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Digitalisierung: Öffentliche Verwaltung weilt noch im Dornröschenschlaf

Nach Aussagen von 90 Prozent der in einer Studie befragten Verwaltungen, erhalten diese regelmäßig Bürgerbeschwerden aufgrund kundenunfreundlicher Prozesse. Ebensoviele Führungskräfte im öffentlichen Dienst haben keine finale Digitalisierungsstrategie.
01.07.2020

77 Prozent der Befragten bewerten die aktuelle Kultur ihres Arbeitgebers mit Blick auf „digitale Veränderungsbereitschaft“ gegenwärtig als nicht positiv.

Die Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung hinkt der in der Privatwirtschaft deutlich hinterher. Mehr als 90 Prozent der relevanten Führungskräfte und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst geben zu: Ihre Institution hat aktuell keine final abgestimmte Digitalstrategie. Das ergibt die Studie „Digitale Kluft – wie digital ist der Öffentliche Sektor?“, durchgeführt von der Managementberatung Kobaltblau in Zusammenarbeit mit Precision Landing. Befragt wurden Entscheider in rund 140 Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen sowie Eigenbetrieben.

Demnach arbeiten gut 80 Prozent zurzeit an einer Digitalstrategie. Für drei Viertel der Befragten ist die Digitalisierung der Verwaltungsprozesse klar Chefsache. Jedoch haben mehr als zwei Drittel der befragten Organisationen aktuell keine entsprechende Rolle auf Führungsebene etabliert – obwohl 75 Prozent diese als wichtig ansehen. Alle Befragten (99 Prozent) bestätigen, dass es die jungen Mitarbeiter sind, die als Katalysatoren für die digitale Entwicklung der öffentlichen Verwaltung wirken; allerdings stammen bisher lediglich 25 der über das Vorschlagswesen eingebrachten Ideen von jungen Mitarbeitern aus der Altersgruppe bis 34 Jahre. Gleichzeitig sagen satte 80 Prozent, dass sie im Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt Schwierigkeiten haben, neue junge Mitarbeiter zu gewinnen und 54 Prozent sehen die aktuelle Altersstruktur als negativen Faktor mit Blick auf die Digitalisierung.

Genervte Kunden, kaum Innovationen

„Zwei Drittel der vielerorts gestarteten Initiativen zur Digitalisierung haben noch einen sehr geringen Reifegrad. Gut die Hälfte der angestoßenen Initiativen haben einen externen Fokus. Dennoch ist eine Priorisierung zur Verbesserung der Schnittstelle zum Kunden, also dem Bürger, nicht erkennbar“, sagt Peter Will, Studienverantwortlicher bei Kobaltblau.

Nach Aussage von 90 Prozent der Verwaltungen, erhalten diese regelmäßig Bürgerbeschwerden aufgrund kundenunfreundlicher Prozesse. Sprich: Die Konzentration digitaler Innovationen sollte demnach ganz klar auf der digitalen Schnittstelle zum Bürger liegen. Mehr als die Hälfte der Befragten gibt an, dass Innovationsmanagement generell nicht im Fokus liegt.

Schleppender Wissensaufbau

Zudem bewerten 77 Prozent der Befragten die aktuelle Kultur ihres Arbeitgebers mit Blick auf „digitale Veränderungsbereitschaft“ gegenwärtig als nicht positiv. Als einen der wichtigsten Schlüssel, um die Digitalisierung stärker voranzutreiben, nennen zudem mehr als zwei Drittel der Befragten eine nachhaltige Verbesserung der individuellen Entwicklungsmöglichkeiten. Gleichzeitig wird dies auch als wichtigster Faktor mit Blick auf eine Steigerung der Arbeitgeberattraktivität beurteilt.

Allein: es fehlt an einer flächendeckend wahrgenommenen Weiterbildung in digitalen Kompetenzen. „Adäquate Fortbildungen erachten 92 Prozent als wichtig, folgerichtig bieten 73 Prozent der Verwaltungen entsprechende Programme und Seminare an. Allerdings nehmen mehr als die Hälfte (52 Prozent) diese Weiterbildungsmaßnahmen nicht regelmäßig in Anspruch – mit einer solchen Quote lässt sich digitales Wissen nur sehr schleppend aufbauen“, so Peter Will. (sg)