Entsorgung

EU-Konformität in Kläranlagen

Welche zusammengesetzten Betriebseinrichtungen benötigen eine CE-Erklärung? Diese Frage hat die Stadtentwässerung und Umweltanalytik Nürnberg (SUN) untersucht.
08.05.2023

Die Nürnberger Kläranlagen behandeln jährlich ca. 67 Mio. Kubikmeter Abwasser.

 

EU-Konformitätserklärungen (CE) sind verbindliche Aussagen der Hersteller, dass die bereitgestellten Produkte den Anforderungen der Europäischen Union entsprechen. Für bestimmte technische Erzeugnisse sind diese Herstellererklärungen verbindlich und in EU- Richtlinien geregelt.

Eine häufig gestellte Frage ist: „Sind die Richtlinien auch für Maschinen und Anlagen anzuwenden, die der Arbeitgeber selbst errichtet und auf eigenem Betriebsgelände betreibt?“ Die Antwort lautet „ja“, denn genau das fordert die Betriebssicherheitsverordnung (§5(3) Satz3).

Definition der Anwendungsbereiche

Für Betreiber von kommunalen Kläranlagen ist es so, dass diese die für den Betrieb vorgesehenen technischen Komponenten zwar nicht selbst herstellen, aber selbst oder in eigener Regie zu komplexen Anlagen zusammenbauen.

Wie ist nun eine so errichtete Gesamtanlage zu betrachten? Muss für den gesamten Wasserweg vom Einlauf bis zum Auslauf die EU-Konformität als Ganzes hergestellt werden? Und wenn nein, gilt dies vielleicht für Teilbereiche innerhalb dieser Gesamtanlage?n

Um diese Fragen zu beantworten hat die Stadtentwässerung und Umweltanalytik Nürnberg (SUN) ihre Betriebsanlagen in den Klärwerken der Stadt Nürnberg hinsichtlich ihrer produktions- und sicherheitstechnischen Wechselwirkungen in einer internen Untersuchung mit Hilfe eines Fachberaters betrachtet und eine Abgrenzung vorgenommen, welche Anlagenbereiche im Sinne der CE als Ganzes zu betrachten sind (im Folgenden als Gesamt-CE bezeichnet) und welche nicht.

Vorgehensweise

Zunächst erfolgte eine Identifizierung der wichtigsten Prozessschritte und der damit verbundenen Maschinen und Komponenten. Insbesondere die aufeinanderfolgenden Komponenten wurden hinsichtlich folgender Aspekte im Sinne der Maschinenrichtlinie betrachtet:

  1. Welche der Komponenten bilden eine Liefereinheit und müssen daher bei Bedarf seitens des Herstellers oder Lieferanten eine CE mitbringen? Damit werden die Einheiten ausgeschlossen, wofür andere die Herstellerverantwortung tragen.
  2. Welches sind Altanlagen, die vor dem Inkrafttreten der jeweiligen Richtlinien beschafft wurden? Alt-Anlagen, die vor dem Inkrafttreten der CE-Richtlinien errichtet wurden, benötigen keine CE, müssen aber ggf. in Bezug auf den Stand der Technik überprüft werden.
  3. Welche Komponenten, die keine Liefereinheit bilden, können nur gemeinsam eine Aufgabe erfüllen und sind somit als funktionale Einheit zu betrachten? Dies könnten ganze Prozesswege sein (z.B. Wasserweg, Schlammweg oder Gasweg) oder innerhalb dieser Wege abgeschlossene Komponenten, wie z.B. Krählwerke, Räumerbrücken, Dosieranlagen. Hinzu kommen funktionale Einheiten die in allen Prozesswegen Anwendung finden z.B. Schieberanlagen, Pumpstände.
  4. Welche dieser funktionalen Einheiten bilden eine Gesamtheit von Maschinen? Kennzeichen für eine Gesamtheit ist, dass ein produktionstechnischer und ein  sicherheitstechnischer Zusammenhang gegeben ist. Dieser Zusammenhang wurde mit Hilfe von Wechselwirkungsmatrizen je funktionale Einheit dargestellt.
  5. Welches sind unvollständige Maschinen, die zu vollständigen zusammengesetzt werden? Für unvollständige Maschinen wird keine CE benötigt, jedoch eine Einbauerklärung des Herstellers.

Die hier angegebenen Schritte beschränken sich auf die Bewertung der maschinellen Aspekte und damit der Maschinenrichtlinie. Bei der Betrachtung ergab sich, dass andere Richtlinien (z.B. Druckgeräterichtlinie) nur selten der bestimmende Faktor bei der Frage der Gesamt-CE waren.

CE für den gesamten Prozessweg – nicht erforderlich

Für keine der hier betrachteten Prozesslinien (Wasserweg, Schlammweg und Gasweg) konnte die Notwendigkeit einer Gesamt-CE für die komplette Linie festgestellt werden. Erforderlich dafür wäre der produktionstechnische und sicherheitstechnische Zusammenhang. Im Interpretationspapier zum Thema „Gesamtheit von Maschinen“ (BMAS v. 5.5.2011) Kap. 2 heißt es: Bei Anwendung ... auf industrielle Großanlagen kann zwar häufig der produktionstechnische Zusammenhang bejaht werden aber nicht der sicherheitstechnische …

Diese Aussage konnte in Bezug auf die Kläranlagen der SUN bestätigt werden. Dies sei am Beispiel des Hebewerks am Einlauf und der anschließenden Rechenanlage erläutert: Der funktionale Zusammenhang ist unstrittig, da ohne das Funktionieren des Hebewerks kein Wasser am Rechen ankommt und damit der Rechen seine Funktion nicht erfüllen kann.

Ein sicherheitstechnischer Zusammenhang besteht jedoch nicht: Liefert das Hebewerk mit seiner Transportschnecke zu wenig Wasser, bedeutet das keinen Einfluss auf die Sicherheit des Rechens, es sei denn der Rechen müsste zur Sicherheit vom gleichen Wasser gekühlt werden. Das ist jedoch nicht der Fall. Dass zu viel Wasser gehoben wird ist auszuschließen, da die Leistung der Transportschnecke durch inhärente Konstruktion begrenzt ist.

CE für funktionale Einheiten – fallweise erforderlich

Von den betrachteten funktionalen Einheiten gibt es hingegen sehr wohl Gesamtheiten, die auch bei eigenem Zusammenbau CE-Anforderungen erfüllen müssen.
Beispiel Belüftungseinrichtung: Über die Düsen in einem Rührwerk erfolgt die Eindüsung von Sauerstoff in ein Hochlastbelebungsbecken. Die zugehörigen Komponenten Antrieb mit Getriebe, Rührwerk, O2-Eindüsung und Steuerung bilden eine Gesamtheit von Maschinen.

Weitere Beispiele für Einheiten, die sich als Gesamtheiten von Maschinen herausgestellt haben sind:

  • Räumerbrücke mit Antrieb (Getriebe), Fahrwerk, Kabelführungen und Räumer inkl. der Hebevorrichtungen der Räumer. Reinigungselemente (z.B. Bürstenreiniger für die Laufflächen) oder Aufbauten mit sekundären Elementen (z.B. Messeinrichtungen) sind hingegen nicht Teil der Gesamtheit.
  • Krählwerk mit Antrieb (Getriebe), Zahnkranz, Gatter, Schmierölversorgung und Steuerung
  • Schlammzerkleinerer mit Antrieb (Getriebe), Zerkleinerungswerk und Steuerung

Die Ergebnisse sind auf die speziellen Verhältnisse (hier die Kläranlagen der Stadt Nürnberg) bezogen. Andere Kläranlagenbetreiber können daher zu anderen Ergebnissen kommen.

Fazit

Kommunale Kläranlagen müssen wohl nicht befürchten, die EU-Konformität für ganze Prozesslinien nachweisen zu müssen. Trotzdem ist zu erwarten, dass eine Reihe von typischen Einrichtungen Gesamtheiten von Maschinen darstellen. Dies kann bedeuten, dass für diese Einrichtungen Anforderungen der Maschinenrichtlinie zu überprüfen sind. Um den Betreiberpflichten nachzukommen, ist zu empfehlen, systematisch zu untersuchen, welche der Betriebseinrichtungen von einer Gesamt-CE betroffen sind. (hp)

Gastbeitrag von Eva Peter und Sebastian Bärthlein, SUN Stadtentwässerung und Umweltanalytik Nürnberg, und Kuno Karsten, sigeusCS GmbH