Merz-Vorstoß: Erster Krach um Kraftwerksstrategie bahnt sich an

Sie haben bei Wasserstoffkraftwerken noch Zweifel (von links): CSU-Chef Markus Söder und CDU-Chef Friedrich Merz
Bild: © Kay Nietfeld/dpa
Von Andreas Baumer
Die Kraftwerksstrategie könnte zum ersten energiepolitischen Kräftemessen der schwarz-roten Koalition in spe werden. Denn die große Frage ist: Welche Gaskraftwerke sollen überhaupt gebaut werden?
Für Friedrich Merz, Deutschlands mutmaßlich nächsten Bundeskanzler, ist klar: "Wir wollen [...] schnell Gaskraftwerke mit CCS-Technologie bauen, also der Abscheidung und Speicherung von CO2", sagte er am Wochenende in einem "Handelsblatt"-Interview. "Die einseitige Festlegung auf Wasserstoff, den wir noch gar nicht haben, geben wir auf."
Kampfansage an Teile der SPD
Dies ist auch eine Kampfansage an progressive Kräfte in der SPD, die den Einsatz von CCS bei Gaskraftwerken möglichst gering halten wollen, wenn sie ihn schon nicht ganz aus dem Koalitionsvertrag heraushalten konnten.
Nina Scheer, stellvertretende Leiterin des SPD-Teams in der Arbeitsgruppe Klima und Energie, warnte bereits. Ein Bekenntnis zu CCS "wird in der Umsetzung in ein vernünftiges Verhältnis mit dem benötigten Hochlauf von grünem Wasserstoff zu bringen sein und darf diesen nicht gefährden", schrieb sie in einer Pressemitteilung. Schließlich stehe und falle auch das Wasserstoffkernnetz mit der Frage, ob ausreichend Wasserstoff nachgefragt werde oder nicht.
Tatsächlich ist das Wasserstoffkernnetz im Gegensatz zu einem notwendigen CO2-Transportnetz schon beschlossene Sache. Nach jetzigem Gesetzesstand soll es spätestens 2037 stehen. Als große Nachfrager werden dabei auch große Gaskraftwerke angenommen, die in den 2030er-Jahren auf den Wasserstoffbetrieb umrüsten sollen.
Ob dies so realistisch ist, wurde allerdings schon im Herbst 2024 bezweifelt, als die Energiebranche das von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vorgelegte Kraftwerkssicherheitsgesetz diskutierte. "Zu den hohen Risiken gehören nicht ausreichende Wasserstoffverfügbarkeit, Verzögerungen in der Technologieentwicklung bei H2-Turbinen oder der Aufbau der H2-Infrastruktur sowie zu knappe Realisierungszeiträume", listete der Branchenverband BDEW auf.
Auch CO2-Transportnetz teuer
Ob das CO2-Transportnetz allerdings so viel unkomplizierter und kostengünstiger kommen könnte, ist offen. Bislang hat noch kein Bundesland signalisiert, auf eigenem Boden CO2 verpressen zu wollen. Und um CO2 von Zement- und Kalkwerken sowie Abfallverbrennungsanlagen zur Nordsee zu transportieren, wären nach einer Studie des Vereins Deutscher Zementwerke (VDZ) ungefähr 4800 Kilometer nötig. Die Kosten würden sich auf rund 14 Milliarden Euro belaufen. Gaskraftwerke wurden dabei noch gar nicht berücksichtigt.
Zum Vergleich: Für das Wasserstoffkernnetz wurden von der Bundesnetzagentur im Oktober 2024 gut 9000 Kilometer genehmigt. Die Kosten wurden auf knapp 19 Milliarden Euro prognostiziert, auch weil vielfach vorhandene Erdgasinfrastruktur auf Wasserstoff umgewidmet werden soll. Solche kostenschonenden Lösungen gäbe es beim CO2-Transportnetz nicht.
Branchenvertreter bei CCS-Kraftwerken skeptisch
In der Energiebranche wurden CCS-Kraftwerke bislang eher nicht als großer Wurf gesehen. "Unserer Einschätzung nach würde die CO2-Speichertechnologie bei Gaskraftwerken keine große Rolle spielen – aus wirtschaftlichen Gründen", sagte VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing vor der Bundestagswahl im ZfK-Interview.
"Unsere Unternehmen planen auf lange Sicht nicht mehr mit der Verbrennung von Erdgas in ihren Kraftwerken. Sie wollen auf Wasserstoff umstellen. Die CO2-Speichertechnologie würde also nur noch für eine begrenzte Zeit infrage kommen. Und dafür ist sie schlicht zu teuer."
Skeptisch äußerte sich zuletzt auch EnBW-Chef Georg Stamatelopoulos. Er gab zu bedenken, dass CO2-Abscheidungsanlagen bei Gaskraftwerken tendenziell eher überdimensioniert und damit "nicht so wirtschaftlich" seien. Letztlich sei es eine Frage des Vergleichs mit den Wasserstoffkosten.
Ein klares Zeichen setzte EnBW am Freitag, als es kein CCS-Gaskraftwerk am Standort Stuttgart-Münster in Betrieb nahm, sondern ein Gaskraftwerk, das auf den Einsatz von Wasserstoff wechseln kann. Auch die bislang kohlebefeuerten Standorte in Altbach/Deizisau und Heilbronn sollen auf wasserstofffähige Gaskraftwerke umgestellt werden.
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