Netzbetreiberstudie 2025: Netzbetreiber unter Dauerstress

37 Prozent der befragten Kunden wünschen sich eine schnellere Bearbeitung, 30 Prozent mehr Transparenz. (Symbolbild)
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Von Stephanie Gust
Netzbetreiber gelten als technisches Rückgrat der Energiewende und zunehmend auch als digitale Schnittstelle zu den Kundinnen und Kunden. Doch eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung Bearing-Point legt offen, dass viele Unternehmen noch weit von den wachsenden Erwartungen entfernt sind. Für die "Netzbetreiberstudie 2025" wurden 1503 private Haushalte in Deutschland befragt, die als Mitentscheider in Energie- und Haustechnikfragen gelten.
Bekanntheit oft gering
Eines der auffälligsten Ergebnisse: Mehr als 30 Prozent der Befragten können ihren eigenen Netzbetreiber nicht benennen. Rund 15 Prozent verwechseln ihn mit dem Energieversorger. Damit fehlt vielen Kunden ein klares Bild, wer für Netzanschluss, Betrieb und Instandhaltung verantwortlich ist. Die Autoren empfehlen den Netzbetreibern, ihre Rolle offensiver zu kommunizieren und lokale Präsenz zu zeigen. Zum Beispiel durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit oder Kooperationen vor Ort.
"Die Energiewende ist kein Zukunftsprojekt, sie ist Realität. Doch ohne digitalisierte Prozesse und kundenfreundliche Schnittstellen droht sie an Bürokratie zu scheitern. Netzbetreiber müssen jetzt handeln und den Wandel aktiv mitgestalten – als digitale Enabler, nicht als analoge Verwalter“, so Marion Schulte, globale Leiterin Utilities, Transportation & Logistics bei Bearing-Point.
Hohe Investitionsbereitschaft, wachsende Anfrageflut
Knapp 70 Prozent der Befragten planen in den kommenden Jahren die Anschaffung einer PV-Anlage, einer Wallbox oder eines Balkonkraftwerks. Besonders hoch ist das Interesse an PV-Anlagen mit Batteriespeicher (57 Prozent). Für Netzbetreiber bedeutet das: Genehmigungen, Netzverträglichkeitsprüfungen und Beratungsprozesse müssen deutlich schneller und effizienter werden.
Kunden erwarten digitale Portale und sind unzufrieden
Im Schnitt 80 Prozent der Befragten erwarten von ihrem Netzbetreiber kundenfreundliche digitale Portale mit Echtzeitinformationen zu Verbrauch, Einspeisung, Abrechnung und Preisen. Gleichzeitig sind nur 30 Prozent mit den vorhandenen Portalen zufrieden. Transparente Kostenübersichten, Störungsinformationen und der Status von Anträgen gehören zu den am häufigsten genannten Anforderungen.
Genehmigungsprozesse als Flaschenhals
Bis zu ein Viertel der Anlagenbesitzer berichtet von Schwierigkeiten bei Genehmigungen – vor allem wegen Wartezeiten und Bürokratie. 37 Prozent wünschen sich eine schnellere Bearbeitung, 30 Prozent mehr Transparenz. Laut Studie kann eine vollständige Digitalisierung der Antragsverfahren den Aufwand für alle Beteiligten reduzieren.
Politischer Rahmen verschärft Anforderungen
Der Koalitionsvertrag sieht unter anderem End-to-End-Digitalisierung, schnellere Genehmigungen, transparente Portale, einen beschleunigten Smart-Meter-Rollout sowie neue Marktrollen wie Energy Sharing vor.
"Netzbetreiber stehen unter Dauerstress: Die Zahl der Kundenanfragen steigt rasant, während Genehmigungsprozesse komplex und langwierig bleiben. Unsere Studie zeigt: Geschwindigkeit ist der neue Engpass – und Netzbetreiber geraten zunehmend in die Gefahr, unfreiwillig in die Rolle des Flaschenhalses gedrängt zu werden“, so Marion Schulte.
Handlungsfelder: Kundenorientierung und Prozessoptimierung
Aus den Ergebnissen leitet Bearing-Point zwei zentrale Handlungsfelder ab:
- Customer Centricity: Aufbau klarer digitaler Kontaktpunkte, intuitive Portale und ein einheitlicher Prozessfluss vom Antrag bis zur Umsetzung.
- Operational Excellence: Effizientere interne Abläufe, Automatisierung von Genehmigungen für Kleinanlagen und optimierte Zusammenarbeit mit Behörden und Dienstleistern.
Erst wenn diese Grundlagen geschaffen sind, können Netzbetreiber laut Studie auch Potenziale aus Technologien wie künstlicher Intelligenz ausschöpfen.
Eine Interpretation der Ergebnisse finden Sie in unserem exklusiven Interview mit Marion Schulte

