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"Die kaufmännischen Prozesse haben erste Priorität"

Wie der GoLive von 14 Kunden auf die S/4HANA-Plattform der Thüga SmartService gelang, erläutern Ralf Winter, Vorsitzender der TSG-Geschäftsführung und Dirk Weimann, Kaufmännischer Geschäftsführer von Energie Schwaben. Das nächste Ziel steht schon fest.
16.02.2024

Dirk Weimann ist Kaufmännischer Geschäftsführer bei Energie Schwaben (links) und Ralf Winter ist Vorsitzender der Geschäftsführung Thüga SmartService.

Herr Winter, Sie sind Anfang des Jahres mit 14 Kunden auf Ihrer Plattform live gegangen. Was braucht es, um so ein Volumen zu stemmen?
Ralf Winter, Vorsitzender der Geschäftsführung Thüga SmartService: Prozesse, Prozesse und nochmal Prozesse. Das klingt sehr zugespitzt, aber ohne belastbare Abläufe und eingespielte Routinen funktioniert so ein Vorhaben einfach nicht. Und, um ehrlich zu sein, mussten auch wir uns erst herantasten, hatten durchaus unsere Lernkurven, bis wir die optimierten Prozesse dann für zwei unterschiedliche Szenarien fixieren konnten. Dazu zählen einerseits die Migration aus der bestehenden SAP R/3-Welt auf unsere Plattform oder auf der anderen Seite jene aus Non-SAP-Systemen wie Schleupen oder Lima. Hier sind wir mittlerweile spürbar zu einer Routine und damit Stabilität gelangt.

Wie ist Ihre Perspektive auf das Projekt aus Auftraggebersicht, Herr Weimann? Sie sind mit Energie Schwaben ja erst auf der Plattform livegegangen.
Dirk Weimann, Kaufmännischer Geschäftsführer Energie Schwaben: Erste Priorität haben bei so einem Projekt alle kaufmännischen Prozesse – sie müssen stabil und fehlerfrei ablaufen. Das ist bei uns nicht anders. Dabei war es entscheidend, dass wir gemeinsam ein funktionierendes und engagiertes Projektteam bilden konnten, das Prozesse ganzheitlich, also abteilungsübergreifend behandelt. Bestehende Abhängigkeiten dürfen in den Prozessen nicht übersehen werden und müssen aus Unternehmenssicht angegangen werden. Komplexe Projekte wie dieses können Sie mit Teamsport vergleichen. Neben der Fachkenntnis leben sie von engem Austausch und offener Kommunikation.

Im wechselseitigen Dialog haben wir alle sehr viel gelernt und sehr viel Erfahrung gewonnen. Ohne den Vertrauensvorschuss, den uns die Thüga-Gemeinschaft hier gegeben hat, wären wir in der gegebenen Zeit nicht so weit gekommen. Es gibt noch einen Punkt, der mir wichtig ist und den wir aus dem Projekt gelernt haben: Wir haben viel Zeit und Engagement ins Testen investiert, und das hat sich ausgezahlt. Das hat sich als entscheidender Erfolgsfaktor erwiesen und gleichzeitig nehmen wir das als Lerneffekt für das neue System mit.


Eine grundsätzliche Frage: Warum sollten Stadtwerke oder EVUs eigentlich eine Plattformlösung wie diese nutzen und nicht nach individuellen Lösungen Ausschau halten?
Weimann: Es hat noch nie viel Sinn ergeben, dass jeder für sich das Rad neu erfindet. Genau dafür sind wir ja Mitglied einer starken Gemeinschaft. Die Expert:innen der Thüga SmartService und der Austausch aller Partnerunternehmen innerhalb der Template-Gemeinschaft gewährleisten und befördern Innovation und Zukunftsorientierung. Kurzum: Wir haben hierdurch alle unsere Ziele zu für uns vertretbaren Kosten in der vorgesehenen Zeit erreicht.

Das Governance-Modell – Entscheidungen werden mit einer Mehrheit der beteiligten Partner getroffen – stellt sicher, dass das neue System immer bedarfsgerecht weiterentwickelt wird. Der Austausch unter den Partnerunternehmen hilft, Synergien zu heben. Gemeinsame Lösungsansätze sind dafür ein entscheidender Punkt.

Gerade auch in der Weiterentwicklung entstehen ökonomisch interessante Synergieeffekte. Dabei ist es jetzt enorm wichtig, den Schwung vom erfolgreichen Einstieg mitzunehmen und die Geschwindigkeit nicht zu verlieren. Im Kern deckt S/4HANA den Bedarf eines Stadtwerks ab. Zusätzlich benötigte Module oder Add-ons können individuell dazu gekauft werden. Das ist schon sehr komfortabel.

Herr Winter, wie sehen Sie das als Anbieter der Plattform?
Winter: Drei wesentliche Faktoren sind hier aus unserer Sicht ausschlaggebend. Erstens: Die Innovationskraft, die durch den Austausch der beteiligten Unternehmen entsteht. Zweitens: Die Kundenzentrierung, denn an jeder Stelle entscheiden wir mit unseren Kunden gemeinsam, wo es künftig langgeht. Und drittens nicht zuletzt natürlich die Wirtschaftlichkeit, die dadurch entsteht, dass mehr Unternehmen eben auch mehr Power entwickeln als ein Einzelner. Das kennt man auch auf anderen Ebenen und steckt im Wesen des „Thüga-Mindsets“. Ansonsten kann ich mich Herrn Weimann nur anschließen: Wir lernen als Gemeinschaft ständig voneinander und setzen diese Learnings sehr schnell und effizient um. Damit ist eine kontinuierliche Optimierung in unsere Lösung sozusagen schon automatisch und systemimmanent „eingebaut“.

Ihre weiteren Rolloutpläne klingen ambitioniert. Perspektivisch sollen weitere 15 Kunden auf die Plattform migriert werden. Keine Atempause?
Winter: Doch, ein hörbares Durchatmen gab es im Januar nach erfolgreichem GoLive mit Sicherheit bei allen Beteiligten. Aber Sie haben recht: Wir stecken bereits in der Planungsphase der weiteren Rollouts. Denn der S/4HANA-Vorgänger R/3 wird ja bekanntlich nur noch bis Ende 2027 seitens SAP im Support unterstützt, so dass der Zeitkorridor endlich ist. Eine valide und abgestimmte Planung für die nächsten anstehenden Rollouts existiert bereits und durch die eingangs erwähnte Prozesssicherheit gewinnen wir gerade einiges an Geschwindigkeit sowie Sicherheit. Das fühlt sich bereits wesentlich routinierter an als noch vor einiger Zeit.

Herr Weimann, was ist ihr Rat an Stadtwerke, die sich ebenfalls mit einem ähnlichen Systemwechsel beschäftigen?
Weimann: Damit der Umstieg möglichst störungsfrei gelingt, sollte im Vorfeld unbedingt eine Systembereinigung stattfinden. Sie benötigen einen strukturierten Projektplan mit klaren Verantwortlichkeiten, kurz gesagt ein professionelles Projektmanagement. Change-Management ist ein wichtiges Stichwort, das unbedingt berücksichtigt werden muss. Und außerdem benötigen Sie intern ein kompetentes Team, das gut organisiert ist, um sowohl dem Tagesgeschäft als auch dem Projekt gerecht zu werden.

Beim Aufstellen des Projektplans müssen alle Beteiligten identifiziert werden, das heißt nicht nur Prozesse müssen festgelegt werden, sondern auch Supportfunktionen. Der Projektplan muss laufend und ehrlich aktualisiert werden. Interne Abhängigkeiten müssen geklärt und aufgezeigt werden.

Entscheidungen müssen zeitnah getroffen werden, und eine zeitgemäße Fehlerkultur ist unverzichtbar. Das heißt, Fehler müssen als Lernmöglichkeit verstanden werden. Besonderes Engagement sollte anerkannt werden, auch um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu motivieren, zum Beispiel durch Incentives wie Prämienzahlungen. Und das nicht nur zum Projektabschluss, sondern auch während der „heißen Phase“.

Gehen Sie auf Ihren Betriebsrat zu und beziehen Sie ihn frühzeitig ein, um klare Regelungen für Mehrarbeit abzustimmen. Werben Sie gemeinsam mit der Geschäftsführung für Verständnis im Unternehmen, etwa für mögliche Verzögerungen im operativen Geschäft.

Zentral für den Erfolg ist auch eine realistische Zeitplanung. Man darf sich hier nichts vormachen und den Zeitplan schönreden. Planen Sie immer einen zeitlichen Puffer ein.

Ist bei dieser Taktung überhaupt noch Platz für weitere Kunden auf der Plattform?
Winter:
Dazu ein klares Ja, auch, wenn ich nicht der Vertriebschef bin. Insgesamt streben wir für unsere S/4HANA-Plattform eine Zielgröße von etwas über 40 Kunden an. Dies ist aus unserer Erfahrung eine ideale Größe, um einerseits Skalen-Effekte deutlich zu kapitalisieren, andererseits aber auch das Qualitätsmanagement sicher im Griff zu haben. Denn Quantität ist für jede Plattform nur eine relevante Seite der Medaille. Diese muss auch immer im Einklang mit dem angestrebten Qualitätsanspruch stehen.

Die erwähnte Zielgröße ist für uns bereits jetzt in greifbarer Nähe, wenn wir unsere bestehenden und avisierten Kunden betrachten. Zusätzlich befinden wir uns aktuell in vielen Gesprächen mit Interessenten inner- und außerhalb des Thüga-Verbundes. Es sind also durchaus noch Plätze frei …

Die Fragen stellte Stephanie Gust