Hessische Kommunen treiben dezentrale Energieversorgung voran
Das Land Hessen will bis zum Jahr 2050 seinen Energiebedarf zu 100 Prozent aus regenerativen Quellen gewinnen. Eine Etappe auf dem Weg dorthin: Bis 2019 soll im Stromsektor der Öko-Anteil 25 Prozent betragen. Ob das Ziel wie geplant erreicht worden ist, wird sich nach Angaben des Wirtschaftsministeriums voraussichtlich erst im Frühjahr sagen lassen, wenn alle Daten vorliegen. Vor einem Monat zeigte sich Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) zuversichtlich, dass Hessen dem Ziel "zumindest sehr nahe" kommt.
Die schwarz-grüne Koalition will in der Mitte Januar beginnenden neuen Legislaturperiode an den Etappen zur Energiewende festhalten. "Die in Hessen beschlossenen Ziele zur Reduzierung klimaschädlicher Emissionen um 40 Prozent bis 2025 und zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2050 sind dabei verbindlich", heißt es im neuen Koalitionsvertrag.
Kirchhain versorgt sich komplett mit Ökostrom
Viele Kommunen gehen auf diesem Weg schon voran und suchen nach dezentralen Lösungen. Das mittelhessische Städtchen Kirchhain zum Beispiel hat es nach eigener Rechnung innerhalb weniger Jahre geschafft, den benötigten Strom komplett aus erneuerbaren Energiequellen zu beziehen. "Das ist nicht so schwer zu erreichen", meint Bürgermeister Olaf Hausmann (SPD) – sofern man die Bürger mitnehme, Raum für Privatinitiativen schaffe und Fördermöglichkeiten nutze. Mittlerweile produzieren demnach auf städtischem Gebiet diverse Anlagen den Öko-Strom, insbesondere Windräder, aber auch Sonnenkollektoren oder Wasserkraftwerke.
Landesweit gehen Kommunen, Investoren und private Initiativen diverse Projekte an, um vor Ort die Energiewende umzusetzen. Windräder – gegen die allerdings häufig Naturschützer und Bürger Sturm laufen – spielen dabei eine wichtige Rolle. Hinzu kommen zahlreiche Photovoltaikanlagen, die Sonnenkraft nutzen, oder Biomassekraftwerke.
"Bioenergiedörfer" von engagierten Bürgern getragen
Solche Anlagen versorgen hier und dort bereits ganze Ortschaften, die sich dann gern "Bioenergiedörfer" nennen. Getragen, geplant und umgesetzt werden diese Vorhaben meist von engagierten Bürgern und Genossenschaften, zum Beispiel in Cölbe-Schönstadt (Kreis Marburg-Biedenkopf), Alsfeld-Lingelbach (Vogelsbergkreis) oder Willingshausen-Wasenberg (Schwalm-Eder-Kreis). Auch in Kirchhain wurden in mehreren Ortsteilen Genossenschaften ins Leben gerufen, um Nahwärme aus Biogasanlagen zu gewinnen.
Die Kommune unterstützt zudem sogenannte Bürgersonnenkraftwerke. Rathauschef Hausmann erklärt die Idee dahinter: Die Stadt stellt Dachflächen öffentlicher Gebäude wie Feuerwehr- und Dorfgemeinschaftshäuser zur Verfügung, auf denen Photovoltaikanlagen installiert werden. Bürger können dann Sonnenmodule kaufen oder mieten, um die Umsetzung kümmert sich ein Verein.
Eigenes Areal für Windenergie ausgewiesen
Das Projekt sei ein Erfolg, die Nachfrage größer als die zur Verfügung stehenden Dachflächen – auch dank des lokalen Bezugs und der Identifikation mit dem eigenen Wohnort. "Das ist etwas, wo wir die Bürger mitnehmen können", meint Hausmann. Diese könnten so an der Energiewende im eigenen Stadtteil teilhaben und hätten einen direkten Nutzen davon. Die wichtigste Quelle zur Erzeugung von Öko-Strom sei aber die Windenergie. Für die Anlagen hat die Stadt ein eigenes Areal ausgewiesen.
Angesichts knapper Kassen kann Kirchhain nach den Worten von Bürgermeister Hausmann vielfach nur Rahmenbedingungen und Anreize für die Energiewende schaffen – so dass dann private Investoren oder Initiativen Projekte wie die "Bürgersonnenkraftwerke" und Windparks umsetzen. Wichtig für die Kommune sei zudem, vorhandene Fördertöpfe zu nutzen. "Das Invest der Stadt Kirchhain ist immer sehr stark davon abhängig, welche Fördermittel es gibt."
Bei der Wärmewende ist noch viel zu tun
Es bleibt noch viel zu tun, das zeigt auch der Stand der Energiewende in Kirchhain: Zwar werden im Stadtgebiet rechnerisch 100 Prozent des Strombedarfs regenerativ erzeugt, doch bei der Wärmegewinnung sei man noch nicht so weit, berichtet Bürgermeister Hausmann. "Da ist, glaube ich, der Weg für die Kommunen noch relativ weit. Das Ziel ist noch lange nicht erreicht." (dpa/hil)