Deutschland

Energiegesetze-Ticker: Reiche komplettiert Sofortprogramm-Paket

Ein Überblick über schwarz-rote Energievorhaben vom Heizungsgesetz über Gaskraftwerke und Stromnetze bis zur EEG-Reform.
08.07.2025

Die meisten Energiegesetze dürften zunächst im Haus von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) entstehen.

Von Andreas Baumer

Mehr als zwei Dutzend Energievorhaben haben Union und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart. Doch wie sieht es mit der Umsetzung dieser Vorhaben aus? Die ZfK hat diesen Energiegesetze-Ticker eingerichtet, um Sie immer auf dem aktuellen Stand zu halten. 

Sie haben Informationen oder Anmerkungen, die Sie teilen möchten? Dann wenden Sie sich gern an unseren Autor Andreas Baumer (a-baumer(at)zfk(dot)de).


8. Juli: Das Bundeswirtschaftsministerium hat seinen Teil zum Sommer-Sofortprogramm der schwarz-roten Koalition beigetragen. In dieser Woche begann die Länder- und Verbändeanhörung für das sogenannte Wasserstoffbeschleunigungsgesetz. Das Vorhaben hatte es in der Ampel-Zeit bereits bis in den Bundestag geschafft, war dort allerdings nach dem Koalitionsbruch versandet.

Im Kern sollen Planungs- und Genehmigungsverfahren vereinfacht und digitalisiert werden. Sogenanntem blauen Wasserstoff wird eine größere Rolle eingeräumt. Das ist Wasserstoff, der mithilfe von Erdgas gewonnen wird. Die entstehenden CO₂-Emissionen werden dabei abgeschieden. Auch die Kriterien zur Stromherkunft werden gelockert.

Im Koalitionsausschuss im Mai hatte die Bundesregierung sieben Energievorhaben als vorrangig eingestuft. Neben den Wasserstoff- und Geothermiebeschleunigungsgesetzen waren dies das CO₂-Speichergesetz, die Strompreisentlastung, die Abschaffung der Gasspeicherumlage, das Gesetz zur Einrichtung des Sondervermögens für Infrastruktur und Klimaschutz und die Gesetze zur Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie III (RED III).

Alle Vorhaben liegen nun zumindest in erster Fassung vor – mit vielleicht einer Ausnahme. Noch ist unklar, wie die Bundesregierung bei den Strompreisen entlasten will. Vor allem wie genau die Netzentgelt- und Umlagensenkung ausgestaltet sein wird, ist offen. Eine ZfK-Anfrage dazu ließ das Bundeswirtschaftsministerium am Dienstag unbeantwortet.

Zu Wochenbeginn hatte Wirtschaftsministerin Katherina Reiche von einer Entlastung von rund 150 Euro gesprochen. Sie dürfte dabei einen durchschnittlichen Vier-Personen-Haushalt gemeint haben. Teil dieser Entlastung ist die Abschaffung der Gasspeicherumlage, die für den Strompreis aber höchstens eine indirekte und zu vernachlässigende Rolle spielt und vor allem für Gasheizkunden von Bedeutung ist.


2. Juli: Das Bundeskabinett hat das Gesetz zur Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen von Ländern und Kommunen beschlossen. Der Entwurf regelt, wie die Länder ihren Anteil am 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Länder und Kommunen nutzen können. Im Gegensatz zu früheren Versionen macht die Bundesregierung im Entwurf jetzt ausdrücklich den Weg für Investitionen in die Infrastrukturen der Wasserwirtschaft frei. Davon können gerade ländliche Regionen beziehungsweise ärmere Kommunen profitieren, schreibt der Verband kommunaler Unternehmen (VKU).

Das neue Geothermie-Beschleunigungsgesetz ist in die Länder- und Verbändeanhörung gegangen. Das Vorhaben ist Teil des Sofortprogramms der schwarz-roten Koalition. Ziel des Gesetzes ist es, Planungs- und Genehmigungsverfahren für Geothermieanlagen, aber auch für Wärmespeicher, Großwärmepumpen und -leitungen zu beschleunigen. Laut Entwurf soll der Bau und der Betrieb dieser Anlagen im überragenden öffentlichen Interesse stehen.

Seit Anfang Juli steht zudem ein weiterer Gesetzentwurf zum Download bereit, der EU-Vorgaben im Rahmen der Erneuerbare-Energien-Richtlinie III (RED III) umsetzen soll. Diesmal stehen die Windenergie auf See und Stromnetze im Fokus.



1. Juli: Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hat für 2026 einen Zuschuss in Höhe von 6,6 Milliarden Euro für die Stromnetzentgelte in Aussicht gestellt. Für einen durchschnittlichen Vier-Personen-Haushalt bedeute dies eine jährliche Entlastung von 54 Euro, sagte sie. Reiche ließ dabei offen, wie viel ein durchschnittlicher Vier-Personen-Haushalt aus ihrer Sicht an Strom verbraucht. Die Schätzungen schwanken zwischen 3000 und 5000 Kilowattstunden (kWh). Energiejournalist Malte Kreutzfeldt postete im Nachgang auf der Plattform Bluesky, dass die 54 Euro ein Versprecher gewesen seien. Dieser Betrag habe sich auf die Gasspeicherumlage bezogen.

Unklar blieb auch, wie genau die 6,6 Milliarden Euro eingesetzt werden. Eine kurzfristige ZfK-Anfrage im Ministerium blieb zunächst unbeantwortet. Im Koalitionsvertrag wurde eine Reduktion der Stromsteuer, der Netzentgelte und nicht näher definierter Umlagen vereinbart. Von strombezogenen Umlagesenkungen sprach Reiche bislang öffentlich nicht.

Was die Netzentgeltsenkung betrifft, ist eine Senkung der Übertragungsnetzentgelte am praktikabelsten und wohl auch am wahrscheinlichsten. Der Knackpunkt dabei: Je nach Netzgebiet und Kundengruppe werden die Übertragungsnetzentgelte in unterschiedlicher Höhe weitergereicht. Tendenziell profitieren Industrieunternehmen von den Zuschüssen mehr als Haushaltskunden im Niederspannungsnetz. Doch auch auf Niederspannungsebene können die Unterschiede je nach Stromerzeugung vor Ort stark variieren.

Der Energieverband BDEW nannte im Januar folgende Faustformel: Demnach werden pro einer Milliarde Euro Zuschuss Haushaltskunden im Durchschnitt um 0,2 Cent pro kWh entlastet. 6,6 Milliarden Euro entsprächen demnach einer durchschnittlichen Entlastung von 1,3 Cent pro kWh. Nimmt man die wegfallende Mehrwertsteuer dazu, wäre man bei knapp 1,6 Cent pro kWh.

Mehr würden Haushalte in der Regel von einer Senkung der Stromsteuer profitieren. Diese ist im Koalitionsvertrag vorgesehen, soll nun aber laut Plänen des Bundesfinanzministers Lars Klingbeil (SPD) zunächst doch nicht kommen. Samt wegfallender Mehrwertsteuer würde hier eine Entlastung von 2,3 Cent pro kWh winken.

Das letzte Wort zur Stromsteuersenkung scheint derweil noch lange nicht gesprochen zu sein. Neben der energiepolitischen Sprecherin der SPD-Fraktion, Nina Scheer, machte sich auch der wirtschaftspolitische Sprecher Sebastian Roloff für eine pauschale Senkung auf das europarechtliche Minimum stark. Am Ende entscheidet der Bundestag darüber. Mehr dazu hier.

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30. Juni: Wie die ZfK aus Branchenkreisen erfuhr, ist ein neuer Entwurf zum sogenannten CO2-Speichergesetz im Umlauf. Im Vergleich zur Ampelversion soll die Infrastruktur für die Abscheidung, den Transport sowie die Speicherung beziehungsweise Nutzung von Kohlenstoffdioxid im "überragenden öffentlichen Interesse" stehen. Das soll Planungs- und Genehmigungsprozesse beschleunigen.

 

Das Vorhaben zählt zu den heikleren energiepolitischen Vorhaben der schwarz-roten Koalition. Während Teile der SPD die Abscheidung und die Speicherung beziehungsweise Nutzung von Kohlenstoffdioxid nur für wenige Prozesse im energieintensiven Bereich zulassen wollen, kann sich die Union hier deutlich mehr vorstellen. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: "Wir werden umgehend ein Gesetzespaket beschließen, welches die Abscheidung, den Transport, die Nutzung und die Speicherung von Kohlendioxid insbesondere für schwer vermeidbare Emissionen des Industriesektors und für Gaskraftwerke ermöglicht." Entsprechend ist im nun vorliegenden Gesetzentwurf der Einsatz für Gaskraftwerke erlaubt.

Insgesamt ist kurz vor dem zweiten Koalitionsausschuss von Union und SPD, der diesen Mittwoch stattfinden wird, in fünf von sieben Sofortprogramm-Maßnahmen im Energiebereich Bewegung gekommen. Konkret sind das neben dem CO2-Speichergesetz die Strompreisentlastung, die Umsetzung der Erneuerbaren-Richtlinie RED III, die Einrichtung des Sondervermögens für Energieinfrastruktur und die Abschaffung der Gasspeicherumlage. Keine öffentlich bekannten Entwürfe aus der neuen Bundesregierung gibt es dagegen bislang zu den Beschleunigungsgesetzen von Wasserstoff und Geothermie. Dabei handelt es sich um Vorhaben, die bereits die Ampelregierung beschlossen hatte, im Bundestag aber liegen geblieben waren.


27. Juni: Das Aachener Beratungshaus BET und das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln (EWI) übernehmen das im Koalitionsvertrag festgehaltene Energiewende-Monitoring. Die Hauptverantwortung liegt bei BET. Bis zum 31. August soll der Bericht vorliegen. Hier mehr.


24. Juni: Überraschung bei der Vorstellung des ersten schwarz-roten Bundeshaushalts durch Finanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD): Die Stromsteuer soll nicht für alle auf das europarechtlich zulässige Minimum gesenkt werden. Stattdessen plant Klingbeil lediglich eine Verstetigung der Stromsteuersenkung für das produzierende Gewerbe. Zugleich will der Bund die Gasspeicherumlage abschaffen und die Netzentgelte bezuschussen. Hier mehr. Zudem hat das Bundeskabinett mehrere Gesetzesänderungen zur Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie III (RED III) beschlossen. Erwartet wird, dass der Bundestag die Vorhaben zeitnah aufgreift und seinerseits beschließt.


20. Juni: Nach langem Warten hat die Bundesregierung einen Entwurf zur Weiterentwicklung der Treibhausgasminderungs-Quote vorgelegt. Das 62-seitige Dokument, das der ZfK vorliegt, ist Teil der Umsetzung der Erneuerbaren-Richtlinie III, auch bekannt als RED III.

Einige wichtige Maßnahmen im Überblick: Erneuerbare Kraftstoffe sollen nur noch anrechenbar sein, wenn Vor-Ort-Kontrollen durch staatliche Kontrolleure möglich sind. Strengere Regeln in diesem Bereich hatte die Elektromobilitätsbranche gefordert. Die Obergrenze für Biokraftstoffe aus Nahrungs- und Futtermitteln wird abgesenkt.  Die Anrechnung von Sojaöl sowie Reststoffen der Palmölproduktion auf die THG-Quote soll sofort beendet werden. Zudem entfällt die Zweifachanrechnung von als fortschrittlich geltenden Biokraftstoffen. Zur Einordnung: Bislang können Biokraftstoffe, die gewisse Kriterien erfüllen, sowohl zur Erfüllung der sogenannten Unterquote für fortschrittliche Biokraftstoffe als auch zur Erfüllung der allgemeinen THG-Quote angerechnet werden. Dieser zusätzliche Anreiz sei mittlerweile nicht mehr notwendig, heißt es im Entwurf.

Heftige Kritik am Entwurf kam vom Biogasrat. Geschäftsführerin Janet Hochi sprach von einem "Desaster". Der angekündigte Politikwechsel hin zu einer technologieneutralen Politik werde so ad absurdum geführt. Mit den geplanten Regeln würden erneuerbare fortschrittliche Biokraftstoffe und biogener Wasserstoff etwa gegenüber Strom "massiv diskriminiert". "Dieser schweren Wettbewerbsverzerrung muss im weiteren Gesetzgebungsverfahren von den politischen Entscheidungsträgern Einhalt geboten werden."


19. Juni: Laut der Nachrichtenagentur "Reuters" ist ein Entwurf des Bundesfinanzministeriums im Umlauf, wonach die Gasspeicherumlage künftig aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert werden soll. Die Abschaffung der Umlage steht im Koalitionsvertrag und im Sofortprogramm des Koalitionsausschusses. Dass eine Subvention fossiler Energie aus dem Klimafonds finanziert werden soll, dürfte bei Energieverbänden zu Widerstand führen, die das Geld aus dem Sondervermögen lieber für Investitionen in die Energiewende reservieren möchten.

Erst kürzlich gab der sogenannte Gas-Marktgebietsverantwortliche Trading Hub Europe (THE) bekannt, dass die Gasspeicherumlage ab Juli geringfügig sinken wird: von umgerechnet 0,299 Cent pro kWh auf 0,289 Cent pro kWh. Als das Bundesfinanzministerium während der Koalitionsverhandlungen die Kosten einer solchen Maßnahme für den Bund errechnen sollte, nannte es ein Preisschild von 4,7 Milliarden Euro.


18. Juni 2025: Es geht voran bei der Umsetzung der Erneuerbaren-Richtlinie III, kurz RED III. Der ZfK liegt eine 87-seitige Formulierungshilfe vor. Unter anderem geht es darum, Planungs- und Genehmigungsverfahren von Windkraftanlagen zu erleichtern. Das Bundeskabinett befasste sich damit am Mittwoch, 18. Juni, jedoch noch nicht. Hier mehr zum Hintergrund.


6. Juni 2025: Die Einrichtung des Sondervermögens Infrastruktur und Klimaneutralität nimmt Gestalt an. Zwei Gesetzentwürfe sind dazu im Umlauf. Laut Kabinettszeitplan sollen sie am 24. Juni im Bundeskabinett beraten und beschlossen werden. Hier mehr dazu.


28. Mai 2025: Der Koalitionsausschuss hat beschlossen, mehrere Energievorhaben ins Sommer-Sofortprogramm aufzunehmen: die Strompreisentlastung, die Abschaffung der Gasspeicherumlage, das CO2-Speichergesetz, das Geothermie-Beschleunigungsgesetz, das Wasserstoff-Beschleunigungsgesetz, die Umsetzung der Erneuerbaren-Richtlinie III und die Einrichtung des Sondervermögens Klimaneutralität. Hier mehr dazu.


5. Mai 2025: Der Koalitionsvertrag steht. Die ZfK hat mehr als zwei Dutzend Energievorhaben identifiziert. Hier mehr dazu.