Warum Energy Sharing nur regional und unkompliziert funktionieren kann
Von:
Kerstin Andreae,
Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung
BDEW
Vom Bauernhof nebenan künftig nicht nur Eier und Milch, sondern auch Strom kaufen – das ist die Idee von Energy Sharing, der gemeinsamen Energienutzung. Funktionieren soll das Ganze so: Ein privater Stromerzeuger, beispielsweise ein Landwirt mit PV-Anlagen auf dem Scheunendach, schließt sich mit Verbrauchern aus der Region zusammen und verkauft ihnen günstig den erzeugten erneuerbaren Strom.
Dies kann es künftig auch Bürgerinnen und Bürgern ohne eigene Immobilie ermöglichen, von niedrigeren Strompreisen über Erneuerbare-Energien-Anlagen zu profitieren und könnte so ganz nebenbei auch die Akzeptanz der Energiewende erhöhen.
Was erst einmal gut klingt, birgt jedoch einige Tücken. Denn wie so oft kommt es auf die Ausgestaltung an. Schließlich lässt sich Strom nicht einfach wie Eier und Milch an der Kasse bezahlen und im Beutel nach Hause tragen.
Regelungen sind zu komplex
Dazu, wie Energy Sharing künftig in der Praxis funktionieren soll, hat das Bundeswirtschaftsministerium mit der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) Vorschläge auf den Tisch gelegt. Damit sollen Vorgaben der EU umgesetzt werden. Doch die Regelungen, die das Wirtschaftsministerium aktuell vorsieht, sind zu komplex und erzeugen einen enormen zusätzlichen Aufwand. Das muss nicht sein, das geht auch einfacher.
Im Beispiel: Höchst problematisch ist die fehlende regionale Abgrenzung für die gemeinsame Nutzung von Energie. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen: Die effektivsten Anwendungsfälle des Energy Sharing finden im engeren räumlichen Zusammenhang zwischen Erzeugungs- und Verbrauchsort statt, etwa bei der Nutzung von Strom aus Dach-PV-Anlagen auch in Nachbargebäuden oder innerhalb eines Quartiers.
Energy Sharing über weite Strecken kompliziert
Der aktuelle Gesetzentwurf sieht jedoch vor, Energy Sharing über weite Strecken und mehrere Netzgebiete zu ermöglichen. Dies wäre etwa so, als würde man Eier und Milch zwar beim Bauernhof um die Ecke kaufen, diese dann aber mit der Post an die 200 Kilometer entfernt wohnende Tante schicken – mit allem Aufwand, den das für alle Beteiligten bis zum Paketzentrum und dem Postboten mit sich brächte.
Zudem steigern die vorgesehenen Regeln die Komplexität der Abwicklung insbesondere für Netz- und Messstellenbetreiber sowie sogenannte Reststromlieferanten erheblich. Da die Lieferung über das öffentliche Netz erfolgen soll, muss der Netzbetreiber künftig für die Bilanzierung wissen, welche Stromerzeuger mit welchen Verbrauchern eine Energiegemeinschaft bilden.
Vorgesehene Netzentgeltabrechnung unverhältnismäßig
Befinden sich diese in unterschiedlichen Bilanzkreisen, braucht es auch noch einen separaten Marktkommunikationsmechanismus, da die Bilanzkreise ausgeglichen sein müssen. Keinesfalls sollte das Energy Sharing deshalb über das Bilanzierungsgebiet des jeweiligen Verteilnetzbetreibers hinaus ausgedehnt werden.
Auch die vorgesehene Abrechnung der Netzentgelte, Steuern und Abgaben durch die Stromlieferanten, obwohl diese an dem Modell wirtschaftlich nicht beteiligt sind, ist unzumutbar und im rechtlichen Sinne unverhältnismäßig.
Massengeschäft Energy Sharing?
Ebenfalls problematisch sind aus Sicht der Energiewirtschaft die detaillierten Vorgaben zur vorgesehenen Internetplattform, über die unter anderem das Energy Sharing abgewickelt sowie Netzzugang und Netzanschluss geregelt werden sollen: Kosten und Nutzen einer solchen Internetplattform sollten mit der Branche besprochen und auf Machbarkeit überprüft werden, bevor im Gesetz Details festgelegt werden.
Das gilt insbesondere mit Blick auf die vorgesehen Fristen, die im Gesetzentwurf ambitionierter angesetzt sind als mit Blick auf die EU-Vorgaben notwendig. Vor allem vor dem Hintergrund, dass derzeit eine Vielzahl anderer Projekte mit IT-Relevanz zeitnah umgesetzt werden müssen (zum Beispiel der Rollout von intelligenten Messsystemen, die Beschleunigung und Digitalisierung des Netzanschlusses und die Umsetzung des Redispatch 2.0), ist eine Abwicklung von Energy Sharing im Massengeschäft kurz- und mittelfristig jedenfalls in den genannten Fristen nicht realisierbar. Auch Netzbetreiber und Softwarehäuser haben Kapazitätsgrenzen.
Praxistaugliches Energy Sharing
Damit Energy Sharing in der Praxis funktionieren und tatsächlich einen Beitrag zur Energiewende leisten kann, müsste es für alle Beteiligten so einfach sein wie der Einkauf im Hofladen um die Ecke.
Hinweis: Dieser Gastbeitrag spiegelt die Meinung der Autorin wider und entspricht nicht zwangsläufig der Ansicht der Redaktion.
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