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Lieferkettengesetz: Das sind die größten Herausforderungen bei der Umsetzung

Einige große Stadtwerke fallen unter die neue Transparenzpflicht. Viele Unternehmen klagen über die strengen Vorgaben in Deutschland, langfristig könnte die frühe Umsetzung aber von Vorteil sein.
24.10.2023

Viele Unternehmen sehen in den strengen gesetzlichen Verpflichtungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes in Deutschland einen Wettbewerbsnachteil gegenüber der europäischen Konkurrenz.

Seit Jahresbeginn müssen Großunternehmen in Deutschland mit mehr als 3000 Mitarbeitenden menschen- und umweltrechtliche Risiken in ihrer Lieferkette adressieren, ab kommendem Jahr sinkt diese Schwelle auf 1000 Mitarbeitende. Basis hierfür ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Auch einige größere Stadtwerke und private Energieversorger sind von dem Gesetz betroffen, insgesamt gilt die Verpflichtung für mehr als 2700 Unternehmen in der Bundesrepublik.

Viele sehen in den strengen gesetzlichen Verpflichtungen in Deutschland einen Wettbewerbsnachteil gegenüber der europäischen Konkurrenz. Das zeigte eine aktuelle Befragung der Hochschule für angewandte Wissenschaft Ansbach und der EQS Group zum Status Quo der Umsetzung.

Die größten Herausforderungen, denen sich die Befragten ausgesetzt sehen, sind laut der Studie die geringen finanziellen und personellen Ressourcen (72,8 Prozent), der große Bürokratieaufwand (33,2 Prozent), unklare Vorgaben und Rechtsbegriffe (36 Prozent) sowie nicht zuletzt der fehlende Einblick in die eigene Lieferkette (33,4 Prozent) und das fehlende Verständnis für die Anforderungen bei den Zulieferern (38 Prozent). Über 500 Unternehmen aller Größenordnungen, die ihren Sitz oder eine Zweigniederlassung in Deutschland haben, nahmen an der Befragung teil.

"Akzeptanz für Sorgfaltspflichten wird steigen“

"Die Sorgen der Befragten sind vielfach berechtigt und zumindest kurzfristig nachvollziehbar. Denn die Umsetzung des Gesetzes ist eine sehr komplexe Aufgabe, die Zeit und Know-how verlangt", erklärt Professorin Stefanie Fehr von der Hochschule Ansbach hinsichtlich der geforderten Sorgfaltspflichten wie Risikoanalyse, Planung und Etablierung von Präventions- und Wiedergutmachungsmaßnahmen sowie der lückenlosen und transparenten Dokumentation und Berichterstattung.

Die Compliance-Expertin, die das Studienprojekt leitete, sieht allerdings auch positive Aspekte: "Spätestens, wenn die noch strengere EU-Lieferkettenrichtlinie, die Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD, kommt, wird die Akzeptanz für diese Maßnahmen steigen, denn dann sind die deutschen Unternehmen dank des Vorläufers LkSG bereits gut aufgestellt und der aktuelle Wettbewerbsnachteil dürfte zu einem Vorteil werden."

Transparenz als Basis für Resilienz

Das sieht auch Marcus Sultzer, Mitglied des Vorstands der EQS Group, so und nennt einen weiteren Aspekt: „Das LkSG fördert die Transparenz in der Wertschöpfungskette und schärft damit das Bewusstsein für soziale, ökologische, aber auch kommerzielle Risiken. Die letzten Jahre mit Corona, Kriegen und Naturkatastrophen haben deutlich gemacht, wie fragil die Lieferketten sind – das frühe Erkennen von Gefahren ermöglicht hier alternative Planungen und präventive Maßnahmen.“

Aus diesem Grund empfiehlt er auch den Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitenden, die nicht unter das Gesetz fallen, sich mit den Anforderungen zu beschäftigen, da sie diese durch Verpflichtungen in der Lieferkette („Trickle down“-Effekt) auch weitergereicht bekommen können. (hoe)