Studie: Innovative Geschäftsmodelle – warum der Erfolg oft trotzdem ausbleibt
Innovative digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln und einzuführen gilt als Schlüssel für das Überleben von Unternehmen. Zugleich beklagen viele Firmen, dass die erwünschten Erfolge ausbleiben. Für die Studie „Lost in Transformation? – Hindernisse für den digitalen Wandel“ hat die Unternehmensberatung Axxcon 212 IT- und Business-Development-Experten verschiedener Branchen vom Marktforschungsinstitut Teleresearch zu den wichtigsten Gründen dafür in persönlichen Interviews befragt.
Als größtes Hemmnis nennen die Befragten insgesamt mit 63 Prozent überlastete Mitarbeiter, an zweiter Stelle stehen veraltete traditionelle Denkmuster (59 Prozent). Auf Platz drei folgt die gesetzliche Regulierung mit 56 Prozent. Ebenfalls innovationshemmend: „zu wenig Startup Spirit im Unternehmen“ (50 Prozent) und „IT- und Business-Verantwortliche sprechen nicht dieselbe Sprache“ (42 Prozent).
Energiewirtschaft im Besonderen
An der Studie nahmen die Bereiche Finanzen, (32 Prozent), Industrie (39 Prozent) und Energieversorgung mit 29 Prozent teil. In der Energiewirtschaft zeigen sich durchaus Unterschiede zu den anderen Branchenzweigen. So wird bei der Energiewirtschaft zwar auch "überlastete Mitarbeiter" als größte Herausforderung mit 75 Prozent angesehen, an zweiter Stelle folgt mit 70 Prozent die gesetzliche Regulierung, an dritter Stelle liegen mit 57 Prozent veraltete Denkmuster.
„Die Überlastung, die nicht zuletzt aufgrund des Fachkräftemangels weiter zunehmen wird, wird im Businessalltag offenbar am stärksten wahrgenommen“, kommentiert Thomas Gondorf, Senior Manager bei Axxcon, die Ergebnisse. „Auch traditionelle Denkmuster wie Hierarchiegläubigkeit und mangelnde Eigeninitiative, die den Gegenpol zum gewünschten Startup-Spirit markieren, stechen hervor.“ Ebenso ein nachvollziehbarer kritischer Punkt sei aus der Sicht der Befragten zu wenig Start-up-Spirit im Unternehmen (44 Prozent), starkes Silodenken (43 Prozent), zu wenig Budget (39 Prozent) und der Konflikt zwischen IT- und Business-Verantwortlichen (33 Prozent). Weniger oft nennen sie hingegen dass das Unternehmen nicht die richtigen Mitarbeiter hat (28 Prozent) sowie fehlende Strategie und Ziele (21 Prozent).
„ITler sind chronisch überlastet“ und „leben in ihrer eigenen Welt“
Geht es konkret um die seit jeher beklagten Unstimmigkeiten zwischen IT und Business, erklären auch die befragten Führungskräfte, dass in den Bereichen unterschiedliche Prioritäten gesetzt werden und unklar formulierte Anforderungen sowie Ziele die Zusammenarbeit erheblich erschweren. Werden die Parteien getrennt voneinander befragt, stimmen die Business-Vertreter bei der Einschätzung der ITler am deutlichsten der Aussage zu: „sind chronisch überlastet“. Es folgen die Punkte: „sind im Vergleich zu Startups zu langsam und zu träge“, „leben in ihrer eigenen Welt“ und „halten Termine nicht ein“. Die IT-Verantwortlichen auf der anderen Seite sehen ihre Arbeit von der Business-Fraktion zwar wertgeschätzt, erklären aber zugleich: „Das Business Development kann den Arbeitsaufwand für Programmierer nicht richtig einschätzen“, „ist im Vergleich zu Startups viel zu langsam“, „kann nicht mit agilen Methoden arbeiten“ und „hat keine Ahnung von IT“.
Neben diesen kritischen Tönen wird in der Umfrage laut Friederike Krause, Senior Consultant bei Axxcon, jedoch auch deutlich: „Beide Parteien wollen auf Augenhöhe zusammenarbeiten bzw. empfinden, dass sie das bereits tun“. So steht – wenn es um die Selbsteinschätzung geht – in beiden Bereichen die Zustimmung zu der Aussage „Wir arbeiten mit der IT/mit dem Business auf Augenhöhe“ an oberster bzw. zweiter Stelle. Knapp jede zweite Führungskraft gibt zudem an, dass sich die Zusammenarbeit zwischen IT und Business durch die Corona-Pandemie verbessert hat. Krause: „Die zügige Bereitstellung der Technik für Remote Work war ein Erfolg, der Business und IT zusammengeschweißt hat. Wichtig ist jedoch zu erkennen, dass dies nur der Anfang war und die wahren Herausforderungen der digitalen Transformation noch bevorstehen.“
So lässt sich die Zusammenarbeit verbessern
Davon wie sich die künftigen Herausforderungen durch eine bessere Zusammenarbeit von Business und IT meistern lassen, haben die Befragten ebenfalls eine klare Vorstellung. So erklären 56 Prozent von ihnen, dass sich diese „mit den richtigen Methoden deutlich verbessern lässt.“ Diese Haltung ist vor allem in der Energiewirtschaft sehr ausgesprägt. Im Detail wünschen sie sich klar abgestimmte strategische Zielsetzungen, regelmäßige Meetings zur Abstimmung bzw. zur Priorisierung der Aufgaben sowie ein gutes Multiprojektmanagement, die Verwendung agiler Methoden und regelmäßige Retrospektiven.
In der Praxis hinkt der Einsatz der genannten Instrumente jedoch deutlich hinterher. So erklären über 90 Prozent der Befragten klar abgestimmte Zielsetzungen für wichtig. Lediglich 64 Prozent sehen diese jedoch in ihrem Unternehmen gegeben. Ein gutes Multiprojektmanagement ist für 78 Prozent entscheidend, nur etwas mehr als die Hälfte sieht dieses jedoch auch realisiert. Die Arbeit mit agilen Methoden nennen 73 Prozent, auch hier arbeitet jedoch lediglich die Hälfte damit.
Agile Methoden allein reichen nicht aus
Auch dort, wo agile Methoden bei der Zusammenarbeit von IT und Business Development eingesetzt werden, hat sich die Zusammenarbeit nur laut 19 Prozent der Befragten „stark verbessert“. Bei 56 Prozent hat sie sich lediglich „ein wenig verbessert“ und knapp 20 Prozent erklären, dass sie grundsätzlich gleichgeblieben ist. Auf die Frage, woran es beim Einsatz der agilen Methoden hakt, geben beide Gruppen mit höchster Priorität an: „Das Agile ändert nichts an den grundsätzlichen Problemen.“ Ebenfalls einen hohen Wert erreicht auf der Seite der ITler: „Die Business-Verantwortlichen investieren nicht genügend Zeit.“
In der Beratungspraxis beobachtet Gondorf häufig, dass zum Beispiel bei der Umsetzung des Scrum-Frameworks ein so genannter Proxy-Product-Owner eingesetzt wird – ein ITler, der dem Team die Anforderungen aus dem Business-Bereich vermitteln soll. Das allerdings sei nicht zielführend. „Der Product Owner muss auch wirklich aus dem Business kommen. Nur so kann eine effektive Steuerung erfolgen“, so Gondorf. Die Business-Seite müsse auch ganz konsequent die Verantwortung für die Wertschöpfung im cross-funktionalen Team übernehmen. „Agile Methoden und Tools einzuführen, ist wichtig, reicht jedoch allein nicht aus, um digitale Geschäftsmodelle schneller zu entwickeln und einzuführen. Es braucht auch das richtige Mindset im Unternehmen, saubere Rahmenbedingungen und ein verbindliches Zielbild.“ Darüber hinaus ist es laut Gondorf wichtig, dass klar definierte Rollen und Verantwortlichkeiten beschrieben und gelebt werden.
Laut der Studie übernimmt die Geschäftsführung in diesem Sinne in 58 Prozent der Unternehmen die Priorisierung der neuen Geschäftsmodelle. Wichtig sei es, so Gondorf, Projekte neu zu bewerten und überfüllte Pipelines durch Projekte ohne strategischen Nutzen zu verhindern. Grundsätzlich gilt: „Fokussierung ermöglicht es den Mitarbeitern, bessere Leistungen zu erbringen. Werden klare und greifbare Rahmenbedingungen gesetzt, finden sie auch ihren Weg durch die Transformation.“ (sg)
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