Recht & Regulierung

Gasanschluss-Kündigung: Gutachten kritisiert "unzumutbare Rechtsunsicherheiten"

Die Kostenfrage bei Anschluss-Stilllegungen wird unterschiedlich gehandhabt. Das birgt für Versorger und Kunde beträchtliche Risiken. Der Bundesverband Wärmepumpe nimmt die Politik in die Pflicht.
08.05.2025

Aufgrund der unklaren Rechtslage könnten selbst vertragliche Klauseln oder pauschale Gebühren problematisch sein, sagt die bekannte Energierechtsanwältin Miriam Vollmer.

Von Hans-Peter Hoeren

Wer die Kosten für die Stilllegung und Verplombung eines Hausanschlusses an das Gasverteilnetz zu tragen hat, ist nicht eindeutig geregelt. Das führt zu einer uneinheitlichen Anwendungspraxis. Ein neues Rechtsgutachten der auf Energierecht spezialisierten Kanzlei „re|Rechtsanwälte“ warnt deshalb vor erheblichen Risiken für Verbraucher und Netzbetreiber.  In Auftrag gegeben wurde das Gutachten vom Bundesverband Wärmepumpe (BWP).

Wer seinen Gasanschluss kündige, sehe sich mit einem Flickenteppich an Regelungen und teils erheblichen Kosten konfrontiert, heißt es in der Pressemitteilung des Verbands. Während einige Netzbetreiber die Stilllegung kostenlos anbieten, fordern andere mehrere hundert Euro. Laut einer Umfrage der Verbraucherzenrale NRW vom März dieses Jahres bei rund 40 Unternehmen nahmen zwei Drittel der Befragten die Stilllegung des Anschlusses kostenfrei vor, ein Drittel stellte hingegen im Schnitt 930 Euro in Rechnung.

"Weder die Niederdruckanschlussverordnung noch andere verbindliche Vorschriften geben eindeutig vor, ob Netzbetreiber dem kündigenden Anschlussnehmer diese Kosten auferlegen dürfen", so Miriam Vollmer, Fachanwältin für Verwaltungsrecht und Autorin des Gutachtens. Selbst vertragliche Klauseln oder pauschale Gebühren könnten demnach problematisch sein – sie müssten rechtlich sauber begründet und wirtschaftlich angemessen sein. Diese Bedingungen würden bislang aber nicht erfüllt. 

Kosten- und Reputationsrisiken für Energieversorger

Die Unsicherheit treffe beide Seiten: Netzbetreiber brauchen Klarheit über ihre Kostenweitergabe, Verbraucher müssten wissen, welche Belastung auf sie zukommt. Denn nur so könnten sie abschätzen, welche Kosten insgesamt mit dem Heizungswechsel verbunden seien, so Vollmer weiter.

Diese Unsicherheiten seien für Versorger und Netzbetreiber und Kunden gleichermaßen unzumutbar, heißt es in dem Gutachten weiter. Dem Versorger drohten nicht nur kostenintensive Verfahren, sondern auch Reputationsschäden. Zudem trage der Kunde hohe Kosten, die ihn möglicherweise über Jahre vom Heizungswechsel abhalten könnten. Deshalb sei eine eindeutige Regelung erforderlich, wie mit diesen Kosten umzugehen sei, erklärt die Rechtsanwältin.

Bundesverband Wärmepumpe schlägt Finanzierung über Netzentgelte vor

Martin Sabel, Geschäftsführer des BWP, fordert von der neuen Bundeswirtschafts- und Energieministerin Katherina Reiche deshalb, „rasch die gesetzliche Klärung der Kostenfrage“ anzustoßen. Rechtliche Unsicherheit und hohe Stilllegungskosten dürften den Wechsel zu klimafreundlichen Heiztechnologien nicht ausbremsen.

Der BWP schlägt vor, die Kosten als Teil der allgemeinen Netzkosten über die Netzentgelte zu finanzieren. Das würde nicht nur für rechtliche Klarheit sorgen, sondern auch verhindern, dass zusätzliche Einmalbelastungen den Umstieg auf klimaneutrale Heizsysteme erschweren. 

Viele Unklarheiten bei Rechtsrahmen für Gasnetztransformation

Rechtssicherheit ist aber nicht nur beim Thema Kostenübernahme, sondern vielmehr bei vielen wesentlichen Aspekten der anstehenden Gasnetztransformation gefragt. Die Netzbetreiber bräuchten einen entsprechenden Rahmen mit definierten Kriterien, nach denen Gasverteilnetze außer Betrieb genommen und zuvor bestehende Netzanschlussverträge mit Letztverbrauchern und Netznutzungsverträge mit Gaslieferanten gekündigt werden könnten, heißt es in einem aktuellen Positionspapier des VKU. 

Die Letztverbraucher müssten zudem eine hinreichende Vorlaufzeit bekommen, um die bisherige Gasversorgung auf eine andere Energie- und Wärmequelle umzustellen. In diesem Kontext seien zudem belastbare und prüffähige Kriterien erforderlich, um zu entscheiden, ob dauerhaft außer Betrieb genommene Leitungen auf öffentlichen und privaten Grundstücken von den Verteilnetzbetreibern zwingend in jedem Fall zurückgebaut werden müssten oder aber weiter zu dulden seien. Dies müsse entsprechend im Energiewirtschaftsrecht verankert werden.

"Als Stadtwerk habe ich in jeder Straße und in jedem Stadtteil eine Anschlusspflicht. Hier brauchen wir eine Rechtsgrundlage, die uns von der Anschlusspflicht entbinden", hatte Carsten Liedtke, Chef der Stadtwerke Krefeld und VKU-Vizepräsident, im März bei der Verbandstagung betont. Die Branche benötige "umsetzbare Spielregeln für einen geordneten Rückzug".

Aktuelles Energierecht legt Fokus vor allem auf Versorgungssicherheit

Stilllegungs- und Rückbauszenarien sowie Regelungen zum Weiterbetrieb oder zur Transformation von Gasverteilernetzen für andere Versorgungszwecke sind laut VKU bislang im deutschen Energierecht nicht abgebildet, weil hierzu keine Notwendigkeit bestand. Dem bestehenden ordnungsrechtliche Rahmen liege historisch vielmehr der Gedanke der Versorgungssicherheit zugrunde und die Idee, dass Gasverteilnetze dauerhaft zum jederzeitigen Anschluss und zur Versorgung von Kunden errichtet und betrieben würden.