Gas

EU-Schlusslicht: Gasspeicher in Frankreich deutlich leerer als in Deutschland

Derzeit beträgt der durchschnittliche Füllstand im Nachbarland weniger als 30 Prozent. Was heißt das für die deutsche Gasversorgung?
21.03.2023

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat mit seiner Rentenreform den Unmut der Gewerkschaften auf sich gezogen.

Es ist nicht so, als hätte Frankreich einen wesentlich härteren Winter hinter sich als Deutschland. Trotzdem sind die Gasspeicher jenseits des Rheins derzeit deutlich leerer als diesseits, wie aus Daten der Transparenzplattform AGSI hervorgeht.

Demnach waren die französischen Speicher zuletzt zu 29 Prozent gefüllt, während die deutschen Pendants einen durchschnittlichen Füllstand von 64 Prozent aufwiesen. Während in Deutschland zuletzt zwei Tage hintereinander netto eingespeichert wurde, passierte dasselbe in Frankreich zuletzt am 1. Januar.

Gasspeicher: Frankreich EU-Schlusslicht

Zur Einordnung: Vor exakt einem Jahr waren die deutschen Speicher zu 25 Prozent und die französischen Anlagen zu 20 Prozent gefüllt.

Insgesamt sind die EU-Speicher zurzeit im Schnitt zu 56 Prozent gefüllt. Mit 29 Prozent ist Frankreich laut AGSI derzeit Schlusslicht.

Streiks behindern Gasspeicher-Befüllung

Noch deutlicher fällt der Unterschied beim Blick auf die jeweils größte Speicheranlage der beiden Länder aus. Der Füllstand im niedersächsischen Speicher in Rehden (43,7 TWh Kapazität) lag zuletzt bei 82 Prozent. Der in Zentralfrankreich gelegene Speicher Chémery (45,9 TWh) war zu lediglich 34 Prozent voll.

Frankreich befindet sich in einer politisch turbulenten Lage. Mit ihrer per Sonderbefugnis verabschiedeten Rentenreform hat die französische Regierung Gewerkschaften im ganzen Land gegen sich aufgebracht. So wurden neben Gasspeichern, Chémery inklusive, auch LNG-Importterminals bestreikt, mussten LNG-Schiffe kurzerhand umgeleitet werden.

LNG-Terminals bestreikt

Die Folge: Aussendungen aus den LNG-Terminals ins heimische Netz brachen Anfang März massiv ein. Flossen zuvor auf diesem Weg pro Tag 1000 GWh oder mehr Erdgas ins Land, waren es am 6. März nur noch 10 GWh – ein Rückgang von mehr als 99 Prozent. Dieser Zustand hielt neun Tage am Stück an. Seit Freitag haben die Einspeisungen wieder zugenommen, auf knapp 550 GWh am Sonntag.

Für die deutsche Gasversorgung ist vor allem das LNG-Terminal in Dunkerque im Norden des Landes mit einer Aussendekapazität von 545 GWh pro Tage von Bedeutung. Auch hier machten sich Streiks in der Belegschaft bemerkbar, ging die Ausspeisung zeitweise drastisch zurück.

Keine Gaslieferungen von Frankreich nach Deutschland

An den drei bei AGSI zuletzt angezeigten Tagen, Freitag bis Sonntag, wurde jedoch wieder ein Großteil der Kapazität genutzt, am Sonntag sogar die volle Kapazität. Aus Dunkerque ausgespeistes Gas gelangt in der Regel über Belgien ins deutsche Gasnetz.

Nach Daten der Bundesnetzagentur kommt seit dem 6. März kein Gas mehr von Frankreich auf direktem Weg nach Deutschland. Die Lieferungen waren auch zuvor schon geschwankt und erreichten in der Spitze 111 GWh pro Tag. Zum Vergleich: Aus Norwegen flossen allein am Montag 1188 GWh nach Deutschland.

Gasspeicher-Füllstand: Bundesnetzagentur beruhigt

Für die Gasversorgung in Deutschland sieht die Bundesnetzagentur jedenfalls "keine negativen Auswirkungen", antwortet die Bundesbehörde auf ZfK-Nachfrage. "Das Fernleitungsnetz ist so ausgestattet, dass temporäre Infrastrukturausfälle auch kurzfristig mit entsprechenden Flussverschiebungen ausgeglichen werden können. Dies betrifft ebenfalls die Nutzung von LNG-Terminals."

Auch Gasexperte Joachim Endress beruhigt. "Frankreich entleert üblicherweise die Gasspeicher stärker zum Ende des Winters hin als Deutschland", schreibt er. "Der aktuelle Füllstand liegt somit trotzdem rund sieben Prozentpunkte über dem Fünfjahresmittel. Daher liegt Frankreich auch hinsichtlich der Erfüllung der europäischen Speicherziele auf Kurs."

Gasmangellage unwahrscheinlich

Ähnlich sieht es Energieexpertin Lamis Aljounadi von der Beratungsfirma Paris Infrastructure Advisory. Eine Gasmangellage in Frankreich hält sie für unwahrscheinlich. Jedoch bestehe das Risiko, dass das Land später im Jahr und bei steigenden Preisen seine Gasspeicher wieder füllen müsse, sagte sie dem Nachrichtensender TF1. Damit könnte auch für Endkunden Gas teurer werden. (aba)

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