Fünf Fernwärme-Knackpunkte: Wie sich Schwarz-Rot positioniert

Die Spitzen der schwarz-roten Bundesregierung: Finanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil (links, SPD) und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). (Archivbild)
Bild: © Michael Kappeler/dpa
Von Andreas Baumer
Knapp 100 Tage sind seit dem Amtsantritt der schwarz-roten Bundesregierung verstrichen. In dieser Zeit hat Fernwärme eine eher untergeordnete Bedeutung gespielt. Weder zur Fernwärmeverordnung (AVB FernwärmeV) noch zur Wärmelieferverordnung gibt es bislang öffentlich einsehbare Entwürfe. Beide Regelwerke wollte Schwarz-Rot laut Koalitionsvertrag "zügig überarbeiten und modernisieren".
Erste Anhaltspunkte dafür, wie sich die Bundesregierung zur Fernwärme positioniert, gibt es allerdings schon. Beispielsweise äußerte sie sich zum 2024 erschienen Hauptgutachten der Monopolkommission. Die im Juli veröffentlichte Stellungnahme ging im Alltagsrauschen des politischen Berlin etwas unter. Ein Blick hinein lohnt sich aber allemal. Hier ein Überblick:
1. Monopolmarkt Fernwärme
These: In ihrem Gutachten zeigte sich die Monopolkommission über die Auswirkungen des Gebäudeenergie- und Wärmeplanungsgesetzes auf den Wärmemarkt vor Ort besorgt. Das könnte zu einer "De-facto-Aufteilung" des Gemeindegebiets zwischen den Netzbetreibern entlang der in der Wärmeplanung festgesetzten Wärmeversorgungsgebiete führen.
Denn durch den künftigen Ausschluss von rein fossil betriebenen Öl- und Gasheizungen verbleibe als Alternative zum Wärmenetz im Wesentlichen der Einsatz von Wärmepumpen. "Dieser ist jedoch nicht in allen Gebäuden möglich und stellt zudem – bei einem flächendeckenden Einsatz – erhöhte Anforderungen an die Stromnetze, die insbesondere in den Wärmenetzgebieten nicht überall zeitnah vorliegen werden."
Wo Wärmepumpen wirtschaftlich ausschieden, existiere dann kein Wettbewerb mehr. "Das Fernwärmeunternehmen dominiert den Markt nicht nur nach dem Netzanschluss, sondern bereits zuvor bei der Systementscheidung."
Schwarz-Rot: Die Bundesregierung teilt diese Sorge "nur teilweise". Die Ausweisung von Flächen als Fernwärmenetzgebieten bedeute nicht gleich, dass ein Fernwärmenetz zwingend gebaut werde. Auch ein Anschluss- oder Benutzungszwang bestehe nicht. Gebäudeeigentümer seien mit dem Hochlauf klimafreundlicher Heizungstechnologien nicht auf eine einzelne Technologie begrenzt, schreibt die Regierung. "Im Ergebnis wird ein Systemwettbewerb auch weiterhin bestehen bleiben".
Fazit: Die Positionierung der Bundesregierung dürfte in der Fernwärmebranche mit Erleichterung aufgenommen werden. Grundsätzlich gilt: Je größer aus Regierungssicht die Gefahr besteht, dass sich die Fernwärme des Wettbewerbs entzieht, desto strenger dürfte die Regulierung werden.
2. Markt- und Kostenelement
These: Klauseln zur Berechnung von Fernwärmepreisen bestehen aus zwei Elementen: einem Marktelement, das die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt abbildet, und einem Kostenelement, das die individuelle Kostenentwicklung bei der Erzeugung von Fernwärme umfasst. Das Marktelement soll dabei als Korrektiv in einem Monopolmarkt wirken.
Laut aktueller Fernwärmeverordnung müssen Fernwärmeversorger in ihren Preisen beide Elemente "angemessen" berücksichtigen. Der Monopolkommission geht das nicht weit genug. Sie will das Marktelement stärker betonen, "um eine bessere Berücksichtigung der Wettbewerbssituation im Wärmesektor zu erreichen".
Schwarz-Rot: Der Vorschlag der Monopolkommission wird von der Bundesregierung "in dieser pauschalen Form nicht geteilt". Eine gestärkte Gewichtung des Marktelements könnte sogar grüne Fernwärme verteuern, gibt sie zu bedenken. Das wäre dann der Fall, wenn im Marktelement mehr teure, fossile Energieträger abgebildet würden, als sie in den tatsächlichen Erzeugungskosten vorkommen. Die Bundesregierung lässt zugleich offen, ob weitere gesetzliche Vorgaben für das Verhältnis zwischen Markt- und Kostenelement erforderlich sind.
Fazit: Bereits eine pauschale Gleichgewichtung von Kosten- und Marktelement wird von Fernwärmeversorgern kritisch gesehen. "Es bleibt völlig unklar, dass die gleiche Gewichtung von Kosten- und Marktelement tatsächlich verbraucherfreundlich ist", schrieb der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) beispielsweise in einer Stellungnahme im Dezember 2024. Dass das Ministerium eine pauschale Bevorzugung des Marktelements ablehnt, dürfte in der Branche also gutgeheißen werden.
Mehr dazu: Fernwärmepreis: Hickhack um Gewichtung von Markt- und Kostenelement
3. Verwendung von Indizes
These: Dem Marktelement liegen Preisindizes zugrunde. In der Vergangenheit kritisierte der Verbraucherzentrale Bundesverband, dass Fernwärmeversorger häufig börsenpreisbasierte Indizes wählten und nicht Indizes des Statistischen Bundesamts. Die Monopolkommission schlug in ihrem Gutachten vor, einen deutschlandweit einheitlichen Index einzuführen oder die Zahl verwendbarer Indizes zu beschränken.
Schwarz-Rot: Die Bundesregierung sieht beide Vorschläge skeptisch. So würde ein bundesweit einheitlicher Index regionale Besonderheiten nicht abbilden, etwa das Vorkommen geothermischer oder solarthermischer Quellen. Die Abbildung des tatsächlichen Geschehens durch einen Index sei zudem "ausgesprochen komplex".
Fazit: Die Fernwärmebranche empfand die Diskussion um Indizes eher befremdlich. Insofern dürfte sie die Position der Bundesregierung in dieser Frage begrüßen.
4. Einfacher Preisdeckel
These: Um den Wettbewerb zu stärken, schlug die Monopolkommission die Einführung eines vereinfachten Preisdeckels vor. "Dabei würde Fernwärmeanbietern lediglich eine Preisobergrenze (z. B. auf Grundlage eines Indizes) vorgegeben, die einen hypothetischen Wettbewerb repräsentiert", schrieb sie. "Der von Fernwärmeanbietern verlangte Gesamtpreis dürfte dann maximal dieser Preisobergrenze entsprechen."
Schwarz-Rot: Die Bundesregierung geht nicht davon aus, dass eine solche Regelung "ungerechtfertigt hohe Fernwärmepreise flächendeckend effektiv verhindern kann". Die Festlegung einer Obergrenze stelle sich zudem methodisch schwierig dar. Dafür seien die regionalen Unterschiede zu groß.
Fazit: Die Fernwärmebranche ist strikt gegen Preisdeckel. Sie fürchtet, dass dies den Fernwärmeausbau abwürgen würde. Insofern dürfte sie die Positionierung der Bundesregierung hierzu willkommen heißen.
5. Entflechtung von Netzen, Erzeugung und Vertrieb
These: Die Monopolkommission kann sich langfristig eine Trennung von Netzen, Erzeugung und Vertrieb auf dem Fernwärmemarkt vorstellen. In diesem Zuge könnten Wärmeproduktion und -vertrieb im Wettbewerb organisiert werden.
Schwarz-Rot: Die Bundesregierung ist hier vorsichtig. Ein solcher Schritt sei "hochkomplex" und "jedenfalls kein kurzfristig umsetzbares Instrument", kommentiert sie. Sie verweist darauf, dass eine solche Einführung nach Ergebnissen einer europaweiten Untersuchung sogar zu höheren Wärmepreisen führen könne. Bezweifelt wird zudem, ob ein solcher Eingriff dazu beitragen würde, die Fernwärme zu vergrünen.
Fazit: Als die Verbraucherschutzminister der Bundesländer den Bund aufforderten, eine Entflechtung von Netzen, Erzeugung und Vertrieb im Fernwärmebereich zu prüfen, reagierten führende Fernwärmeverbände entsetzt. "Die Mechanismen aus dem Strom- und Gassektor funktionieren bei der Fernwärme nicht", warnte AGFW-Geschäftsführer Werner Lutsch. "Sie ist eine lokale Dienstleistung und kein national gehandeltes Produkt. Eine Öffnung der Netze würde nicht zu sinkenden Preisen führen." Der VKU sprach von einem "Bärendienst" für die Wärmewende.
Das Bundeswirtschaftsministerium schloss damals eine Entflechtung von Netzen und Erzeugung nicht kategorisch aus. Zugleich wies es auf die zahlreichen Schwierigkeiten eines solchen Schritts hin.
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