Marktführer Quadra erklärt, wie Dunkelflauten die Direktvermarktung verändern

Thomas Krings ist Sprecher der Geschäftsführung beim Direktvermarkter Quadra Energy.
Bild: © Quadra Energy
Im Gegensatz zu einigen Mitbewerbern hat der Düsseldorfer Direktvermarkter Quadra Energy sein Portfolio zwischen Juli 2024 und Januar 2025 weiter ausgebaut. Damit festigte er Platz eins im ZfK-Direktvermarktungsranking. Dabei musste auch Quadra mit zunehmenden Negativstunden im Sommer und ausgedehnten Dunkelflauten im Winter umgehen. Ein Interview über die zunehmende Bedeutung von Meteorologen, stärkeres Wachstum im Photovoltaikbereich und die Optimierung von Batteriespeichersystemen.
Herr Krings, wie war der Wettbewerb in der Direktvermarktung im vergangenen Herbst: Hat die Preissensibilität bei den Kunden zugenommen?
Wir kommen aus zwei Jahren Energiepreiskrise. In dieser Zeit ging es vielen unserer Wettbewerber und auch den Betreibern nur sekundär um das Brot- und Butter-Geschäft Direktvermarktung, sondern vielmehr um PPAs, also langfristige Stromabnahmeverträge. Mittlerweile reichen die Preise nicht mehr aus, um Anlagenbetreibern eine Alternative zur EEG-Förderung zu bieten. Das führt in der Direktvermarktung zu einem sehr hohen Wettbewerb.
Negativpreise und Dunkelflaute: Wie hat sich der Markt verändert?
2024 gab es 459 Stunden mit negativen Preisen. Das waren rund 150 mehr als im Rekordjahr zuvor. Fünf Prozent aller Lieferstunden in Deutschland waren negativ. Und das dann gepaart mit dem Extrem auf der anderen Seite, der Dunkelflaute. Am 6. November zum Beispiel, einem Tag mit fast gar keiner Stromproduktion aus Erneuerbaren, haben wir dann Preise von in der Spitze mehr als 900 Euro pro MWh gesehen.
Die Preisvolatilität hat massiv zugenommen. Beispielsweise liegt die durchschnittliche Differenz des niedrigsten und des höchsten Strompreises im Jahr 2024 mit 117 Euro pro MWh höher als der durchschnittliche Strompreis am Day-Ahead-Markt selber, der bei nur circa 80 Euro pro MWh liegt. In diesem Marktumfeld funktioniert Direktvermarktung einfach anders.
Nämlich?
Die Preisgestaltung muss sich an anderen Kennzahlen und technischen Eigenschaften von Erneuerbare-Energien-Anlagen orientieren. Deswegen haben wir im Laufe des Jahres unser komplettes Preismodell umgestellt und die Flexibilität von Wind- und Solaranlagen in den Vordergrund gestellt.
Was heißt das konkret?
Wir berücksichtigen, welche Anlagen uns mehr Flexibilität also Schaltbarkeit ermöglichen bzw. mit welchen Anlagen wir gezielt auf Preisvolatilität reagieren können. So erhalten beispielsweise Anlagen mit hochverfügbarer und gut funktionierender Steuertechnik gepaart mit niedrigen Fördersätzen attraktivere Konditionen als Anlagen mit entgegengesetzten Eigenschaften.
Wir haben unser Preismodel im letzten Jahr früh umgestellt, um unser Portfolio in den für uns interessanten Segmenten erweitern zu können. So konnten wir zum Beispiel bei neu gebauten Windkraftanlagen im Jahr 2024 einen Marktanteil von fast 19 Prozent erreichen.
Das Ungleichgewicht im Stromsystem macht auch Redispatch-Maßnahmen notwendig. Was bedeutet das für Direktvermarkter?
Redispatch ist nach wie vor ein Desaster. Die Anzahl der Maßnahmen an EE-Anlagen hat seit der Einführung eher zu- als abgenommen. Und letzteres war eigentlich das Ziel. Das sorgt bei uns Direktvermarktern für einen extremen händischen Klärungsaufwand, da die Abstimmungsprozesse mit den zuständigen Netzbetreibern oftmals immer noch nicht ordnungsgemäß laufen und die zusätzlichen Verwaltungs- und Abwicklungsaufwände nicht durch die Netzbetreiber abgegolten werden. Wie sehr eine Anlage von Redispatch-Maßnahmen betroffen ist und in welchem Netzgebiet sie sich befindet, wird daher zunehmend ein Bewertungskriterium. Der zusätzliche Aufwand spiegelt sich dann auch im Dienstleistungsentgelt wider.
Gehen Sie davon aus, dass die Preisvolatilität 2025 weiter zunimmt?
Die negativen Preise sind unter anderem ein Resultat des Zubaus an erneuerbaren Energien und wir haben in den letzten zwei Jahren einen Zubau von über 30 Gigawatt Solarkapazitäten gesehen. Ein Großteil der negativen Stunden im Sommer trat werktags auf – also bei eigentlich hoher Last. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Also ja, bei dem weiterhin zu erwartenden Zubau von Erneuerbaren gehe ich von einer weiteren Verschärfung dieser Situation aus.
Wie reagieren Sie darauf?
Gegen zunehmende Negativpreise hilft nur Flexibilität im Direktvermarktungsportfolio. Im Stromsystem braucht es mehr Stromspeicher und flexible Gaskraftwerke. Das dauert aber. Die nächsten ein, zwei Jahre werden spannend, um es vorsichtig auszudrücken.
Wie kann man sich den Umgang mit Dunkelflauten bei Ihnen vorstellen?
Direktvermarkter sind im Kern Wertschöpfer durch Prognosequalität. Das Preisniveau auf dem Day-Ahead-Markt ist für uns erst einmal egal. Wir reichen den Preis über den Monatsmarktwert an den Betreiber weiter und daraus ergibt sich für diesen die Förderhöhe.
Bis zur Day-Ahead-Auktion übernimmt mit der Förderung sozusagen der Staat das Preisrisiko. Wenn in der Dunkelflaute die Preise auf 900 Euro pro Megawattstunde hochschießen, ist das im Rahmen der Direktvermarktung für Händler und Betreiber also erst einmal nicht schlimm, solange unsere Prognose stimmt.
Aber?
An Tagen mit sehr hoher oder sehr niedriger Erneuerbareneinspeisung ist es entscheidend, eine Strategie zu haben, um potenzielle Prognosefehler abzufedern. Das sind typischerweise Phasen, in denen auch ein höheres Fehlerrisiko besteht. Bei negativen Preisen haben Sie als letztes Mittel immer noch die Chance, Anlagen abzuschalten. In der Dunkelflaute haben Sie diese Möglichkeit nicht. Von daher sind diese Tage nochmal angespannter als Tage mit negativen Preisen.
Wie wichtig sind Meteorologen für Ihr Unternehmen?
Wir haben schon vor Jahren ein eigenes Meteorologie-Team und als einer von wenigen Direktvermarktern auch ein eigenes Vorhersage-Tool aufgebaut. Wir gehen davon aus, dass wir damit eine um 10 oder 15 Prozent bessere Prognosequalität erreichen als mit frei verfügbaren Produkten im Markt. Das bedeutet dann im Umkehrschluss auch 10 bis 15 Prozent weniger Handelskosten. Unser Handelsteam arbeitet dazu mit Mathematikern, Physikern und Meteorologen zusammen.
Quadra Energy kommt als ehemalige Enercon-Tochter aus der Windenergie. Der Großteil des Portfoliowachstums 2024 fand aber in der Photovoltaik statt.
Wir haben in der Photovoltaik rund 300 Megawatt hinzugewonnen. Mit der Übernahme durch Total Energies haben wir uns vertrieblich auch anderen Marktsegmenten jenseits der Enercon-Betreiber geöffnet. Im vergangenen Jahr haben wir beispielsweise eine neue Direktvermarktungsplattform für Photovoltaik-Anlagen veröffentlicht. Das soll auch kleinsten PV-Anlagen den Marktzugang zur Direktvermarktung mit wenigen Mausklicks ermöglichen. Das Wachstum im PV-Bereich ist sicherlich auch ein Ergebnis dieser Arbeit. Wir stehen mit der Plattform aber noch am Anfang der Entwicklung. Unser klares Ziel ist eine weitreichende Digitalisierung unseres Geschäfts, damit wir den zukünftig zu erwartenden Zubau an Erneuerbaren-Kapazitäten effizient managen können.
Die Bundesregierung wollte zwischendurch die Direktvermarktungsschwelle auf 25 Kilowatt Leistung statt 100 kW senken. Ist das überhaupt wirtschaftlich?
Wir haben in den letzten zwölf Jahren gesehen, dass die Direktvermarktung als Privatisierung des Marktzugangs für Erneuerbare gut funktioniert. Die Idee in der Politik, das auf noch mehr Anlagenklassen zu erweitern, um noch effizienter zu werden, ist daher nachvollziehbar. Technisch funktioniert das auch. Mit unserer Plattform könnten wir die Direktvermarktung für kleinere Anlagen morgen umsetzen. Aber die Prozesse sind noch zu kompliziert.
Können Sie das konkretisieren?
Wir haben bei einem 100-Megawatt-Windpark und einer 25-Kilowatt-Solaranlagen denselben Abwicklungsaufwand. Meldeprozess und -fristen gegenüber dem Netzbetreiber sind identisch und Rückmeldefristen teilweise sehr lang. Dann müssen Sie noch die Fernsteuerbarkeit nachweisen. Teilweise erfolgt das noch nicht mal in standardisierter Marktkommunikation. Wenn Sie das alles bei einer 25-Kilowatt-PV-Anlage machen, verdienen Sie damit auf Jahre kein Geld.
Dann sind Sie also froh, dass die Ausweitung der Direktvermarktungspflicht nun doch nicht kommen soll.
Absolut. Man muss aber auch sagen, dass in den nächsten Jahren tausende Anlagen zwischen 25 und 100 Kilowatt Leistung auf den Markt kommen. Es macht Sinn, in den nächsten zwei, drei Jahren zu lernen, wie die Digitalisierung in der Energiewirtschaft funktioniert und die Prozesse sukzessive zu entschlacken, um künftig eventuell weitere Anlagenklassen in die Direktvermarktung aufzunehmen.
Was sind Ihre Wachstumsziele für 2025?
Wir werden sicherlich an unserem Plattformgeschäft im Solarbereich weiterarbeiten. Ebenso haben wir einen starken Algorithmus zur Optimierung von Batteriespeichersystemen an allen relevanten Märkten entwickelt. Auf diese beiden Segmente legen wir unser Hauptaugenmerk. Selbstverständlich wollen wir aber auch in einem wachsenden Erneuerbaren-Markt unser Stück vom Kuchen abbekommen.
Wir erwarten 2025 ein signifikantes Wachstum, sowohl im Wind- als auch im PV-Bereich. Ich würde mich freuen, wenn wir auch im nächsten Jahr wieder Marktführer sind. Aber das ist nicht zwangsläufig unser Hauptziel. Wir wollen unseren Kunden sinnvolle Produkte anbieten, die ihnen im stark veränderlichen, deutschen Energiesystem wirklich helfen. Unser Fokus liegt auf der Zufriedenheit unserer Kunden.
Das Interview führten Andreas Baumer und Julian Korb
Dieser Artikel ist Teil der ZfK-Winterserie 2024/2025 zum Thema Direktvermarktung. Es folgt in den kommenden Wochen eine Reihe von Grafiken, Analysen und Interviews mit Direktvermarktern. Außerdem wird unser ZfK-Überblick zur Direktvermarktung aktualisiert.
Sie sind Direktvermarkter und wollen ebenfalls gelistet werden? Dann wenden Sie sich gern an die zuständigen Redakteure Andreas Baumer (a-baumer(at)zfk(dot)de) oder Julian Korb (j-korb(at)zfk(dot)de).
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