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Strompreis-Prognose bis 2045: Abwärtstrend auch ohne schwarz-rote Senkungspläne

Der aktuelle Ariadne-Report des Kopernikus-Projekts zeigt, mit welchen Preisentwicklungen zu rechnen ist – vom Großhandel bis zum Endverbraucher.
10.03.2025

Bereits im Wahlkampf hatte CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz spürbare Strompreissenkungen in Aussicht gestellt.

Von Hanna Bolte und Andreas Baumer

Es ist offiziell: Union und SPD wollen die Strompreise spürbar senken, um die energieintensive Industrie wettbewerbsfähiger zu machen, Haushalte zu entlasten und klimafreundliche Technologien wie Wärmepumpen und Elektroautos attraktiver zu machen. Konkret soll der Strompreis durch eine Halbierung der Übertragungsnetzentgelte und eine pauschale Senkung der Stromsteuer auf das europarechtliche Mindestmaß um fünf Cent pro Kilowattstunde (kWh) gedrückt werden. Die Unterstützung der beiden größten Energieverbände, des BDEW und des VKU, haben Union und SPD dabei bereits sicher.

Dabei zeigt ein neuer Report des staatlich geförderten Kopernikus-Projekts Ariadne, dass der Strompreis auch ganz ohne staatliche Entlastungen schon ab nächstem Jahr wieder sinken könnte. Die Studie erschien kurz vor Veröffentlichung des Sondierungspapiers. Sie berücksichtigt also noch nicht die schwarz-roten Senkungspläne.

Strompreis sinkt bis 2045 auf unter 25 Cent pro kWh

Im Jahr 2030 könnte sich der Strompreis für Haushalte demnach bereits deutlich unter 30 Cent pro kWh bewegen und im Jahr 2045 unter 25 Cent pro kWh. Ähnliche Preistrends lassen sich bei dezentralen Wärmepumpen sowie Gewerbe, Handel und Dienstleistungen beobachten. Laut Studienautoren würden die Preise in allen genannten Kundengruppen bis 2045 unter das Niveau von 2020 fallen.

Lediglich die energieintensive Industrie müsste langfristig mit einer Preisstabilisierung auf heutigem Niveau rechnen. Eine Rückkehr zum Preisniveau 2020 wird demnach nicht mehr erreicht, denn die Modellierung geht davon aus, dass es zu einem schrittweisen Abbau von Industrieprivilegien wie etwa der Bandlastregelung kommt. Diese würden nämlich aus der Perspektive des Gesamtsystems Fehlanreize setzen.

Grundsätzlich gilt: Die Preisbildung im Energiesektor ist ein vielschichtiger Prozess, der sowohl von globalen als auch von strukturellen Faktoren beeinflusst wird. Von den Großhandelspreisen für Strom und Wasserstoff bis hin zu den Endkundenpreisen spiegeln sich Marktveränderungen, politische Rahmenbedingungen und technologische Entwicklungen in den Kosten wider.

  • Vergleich der Endverbraucherpreise für Strom zwischen dem Ariadne-Modell (PyPSA-DE, durchgezogene Linie) und dem Netzentwicklungsplan 2023 (gestrichelte Linie). Die Grafik stammt aus dem Ariadne-Report "Die Energiewende kosteneffizient gestalten", S. 71.

Großhandelspreise: Schwankungen durch CO₂-Preise und Erneuerbare

Beispiel Strom-Großhandelspreise: Diese unterlagen in den vergangenen Jahren deutlichen Schwankungen. Ein wesentlicher Treiber war der steigende Gaspreis, der die Stromkosten in die Höhe trieb. Langfristig stabilisieren sich die Preise jedoch laut Ariadne-Studie zwischen 70 und 80 Euro pro Megawattstunde (MWh). Das sind umgerechnet sieben bis acht Cent pro kWh.

Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr lag der durchschnittliche Börsenstrompreis in Deutschland bei knapp 80 Euro pro MWh. In diesem Jahr sind es bislang mehr als 110 Euro pro MWh gewesen. Analysiert wurden jeweils die Day-Ahead-Strompreise.

Die Autoren gehen davon aus, dass die Strompreise im Sommer niedriger und stabiler bleiben werden, während sie im Winter durch höhere Nachfrage und begrenzte Einspeisung erneuerbarer Energien steigen.

Die preissetzende Rolle der konventionellen Kraftwerke nimmt demnach stetig ab, weil Deutschland bis 2038 aus der Kohle- und bis spätestes 2045 aus der Erdgasverstromung aussteigen will. An ihrer Stelle gewinnen flexible Technologien wie Batteriespeicher, Elektrolyseure und Wasserstoffkraftwerke an Bedeutung.

Apropos Wasserstoff: Stromhungrige Elektrolyseure könnten aus Sicht der Autoren den Strompreis nachfrageseitig bei 20 bis 50 Euro pro MWh stabilisieren. In Knappheitssituationen mit geringer Einspeisung aus erneuerbaren Energien und gleichzeitig hoher Strom- und Wärmenachfrage seien vor allem Pumpspeicherkraftwerke, Batteriespeicher sowie Gas- und Wasserstoffkraftwerke die Preissetzer, schreiben die Wissenschaftler.

Im Jahr 2035 würden die Preise in 16 Prozent der Zeit über 200 Euro pro MWh liegen, 2040 in zwölf Prozent und 2045 in sieben Prozent der Zeit. Generell hat auch das Marktdesign starken Einfluss auf die Preisgestaltung.

Auch Netzentgelte dürften bald sinken

Ein weiterer wesentlicher Strompreisfaktor sind die Netzentgelte. Sie machen inzwischen teilweise mehr als ein Viertel des Gesamtpreises aus. Aus Sicht der Autoren haben die Netzentgelte bereits ein sehr hohes Niveau erreicht.

Demnach könnte es in den nächsten Jahren wieder deutlich nach unten gehen. Das gilt insbesondere für Haushalte. Bereits im Jahr 2030 könnten zehn Cent pro kWh wieder erreicht sein. Fünf Jahre später würde es auf sieben Cent pro kWh hinuntergehen, ehe sich die Netzentgelte 2045 bei etwa sechs Cent pro kWh einpendeln würden.

Der Hauptgrund dafür ist, dass die Stromnachfrage durch die zunehmende Elektrifizierung des Verkehrs- und Gebäudebereichs zunimmt. Die Kosten werden also über immer mehr Verbraucher verteilt. Sollte die Stromnachfrage niedriger ausfallen als angenommen, würde sich die Senkung der Netzentgelte verzögern.

Für die Industrie hingegen könnten die Netzentgelte bis 2030 steigen. Der Rückgang würde in der Folge auch weniger stark ausfallen als bei den Haushalten.

  • Vergleich der Strom-Netzentgelte zwischen Ariadne-Modellierung (PyPSA-DE, durchgezogene Linie) und dem Netzentwicklungsplan 2023 (gestrichelte Linie). Die Grafik stammt aus dem Ariadne-Report "Die Energiewende kosteneffizient gestalten", S. 71.

Regionale Preise gegen bundeseinheitliche Strompreiszone

Wichtig dabei ist, dass die Ariadne-Studienautoren anders als etwa die Strompreis-Modellierer des Netzentwicklungsplans 2023 (NEP 2023) von einer integrierten Planung ausgehen, die auch regionale Preise zulassen würde.

Das würde es Marktteilnehmern ermöglichen, auf lokale Stromüberschüsse oder -engpässe zu reagieren und dadurch das Netz zu entlasten. Bislang wollen allerdings große Teile der Bundespolitik und der Energiewirtschaft unter anderem aus Liquiditätsgründen an einer bundeseinheitlichen Strompreiszone festhalten.

Trotzdem zeigen die von Ariadne dargestellten Grafiken, dass auch die Macher des Netzentwicklungsplans 2023 bei Strompreisen und Netzentgelten einen vergleichbaren Trend modelliert haben. Und der zeigt: Der deutsche Strompreis befindet sich für die meisten Kundengruppen auf einem Plateau. In den nächsten Jahren geht es tendenziell wieder nach unten – auch ohne Stromsteuer- und Netzentgeltsenkung.

Sie wollen die Studie des Kopernikus-Projekts Ariadne in Gänze lesen? Dann gern hier entlang.

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