Nach Karlsruhe-Urteil: Preisbremsen-Verlängerung könnte doch noch platzen
Es scheint wie verhext. Noch bevor der Bundestag mit Verabschiedung der Verordnung zur Verlängerung der Energiepreisbremsen etwas mehr Klarheit schaffen wollte, zog neuer Nebel auf.
Die Frage, die seit Mittwoch durch das politische Berlin wabert, ist: Was, wenn die finanzielle Grundlage für die staatliche Entlastungsmaßnahme, der Wirtschaftsstabilisierungsfonds, ebenfalls kassiert wird?
Ball zurück bei Bundesregierung
In der Nacht zum Freitag sprach dies Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher der FDP, im Bundestagsplenum selbst an. "Wann [die Preisbremsen] genau auslaufen, steht ehrlich gesagt nicht ganz fest seit gestern", sagte er. Entweder sei es Ende März, wie es die Ampel-Fraktionen vorgeschlagen hätten, oder doch schon Ende dieses Jahres.
Die Entscheidung obliegt nun der Bundesregierung. Sie soll zunächst prüfen, ob das Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch Auswirkungen auf den Wirtschaftsstabilisierungsfonds hat. Kommt sie zu dieser Erkenntnis, kann sie die vom Bundestag beschlossene Verlängerung stoppen.
Wirtschaftsstabilisierungsfonds: Merz kündigt Prüfung an
Die Karlsruher Höchstrichter hatten nach einer Klage der Unionsfraktion geurteilt, dass Kreditermächtigungen des Bundes in Höhe von 60 Milliarden Euro, die ursprünglicherweise für die Auswirkungen der Corona-Krise gegeben worden waren, zu Unrecht per Nachtragshaushalt an den Klima- und Transformationsfonds überwiesen wurden.
Oppositionsführer Friedrich Merz von der CDU hatte daraufhin angekündigt, auch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds auf Verfassungsmäßigkeit prüfen zu lassen. Er rechne Ende nächster, Anfang übernächster Woche mit einem ersten Ergebnis eines von ihm in Auftrag gegebenen Rechtsgutachtens, sagte der CDU-Chef am Donnerstagabend im ZDF. Auf dieser Grundlage wolle die Union entscheiden, ob sie nach der Klage gegen die Umwidmung der Kredite auch gegen diesen Geldtopf nach Karlsruhe gehe.
Geschichte des "Doppelwumms"
Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds wurde im März 2020 von der großen Koalition ins Leben gerufen, um den wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die deutsche Volkswirtschaft entgegenzuwirken.
Im November 2022 wurde er als Abwehrschirm gegen die Folgen der Energiekrise reaktiviert. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach medienwirksam vom "Doppelwumms". Das Gesamtvolumen betrug 200 Milliarden Euro.
Expertenanhörung angesetzt
Mit dem Geld sollten insbesondere die Energiepreisbremsen finanziert, aber auch Gasimporteure wie Uniper, Sefe und VNG gestützt werden. Neuerdings sollten auch die Übertragungsnetzentgelte für 2024 durch eine Finanzspritze aus dem Fonds in Höhe von 5,5 Milliarden Euro gedämpft werden. Das alles könnte auf wackeligen Füßen stehen.
Wieder mehr Klarheit will nun der Haushaltsausschuss schaffen. Er hat für kommenden Dienstag eine Expertenanhörung angekündigt. Dann sprechen neben dem Ministerialrat des Bundesrechnungshofs, Jan Keller, auch führende Ökonomen des Landes.
Adresse für Beschwerdepost
Für den Fall, dass die Energiepreisbremsen bereits Ende dieses Jahres enden, hatte FDP-Energiepolitiker Kruse Donnerstagnacht übrigens eine Adresse für Beschwerdepost parat: "CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Platz der Republik 1, 11011 Berlin".
Unwahrscheinlich dagegen, dass dann viele Briefe von Energieversorgern kommen würden. Bei einem regulären Auslaufen der Bremsen bliebe diesen nämlich viel organisatorischer, informationstechnischer und nicht zuletzt finanzieller Aufwand erspart. (Mehr dazu hier.) (aba)
Hinweis: Mit den Folgen der Energiepreisbremsen-Verlängerung beschäftigt sich auch das kostenlose ZfK-Debattenformat "ZfK im Gespräch". Am Donnerstag, 23. November, diskutieren Expert*innen aus der Stadtwerke- und IT-Branche sowie aus der Bundespolitik über das Thema "Energievertrieb im Dauerstress: Wann ist endlich Schluss?". Zur Anmeldung geht's hier.
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