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Expertengutachten: Wo die Energiewende auf einem guten Weg ist ‒ und wo nicht

Gegenüber 2024 hat sich der Energiewende-Ausblick nochmal verschlechtert. Ein neues Segment bereitet den Experten nun Sorgen.
21.03.2025

Andreas Löschel leitet die von der Bundesregierung eingesetztet Expertenkommission zum Stand der Energiewende.

Von Julian Korb

Die künftige Bundesregierung muss dringend eingreifen, um die Energiewende in die richtigen Bahnen zu lenken. Das hat ein Update der Expertenkommission zum letztjährigen Energiewende-Monitoring ergeben. "Die Schaffung der passenden Rahmenbedingungen für die Energiewende ist unverändert zu leisten", wird der Kommissionsvorsitzende und Bochumer Universitätsprofessor Andreas Löschel in einer Mitteilung zitiert.

Insbesondere die fehlende Marktintegration der erneuerbaren Energien, die Verzögerungen beim dringend notwendigen Zubau steuerbarer Kraftwerke und der stockende Hochlauf beim Wasserstoff hätten die Situation verschlechtert. Mittlerweile steht die "Energiewende-Ampel" bei der Energiesicherheit, den Netzen und in der Energieeffizienz sogar auf Rot. Die ZfK gibt einen Überblick über die wichtigsten Baustellen.

Negativer Trend

Stromversorgung: Zwar geht der Ausbau der erneuerbaren Energien dynamisch voran, jedoch wird die fehlende Marktintegration zu einem immer größer werdenden Problem, monieren die Experten. Sorgen bereitet der Kommission dabei, dass die Unzufriedenheit der Bevölkerung bei der Umsetzung der Energiewende wächst. Die Akzeptanz wird immer mehr zur Herausforderung.

Die Forscher kritisieren zudem, dass die bisherige Durchführung der Energiewende "sozial unausgewogen" ist. Bitter: Bei der Stromversorgung stand die Ampel im vergangenen Jahr als einzigen Untersegment auf grün, jetzt geht die Tendenz hier nach unten.

Trend gegenüber 2024: ↘

Energiesicherheit: Tiefrot bleibt derweil die Einschätzung zur Energiesicherheit. Das liegt zum einen an hohen Rohstoffabhängigkeiten, zum anderen am Erdgasimport, der noch nicht ausreichend diversifiziert ist. Außerdem bleibt der Anteil der erneuerbaren Energien am gesamten Endenergieverbrauch niedrig.

Trend gegenüber 2024: →

Wasserstoff: Der Hochlauf stockt. 2024 war die Ampel noch auf gelb geschaltet. Jetzt ist der Ausblick stark negativ. Das liegt vor allem an den hohen Kosten für Wasserstoff. Zum einen sind die aktuellen Kosten der Wasserstofferzeugung höher als erwartet, zum anderen sind zumindest kurz- und mittelfristig nur geringere Kostensenkungen absehbar.

Laut Gutachten fehlt es zudem an Maßnahmen zur "Schließung der Kostenlücke bei der Anwendung von erneuerbarem Wasserstoff". Laut den Experten die "entscheidende Barriere für die notwendige Dynamik des Wasserstoffhochlaufs."

Trend gegenüber 2024: ↓

Kraftwerkszubau: Die alte Bundesregierung scheiterte grandios an ihrer Kraftwerksstrategie. Wie die Experten schreiben, ist der Bestand steuerbarer Kraftwerkskapazitäten 2024 erstmals unter einen Wert von 90 Gigawatt (GW) gesunken. Weil erwartet wird, dass der Stromverbrauch wieder steigt, entstehen damit "signifikante Herausforderungen" für die Versorgungssicherheit.

Felix Matthes vom Freiburger Öko-Institut und Mitautor des Gutachtens: "Der Bau neuer, flexibel einsetzbarer Gaskraftwerke ist für die Energiewende essenziell." Ein Neustart der Kraftwerksstrategie sei dringend erforderlich. Die Bedingungen für die Nutzung von Wasserstoff sollten bei einem neuen Anlauf allerdings weniger restriktiv ausgestaltet werden als im Entwurf der bisherigen Regierung, heißt es im Gutachten.

Trend gegenüber 2024: ↘

Positiver Trend

Enegiekosten: Es gibt auch positive Entwicklungen seit dem letzten Gutachten im Juni 2024. Zwar bleiben die Energiekosten im internationalen Vergleich weiterhin hoch, aber immerhin zeigt die Tendenz nach unten. Die durchschnittlichen Preise an der Strombörse sind 2024 gegenüber dem Vorjahr deutlich zurückgegangen. Auch die Industriestrompreise sanken im Jahresverlauf 2024 wieder deutlich unter das Niveau von 2020.

Bei den Privathaushalten schlagen die Netzentgelte mit einem satten Plus von 20 Prozent zu Buche. Dennoch sind die durchschnittlichen Strompreise für Bestandskunden wieder unter das Niveau von 2022 getaucht. Neukunden können bereits von Preisen unter 30 Cent pro Kilowattstunde profitieren.

Trend gegenüber 2024: ↗

Netze: Positiv finden die Experten weiter, dass der Netzausbau mittlerweile schneller vorangeht als noch im vergangenen Jahr. Auch die Kosten für das Engpassmanagement durch die Netzbtreiber sind gesunken. Gleichzeitig bleibt die beschleunigte Planung und Genehmigung von Leitungsvorhaben essenziell. Günstiger könnte der Netzausbau werden, wenn statt Erdkabel wieder mehr Freileitungen gebaut werden.

Die Expertenkommission rät außerdem dazu, den Ausbau der Stromnetze zu prüfen. Der Grund: Die Stromnachfrage bleibt bisher deutlich hinter den Prognosen zurück. In der Folge könnte es weniger Netzausbau brauchen. Durch eine entsprechende Streckung der Investitionsentscheidungen für Netze "könnte der Anstieg der Netznutzungsentgelte im Zeitverlauf reduziert werden", heißt es im Gutachten.

Trend gegenüber 2024: ↗

Treibhausgasemissionen: Zuletzt noch eine weitere gute Nachricht. Die Emission von klimaschädlichen Gasen ist gegenüber Sommer 2024 zurückgegangen. Allerdings ist diese Entwicklung hauptsächlich der Energiewirtschaft zu verdanken. Bei der Gebäudeenergie und im Verkehrssektor gibt es hingegen keine Fortschritte. Die Treibhausgasaustoß in der Industrie stagniert.

Mahnende Worte der Experten gibt es auch noch: Die künftige Bundesregierung muss die jährliche Treibhausgasminderung verdoppeln, damit die Klimaschutzziele noch erreichen werden können. Bis Ende 2024 hat Deutschland seine Emissionen um 48 Prozent gegenüber 1990 verringert. Bis 2030 sind im Klimaschutzgesetz mindestens 65 Prozent vorgeschrieben. Dennoch, der Trend zeigt nach oben.

Trend gegenüber 2024: ↗

Empfehlungen noch nicht umgesetzt

Die Expertenkommission begleitet seit 2011 das Energiewende-Monitoring mit ihrem Fachwissen. Ihr gehören seit 2022 die Klima- und Energiewissenschaftler Andreas Löschel, Veronika Grimm, Anke Weidlich und Felix Christian Matthes an. Bereits über die Empfehlungen im Juni 2024 hatte die ZfK berichtet. Den Artikel finden Sie hier.

Damals hatten die Experten Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) unter anderem dazu aufgefordert, die Strompreise zu senken und dafür die Stromsteuer auch für Haushaltskunden dauerhaft zu senken. Die alte Ampel-Koalition konnte die Empfehlung aber nicht umsetzen. Inzwischen haben Union und SPD die Maßnahme in ihr Sondierungspapier aufgenommen.

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