"Die Ampel muss die THG-Quotenkrise endlich ernst nehmen"
Die Insolvenz des Biomethananbieters Landwärme hat die Debatte um die sogenannte THG-Quote neu entfacht. Dabei klagt nicht nur die Biogas-, sondern auch die Elektromobilitätsbranche, wo das Start-up E-Quota bereits vor mehr als einem Jahr aufgeben musste. Ein Interview mit Marc Schubert, Geschäftsführer des Dienstleisters Elektrovorteil.
Herr Schubert, vor gut zweieinhalb Jahren herrschte beim Thema THG-Quote noch Goldgräberstimmung. Stadtwerke und andere Versorger lockten mit Jahresprämien von 300 Euro jährlich und mehr. Inzwischen aber überschreiten die Prämien nur noch selten die 100-Euro-Marke. Dass es zunächst nicht so weitergehen würde wie 2022, war aufgrund des Berechnungsschlüssels des Umweltbundesamts vorauszusehen. Dass er so stark abstürzen würde, hingegen nicht. Was steckt dahinter?
Vielleicht eines vorweg: Die THG-Quote ist eines der wichtigsten Instrumente für die Verkehrswende in Deutschland. Sie setzt finanzielle Anreize, um sich für ein Elektrofahrzeug zu entscheiden oder in Ladeinfrastruktur zu investieren. Damit lenkt die THG-Quote die Investitionen in Richtung alternativer Antriebe und hilft einschlägig dabei, den Verkehr zu dekarbonisieren. Und wo kommt die Förderung her? Nicht auf Basis von Steuergeldern, sondern, und das ist ja das Interessante dabei, von Mineralölkonzernen.
Aber woher rührt der starke Kursabsturz?
Wir reden über einen Markt, der auf der Anbieterseite von wenigen Mineralölkonzernen dominiert wird und bei dem es keine Aufsichtsbehörde wie die Bafin gibt. Der Kurssturz begann Ende 2022, als plötzlich sehr, sehr große Mengen angeblich fortschrittlicher Biokraftstoffe aus China nach Deutschland importiert wurden. Damit sank der Druck auf die Mineralölkonzerne, ihre Treibhausgase auf andere Weise zu kompensieren. In der Folge brachen die THG-Quotenpreise ein.
Was meinen Sie mit angeblich fortschrittlichen Biokraftstoffen?
Bei den verwendeten Ausgangsprodukten handelt es sich vermeintlich um Frittierfette und Altspeiseöle. Biokraftstoffe, die aus solchen Fetten und Ölen hergestellt werden, gelten als besonders fortschrittlich und werden doppelt auf die THG-Minderungszertifikate angerechnet.
Und was ist das Problem dabei?
Es stellt sich die Frage, ob der importierte Biokraftstoff tatsächlich nur aus Altspeiseölen und Frittierfetten besteht. In der Branche bestehen daran große Zweifel. Der Verdacht liegt nahe, dass stattdessen massiv klimaschädliches Palmöl verwendet wurde, erhebliche Biokraftstoffmengen also falsch deklariert wurden. Der Import von Biosprit auf Palmölbasis in die EU ist nämlich verboten. Leider lässt sich der Unterschied im Kraftstoff nicht nachweisen.
Welche Folgen hat denn der Kursverfall?
Dadurch ist Umweltschutz aus wirtschaftlicher Sicht uninteressant geworden. Oder anders: Verschmutzen lohnt sich wieder. Allein letztes Jahr beträgt der direkte E-Mobilitätsschaden laut unseren Berechnungen circa 415 Millionen Euro.
Die EU hat reagiert. Seit 16. August gibt es Anti-Dumping-Zölle auf Biodiesel-Importe aus China. Hat das keine Wirkung gezeigt?
Besser wäre es gewesen, wenn die Zölle eineinhalb Jahre früher gekommen wären. Einen signifikanten Unterschied auf dem Markt haben sie bislang nicht gehabt.
Wieso denn nicht?
Die Mineralölkonzerne dürften die niedrigen Preise genutzt haben, um sich günstig mit Quoten einzudecken. Nach Branchenschätzungen sollen sie im vergangenen Jahr 40 bis 50 Prozent mehr Quoten gekauft haben, als sie eigentlich benötigten. Denn Quoten können unbegrenzt ins nächste Jahr übertragen werden. Wir rechnen also mit einem anhaltenden Überangebot.
Das heißt, dass auch der Quotenkurs auf absehbare Zeit niedrig bleiben wird?
Ja. Wir fürchten, dass wir weiter auf dem jetzigen Niveau herumdümpeln werden.
Was bedeutet das für Stromversorger wie Stadtwerke, die auf Elektromobilität setzen?
Nehmen wir das Geschäftsfeld Ladesäulen, das derzeit ohnehin noch nicht margenstark ist. Vor zwei Jahren konnten Stadtwerke mit durchschnittlichen Erlösen von 15 Cent pro Kilowattstunde rechnen. In diesem Jahr sind es hingegen maximal fünf Cent pro Kilowattstunde. Investitionen in neue Ladepunkte lohnen sich also weniger.
Und welche Auswirkungen haben anhaltend niedrige THG-Quoten für die Wirtschaftlichkeit von Elektrobussen?
Im Jahr 2022 konnten wir noch 18.000 Euro THG-Prämie pro Bus auszahlen. Heute liegen wir bei unter 3.000 Euro. Auch hier gilt: Niedrige THG-Quotenpreise machen den Umstieg auf klimafreundliche Alternativen unattraktiver.
Welches Preisniveau müssten wir aus Ihrer Sicht wieder erreichen?
Der Preis müsste sich mindestens verdreifachen. Dann läge man immer noch unter der Strafzahlung von 600 Euro pro Tonne CO2-Ausstoß. Für die Mineralölkonzerne wäre es also immer noch deutlich günstiger, ihre Emissionen zu kompensieren. Gleichzeitig würde über die THG-Quote wieder genügend Geld dorthin fließen, wo es hingehört: etwa in den Hochlauf der klimaneutralen Elektromobilität.
Inwiefern müssten sich dafür die Spielregeln ändern?
Wir fordern, dass Anlagen zur Herstellung von Biokraftstoffen vor Ort geprüft werden. Sollten sich Länder wie China dem verweigern, sollten Biokraftstoff-Importe von dort untersagt werden. Sollten Untersuchungen zudem ergeben, dass bei der Herstellung von Biokraftstoffen betrogen wurde, müssen die falsch deklarierten Mengen rückwirkend widerrufen werden.
Verschiedene Verbände, auch unser Bundesverband THG-Quote e.V., haben dem Umweltministerium bereits entsprechende Maßnahmen vorgeschlagen. Außerdem müssten die Quotenziele hochgesetzt werden. Denn offenbar sind sie für Mineralölkonzerne derzeit viel zu einfach zu erreichen. Wichtig ist, dass schnell etwas passiert und nicht erst im übernächsten Jahr.
Die Ampel findet, dass sie schon jetzt viel macht. Teilen Sie diesen Eindruck nicht?
Nein. Leider hat man aktuell den Eindruck, dass kein richtiger Wille zum Klimaschutz da ist. Wir können nur appellieren, die Aufklärung voranzutreiben und eine echte Unterstützung für den Klimabeitrag zu leisten. Die Ampel muss die THG-Quotenkrise endlich ernst nehmen.
Das Interview führte Andreas Baumer
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