Koalitionsvertrag steht: Der neue Energiekurs von Merz, Klingbeil und Co.

Dürfte bald Deutschlands nächster Bundeskanzler sein: CDU-Chef Friedrich Merz.
Bild: ©.Christoph Soeder/dpa
Von Andreas Baumer
Union und SPD haben sich auf die Bildung einer neuen Bundesregierung unter Friedrich Merz geeinigt. Im Koalitionsvertrag, der am Mittwoch vorgestellt wurde, wurden einige energiepolitische Knackpunkte ausgeräumt. Die entsprechenden Parteigremien sowie die SPD-Mitgliederschaft müssen noch zustimmen. Ein Überblick:
Heizungsgesetz
Schwarz-Rot will das Heizungsgesetz "abschaffen", steht im Koalitionsvertrag. Diese Formulierung war der Union besonders wichtig, während die SPD in der Frage uneins war. Das neue Gebäudeenergiegesetz soll "technologieoffener, flexibler und einfacher" werden. Die erreichbare CO2-Vermeidung soll zur zentralen Steuerungsgröße werden.
Wichtig außerdem: Union und SPD wollen die Verzahnung von Gebäudeenergiegesetz und kommunaler Wärmeplanung vereinfachen. Spielräume bei der Umsetzung der europäischen Gebäuderichtlinie sollen ausgeschöpft werden. Die Koalition in spe will sich für eine Verlängerung der Umsetzungsfristen einsetzen.
Mehr dazu aus dem ZfK-Archiv: Verwirrung um Abschaffung des Heizungsgesetzes
Energiepreise
Wie bereits im Sondierungspapier angekündigt, wollen Union und SPD Unternehmen und Haushalte dauerhaft um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde (kWh) entlasten. Neben der Senkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß sollen auch Umlagen und Netzentgelte reduziert werden. Zudem soll ein Industriestrompreis kommen.
Die Gasspeicherumlage soll für alle abgeschafft werden. Sie liegt zurzeit bei rund 0,3 Cent pro kWh Gas.
Wichtig für möglicherweise mittelfristig niedrigere Strompreise: Neu zu planende Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsnetze sollen "wo möglich" als Freileitungen umgesetzt werden. Hier hat sich die Union gegen die SPD durchgesetzt. Vor allem in der SPD-Bastion Niedersachsen wollte man am Erdkabelvorrang festhalten.
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Kraftwerke
Trotz Kritik aus der Energiebranche steht auch im Koalitionsvertrag, dass künftig Reservekraftwerke nicht nur zur Vermeidung von Versorgungsengpässen, sondern auch zur Stabilisierung des Strompreises zum Einsatz kommen sollen.
Auch der wohl unrealistische Zubau von bis zu 20 Gigawatt (GW) Gaskraftwerksleistung bis 2030 steht im Koalitionsvertrag.
Gasquoten, Gasnetze und Wasserstoff
Die Koalitionspartner wollen eine Grüngasquote als marktgerechtes Instrument einführen, um die Dekarbonisierung des Gasmarktes voranzutreiben. Zudem wollen sie Potenziale konventioneller Gasförderung im Inland nutzen. Letzteres hatte die Union gefordert, SPD-Fachpolitiker wollten hier nicht mitgehen.
Beim Wasserstoffkernnetz soll es zusätzliche Trassen geben, um industrielle Zentren im Süden und Osten des Landes anzuschließen. "Die Finanzierungsbedingungen müssen gewährleisten, dass in einer integrierten Planung das Kernnetz umgesetzt und auch das Verteilnetz aufgebaut wird", heißt es.
Gasnetze, "die für eine sichere Wärmeversorgung notwendig sind", müssen laut Koalitionsvertrag erhalten bleiben. Für diese Formulierung hatte sich die SPD starkgemacht. Die Union wollte noch weitergehen.
Fernwärme
Union und SPD wollen die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) gesetzlich regeln und aufstocken. Mit ihrer Forderung, dass ab 2027 mindestens 3,5 Milliarden Euro pro Jahr bereitgestellt werden sollen, konnte sich die SPD nicht durchsetzen. Diese Zahl hätte der Forderung der Wärmeverbände AGFW und VKU entsprochen.
Eine eigene Passage ist auch der Fernwärmeverordnung (AVB FernwärmeV) und der Wärmelieferverordnung gewidmet. Union und SPD wollen diese "zügig überarbeiten und modernisieren". Dabei sollen die Interessen des Verbraucherschutzes und der Versorger "ausgewogen" berücksichtigt werden.
Wichtig dabei: Union und SPD wollen die Preisaufsicht stärken. Unter anderem soll das unter anderem durch eine "unbürokratische Schlichtungsstelle" geschehen. Im Wahlkampf hatte die SPD gefordert, eine bundesweite Fernwärmepreisaufsicht einzusetzen.
Energiewendefinanzierung
Laut Koalitionsvertrag soll ein Investitionsfonds für die Energieinfrastruktur "im Zusammenspiel von öffentlichen Garantien und privatem Kapital" aufgelegt werden. Darauf hatten sich Union und SPD bereits im Sondierungspapier verständigt.
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CO2-Speicherung
Die umstrittene Technologie zur Abscheidung, Nutzung und Speicherung von Kohlendioxid, im Fachjargon CCS und CCU genannt, soll "insbesondere für schwer vermeidbare" Emissionen des Industriesektors und für Gaskraftwerke ermöglicht werden. "Wir werden das überragende öffentliche Interesse für den Bau dieser CCS/CCU-Anlagen und -Leitungen feststellen", heißt es.
Hier hat sich die Union im Wesentlichen durchgesetzt. Sie wollte nicht nur unvermeidbare Emissionen etwa in der Zementindustrie einschließen, sondern ausdrücklich auch Gaskraftwerke. Die SPD war in der Frage gespalten.
Klima- und Transformationsfonds
Der Fonds, aus dem wichtige Wärmewendeprogramme finanziert werden, soll saniert werden. Die Effizienz der Mittelvergabe soll gesteigert und stärker an den Kriterien der CO2-Vermeidung und des sozialen Ausgleichs ausgerichtet werden. Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung sollen durch eine Entlastung beim Strompreis und durch die Förderung von Investitionen in die Klimaneutralität an Verbraucher zurückgegeben werden.
Jedes Jahr sollen dem Fonds aus dem 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen rund zehn Milliarden Euro zugeführt werden.
Klimaziele und Kohleausstieg
Das Ziel der Klimaneutralität 2045 wird weiterverfolgt. Union und SPD wollen die Energiewende "transparent, planbar und pragmatisch" zum Erfolg machen. Der von der Union gewünschte "Neustart" schaffte es nicht in den Koalitionsvertrag.
Die Partner wollen ein Monitoring in Auftrag geben, mit dem bis zur Sommerpause 2025 der zu erwartende Strombedarf sowie der Stand der Versorgungssicherheit, des Netzausbaus, des Ausbaus der erneuerbaren Energie, der Digitalisierung und des Wasserstoffhochlaufs als eine Grundlage der weiteren Arbeit überprüft wird.
An den beschlossenen Ausstiegspfaden für die Braunkohleverstromung bis spätestens 2038 halten Union und SPD fest. Der Zeitplan, Kohlekraftwerke vom Netz oder in die Reserve zu nehmen, soll sich danach richten, wie schnell es gelingt, steuerbare Gaskraftwerke tatsächlich zuzubauen. Das entspricht einer Aufweichung des harten Kohleausstiegs 2038.
Kernkraft
Ein Comeback vom Netz gegangener Kernkraftwerke wird es nicht geben. Hier konnte sich die Union offenbar nicht gegen die SPD durchsetzen.
Dafür hat Schwarz-Rot vereinbart, dass der erste Fusionsreaktor der Welt in Deutschland stehen soll.
Mehr dazu:Union gegen Energiekonzerne: Bei der Kernenergie dreht sich die Stimmung
Kommunale Unternehmen
Ein eigenes Kapitel widmen Union und SPD kommunalen Unternehmen – ein besonderer Vorgang. Kommunale Unternehmen seien das "Rückgrat" der öffentlichen Daseinsvorsorge, heißt es. Schwarz-Rot verspricht, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass kommunale Unternehmen unter den KMU-Begriff fallen. KMU ist die Abkürzung für kleine und mittlere Unternehmen. Ein Vorteil dessen wäre, dass kleine und mittelgroße Stadtwerke von der Nachhaltigkeitsberichtspflicht befreit wären.
Union und SPD wollen außerdem dafür sorgen, dass der Netzausbau und der Ausbau der erneuerbaren Energien "besser aufeinander abgestimmt" werden. "Bei der kommunalen Wärmeplanung muss von Beginn an die Umsetzbarkeit berücksichtigt werden", heißt es. Da es um Investitionen über Jahrzehnte gehe, bräuchten Kommunen und Energieversorger Planungssicherheit und einen attraktiven Investitionsrahmen.
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