Entsorgung

Deutschland versinkt im Elektroschrott

In einem Gastbeitrag kritisiert Alba-Chef Eric Schweitzer, dass das seit 2018 gesetzlich vorgegebene Sammelziel für Elektroschrott verfehlt wird. Es geht auch anders, wie das Beispiel der Schweiz zeigt.
28.10.2022

Eric Schweitzer ist Inhaber und CEO der Berliner Alba Group.

 

Im Sommer gab es mehrere Brände bei Entsorgungsfirmen. Altpapier oder Verpackungsabfälle fingen Feuer, ganze Lagerhallen wurden zerstört. Nicht nur bei Alba, nicht nur im Süden Deutschlands. Die Ursache für die Brände waren jeweils die Akkus falsch entsorgter Elektrogeräte.

Die Menschen werfen ihre alten Handys oder Laptops vermehrt und verbotenerweise in die schwarze, gelbe und sogar in die blaue Tonne. Aus Unwissenheit, Faulheit oder Absicht. Deutschland steht hier vor einem großen Recyclingproblem, das tatsächlich brandgefährlich ist – und größer wird.

Nicht einmal alte Sammelquote wird erreicht

Denn die Massen an elektronischem Abfall steigen immer stärker an – in den vergangenen Jahren etwa dreimal schneller als die Weltbevölkerung, so die Berechnungen der International Solid Waste Association. Schon im Jahr 2003 hat die Europäische Union eine Sammelquote eingeführt, um das Recycling von elektronischen Abfällen zu forcieren.

Diese Sammelquote von 45 Prozent des Abfallstroms kann in vielen Ländern allerdings nicht erreicht werden. Auch in Deutschland nicht: Zu wenige Altgeräte werden vom Konsumenten richtig entsorgt, zu viele landen weiter in der Restmülltonne. Oder beim Altpapier oder bei den Verpackungsabfällen, wo sie dann in Brand geraten, wenn Müllpresse oder Sortiermaschinen beispielsweise den fest verbauten Akku eines weggeworfenen Handys beschädigen.

Umsetzung der EU-Vorgaben floppt

Ziel der EU-Sammelquote wäre es, mehr Altgeräte einzusammeln, um wertvolle Metalle und andere Rohstoffe aus Smartphones, Laptops oder auch alten Toastern und Wasserkochern zu recyclen. Im deutschen Elektrogerätegesetz wurde die Quote im Jahr 2019 sogar von 45 auf 65 Prozent für alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union erhöht.

Laut Eurostat sind „Daten über diese Abfallströme (…) erforderlich, um wirksam überwachen zu können, ob die Mitgliedsstaaten die in den Richtlinien festgelegten Ziele erfüllen.“ Doch: Wer das Ganze wirksam überwacht, ist fraglich. Wird die Sammelquote nicht erreicht, passiert auf EU-Ebene: nichts.
Die Kritik von Umweltschutzorganisationen ist daher groß: Insgesamt erreichte die Bundesrepublik zwischen den Kalenderjahren 2018 und 2020 nie das festgelegte Sammelziel bei Elektro- und Elektronikschrott. So stagniert die Sammelquote laut Umweltbundesamt und Statistischem Bundesamt in den letzten Jahren bei etwa 44 Prozent. Wie die erhöhte Quote von 65 Prozent zu erreichen ist, bleibt daher mehr als fraglich.

Rückgaberegelungen funktionieren nicht

Auch der nächste Anlauf des Gesetzgebers droht zu scheitern. Seit Inkrafttreten des neuen Elektrogerätegesetztes am 1. Januar 2022 können Verbraucher ihre defekten und ausrangierten Geräte auch im Discounter und Supermarkt zurückgeben. Die betroffenen Geschäfte hatten bis Juli 2022 eine Übergangszeit, diese Regelung umzusetzen. Stichproben von Alba zeigen, dass kaum ein Discounter Rückgabestellen für die Kunden eingerichtet hat.

Für die neue Rückgabemöglichkeit wurde und wird noch immer nicht geworben. Arbeitet man nicht in der Abfallbranche oder benachbarten Berufsfeldern, wird man kaum etwas von der Rückgabereform mitbekommen haben.

Best Practice im Nachbarland

Die ursprüngliche Idee, das Rückgabenetz für E-Schrott zu erweitern, ist ein guter Ansatz. Damit die Umsetzung gelingt, müssen Händler aber mehr in die Pflicht genommen und Filialleiter der Discounter zu Rückgabestellen gedrängt werden. Letztendlich muss auch der Endverbraucher die neue Rückgabemöglichkeit vermittelt bekommen. Andernfalls tut sich nichts.

Wie es gehen könnte, zeigt einer unserer Nachbarn: Die Schweiz erzielte im Jahr 2019 eine E-Schrott-Sammelquote von insgesamt 95 Prozent. Besonders auffällig: das dichte Abgabenetz für den Elektroschrott. Über 600 offizielle Sammelstellen stehen dem Endkonsumenten für die Rückgabe von Altgeräten zur Verfügung. Hinzu kommen über 6000 Rückgabepunkte im Handel.

Besseres Konzept

Zudem zahlen die Endkonsumenten in der Schweiz beim Kauf eines neuen Elektrogeräts eine vorgezogene Recyclinggebühr. Diese sorgt dafür, dass bei der Entsorgung alter Geräte keine separaten Kosten anfallen.

Deutschland ist von einem effektiven System hingegen noch weit entfernt. Über Wertstoffhöfe, große Onlinehändler oder Handelsgeschäfte und seit neustem auch über Discounter, lassen sich zwar die ausrangierten Geräte entsorgen: Die Annahmepflicht wird aber häufig verschwiegen – oder sogar verweigert. Das zeigen etwa Testbesuche der Deutschen Umwelthilfe (DUH) in Elektrofachmärkten: 25 von 55 untersuchten Märkte beachteten die Rücknahmepflicht für E-Schrott nicht.

Viele Smartphones in der Schublade

Viele Kommunen machen es ihren Bürgern auch extra schwer: Wertstoffhöfe sind wegen kurzer Öffnungszeiten und räumlicher Entfernung kein attraktiver Abgabeort. Die Folge: Über 140.000 Tonnen E-Schrott landen laut Naturschutzbund jährlich fälschlicherweise und brandgefährlich im Restmüll.

Außerdem schlummern mehr als 200 Millionen nicht mehr funktionstüchtige Smartphones in deutschen Schubladen, so der Branchenverband Bitkom, und damit Tausende Tonnen an Kobalt, Gold, Kupfer und anderen wertvollen Rohstoffe.

Recycling als Ressourcenquelle

Erst im August forderte Bundeskanzler Olaf Scholz die vermehrte Wiederverwertung alter Elektro- und Elektronikgeräte, um Europa künftig unabhängiger von Rohstoffen aus dem Ausland zu machen. E-Schrott könnte zukünftig ein wichtiger Eckpfeiler für die Wirtschaft innerhalb Europas sein, so Scholz. (hp)