 

Dabei sollten strukturelle Fragen geklärt werden: Wie hoch ist der Altersdurchschnitt? Welche Mitarbeiter suche ich in welchen Bereichen? Welche Geschäftsbereiche oder Funktionen sollen insbesondere gestärkt werden? Was macht der Wettbewerb? Wodurch zeichnen sich Führungs- und Unternehmenskultur aus? Und welche Schwerpunkte wollen wir setzen? Wie ist die regionale Infrastruktur? "Aus diesen Antworten leiten sich Konzept, Wirkung und Kommunikation ab – Brüche mit der aktuellen Personalstrategie sind zu vermeiden", so Seelig.

Reduzierung von Fehlzeiten und Fluktuation

Eine private bKV könne zudem helfen, krankheitsbedingte Ausfalltage zu senken. Nach Angaben der AOK entfielen 2025 über 40 Prozent aller Arbeitsunfähigkeitstage auf Langzeiterkrankungen, obwohl diese nur 3,3 Prozent aller Krankmeldungen ausmachten. Seelig: "Vorsorgeuntersuchungen, kombiniert mit einem umfassenden betrieblichen Gesundheitsmanagement und einer gesunden Unternehmenskultur, sind somit entscheidend, um hier Fehltage zu reduzieren."

Nach einer Faustregel verursache ein Krankenstand von einem Prozent bei 1000 Mitarbeitenden rund eine Million Euro Vollkosten – inklusive Entgeltfortzahlung, zusätzlicher Personalkosten, Verwaltung, Produktivitätsausfällen und Opportunitätskosten.

Auch eine niedrigere Fluktuation kann die die Betriebsökonomie steigern. Der Berater: "Die Kosten eines Mitarbeiterwechsels liegen bei 90 bis 200 Prozent des Bruttojahresgehalts. Bei 500 Mitarbeitenden und einem Durchschnittsgehalt von 60.000 Euro kann eine Reduzierung der Fluktuation um ein Prozent zu Einsparungen von 270.000 bis 600.000 Euro führen.“ Zusätzlich fallen Kosten für Personalsuche, Einarbeitung und Überstunden zur Kompensation an.

Bei Jüngeren gefragt

Eine Umfrage des Verbands der Privaten Krankenversicherungen (2023) zeigt: 45 Prozent der Befragten bewerten eine bKV höher als andere Firmenextras wie Diensttelefon oder Nahverkehrsticket, 25 Prozent sogar höher als eine Gehaltserhöhung. Besonders hoch ist die Zustimmung bei 18- bis 29-Jährigen.

Zusätzlich könne die Möglichkeit, Familienangehörige mitzuversichern, die Mitarbeiterbindung beeinflussen, so Seelig. 

Informationen entkräften Vorbehalte

Nicht alle Mitarbeitenden stehen einer bKV offen gegenüber – etwa wegen bestehender privater Vorsorge oder genereller Skepsis.

"Für persönliche Bedenken gibt es Raum", so Seelig. Vor Einführung werden Mitarbeitende transparent über Leistungsumfang und erforderliche personenbezogene Daten (Alter, Geschlecht, Adresse) informiert. Manche Mitarbeitende hätten am Anfang auch Sorgen, dass persönliche Gesundheitsdaten an den Arbeitgeber übermittelt werden könnten. 

Diese Bedenken könnten aber im Rahmen von individuellen Gesprächen im Vorfeld geklärt werden, da im Rahmen der sehr strengen Vorgaben durch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) Gesundheitsdaten nur zwischen Mitarbeitenden und der Versicherungsgesellschaft ausgetauscht würden und nie an den Arbeitgeber gingen.

Innerhalb von zwei Wochen können die Mitarbeiternden dem Angebot über eine sogenante Opt-Out-Klausel widersprechen. In der Praxis liegt die Widerspruchsquote laut Seelig unter 0,1 Prozent. Eine frühe Einbindung der Arbeitnehmervertretung sei überdies ratsam.

Pfeiler einer wertschätzenden Unternehmenskultur

Organisatorischer Aufwand kann Unternehmen vor der Einführung abschrecken. "Anfangs müssen Mitarbeitende kommunikativ gut abgeholt werden – über Leistungen und Datenschutz", sagt Seelig. Regelmäßige Zu- und Abgänge im Personalbestand werden monatlich digital an den Versicherer gemeldet. Doch Rollouts und Betreuung übernehmen auch Versicherungsmakler und -unternehmen.

Zwischen den Jahren 2020 und 2025 ist die Zahl der über eine bKV abgesicherten Personen jährlich um durchschnittlich 25 Prozent gestiegen. Die Zahl der Unternehmen, die eine entsprechende Lösung eingeführt haben, wuchs im selben Zeitraum jährlich um rund 35 Prozent.  

"Ein gutes Gesundheitsmanagement ist ein starker Pfeiler einer zugewandten und wertschätzenden Unternehmenskultur in kommunalen Unternehmen. Das motiviert und bindet die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und zahlt auf die Arbeitgeberattraktivität ein", betont Heiko Schäffer als Verantwortlicher des Netzwerkes der Personalverantwortlichen und Vorstandsmitglied des VKU-Fördervereins. Eine bKV kann die Optionen erweitern – wenn sie zur jeweiligen Belegschaft passt.

Teil 1 der Serie: Was die Wiener Stadtwerke bei psychischer Belastung anders machen.

Teil 2 der Serie: Kann der Hitzesommer kommen?