Karriere

Damit die Arbeit auch mit 55plus attraktiv bleibt

Viele Ältere wollen weiterarbeiten. Allein von den 80.000 Menschen, die aktuell monatlich in Rente gehen, könnten vermutlich zehn bis 15 Prozent weiter im Job bleiben. Auch für die Energieversorger ist das Thema hochaktuell.
23.04.2024

Die enormen Erfahrungen und eine oft exzellente Ausbildung der Älteren sind begehrt.

Die Generation Babyboomer geht in den Ruhestand – in Zeiten des Fachkräftemangels eine Herausforderung für viele Unternehmen. Was müssen Firmen also tun, damit ältere Beschäftigte sich wohlfühlen und im Unternehmen bleiben? Die BGHW lud zum Extertengespräch ein: André Schleiter, Projektleiter im Programm "Nachhaltige Soziale Marktwirtschaft" der Bertelsmann-Stiftung, im Austausch mit Anne Brüne, Senior-Beraterin bei "Great Place to Work".

Diversität über die Generationen hinweg

Laut Brüne geht der Trend weg von den schablonenhaften Generationsstereotypen und hin zu den Altersgruppen, die vielfältig und divers sind. Die Effekte von Alter oder von Beschäftigungsdauer sind demnach aussagekräftiger. Schleiter stimmt zu: „Die Unterschiede und Erfahrungen innerhalb eines Jahrgangs sind einfach zu groß.“

Er ist auch der Meinung, dass man genauer bei den Arbeitgebern hinschauen sollte: „Bei den 55- bis 65-Jährigen sehen wir aktuell eine paradoxe Situation: Auf der einen Seite gibt es Großunternehmen, die in Krisenzeiten dazu neigen, meistens ältere Beschäftigte sozialverträglich abzubauen. Wenn dann Lücken im Personalbestand auftauchen, fällt es diesen Unternehmen schwer, plötzlich etwas für die Bindung älterer Fachkräfte zu tun.“

Auf der anderen Seite gebe es gerade kleinere Unternehmen, die versuchen, einen Experten oder eine Expertin um die 60 möglichst lange fit und gesund an Bord zu halten. „Diese Paradoxie in der Arbeitswelt ist ein ganz wichtiges Thema. Denn die Idealvorstellung, dass möglichst alle bis 67 gesund und fit arbeiten können und dürfen, entspricht nicht der Wirklichkeit“, gibt er zu bedenken.

Einstellung zur Arbeit maßgeblich

Brüne ist dennoch überzeugt: Das alte 70 ist das neue 60! Die Einstellung zu Arbeit und Freizeit ist schon lange keine Frage des biologischen Alters mehr. Ich kenne Menschen, die sagen selbstbewusst, mit 67 habe ich noch nicht das Ende der beruflichen Laufbahn erreicht.“

Eine Herausforderung für die Betriebe: Sie müssen Gesundheitsförderung oder Work-Life-Balance auf die aktuelle Lebenssituation dieser Altersgruppe ausrichten.

Und Brüne weiß, wie sich die Bedürfnisse der Menschen ändern: „Für Unternehmen, die viele junge Mitarbeitende haben, ist es wichtig, attraktive Karrierewege anzubieten sowie die Weiterentwicklung und das Networking zu fördern.“ Aber auch Spaß und Feiern seien wichtige Aspekte. Und in der Mitte des Berufslebens? Da sind Familienangebote und Führungsentwicklung wichtiger.

Unternehmen mit überwiegend älteren Beschäftigten sind laut der Beraterin vor allem dann stark, wenn der unmittelbare Zusammenhalt im Team gut unterstützt und gefördert wird, zum Beispiel in Form von Teambudgets oder Freistellungen für ehrenamtliche Projekte (CSR). Es geht auch um Sinnstiftung und das Sich-einbringen.

Dialogische Führung gefragt

Überzeugen können gemäß Schleiter die Qualität der Arbeitsbedingungen, die Arbeitsinhalte und das Führungsverhalten. Als Negativbeispiel nennt er einen Beschäftigten, der seit über 20 Jahren im Unternehmen die gleiche monotone und unbefriedigende Routinetätigkeit ausübt. Dieser sei vermutlich froh, wenn er möglichst früh in Rente gehen könne.

Eine Führungskraft müsse mit den Mitarbeitenden stattdessen im Dialog stehen: Was wünschen sich Ältere, um gesund und fit zu bleiben? Wie kann die Arbeit interessant bleiben? Denn wenn die Bedingungen nicht stimmen, verlassen sogar Jüngere schneller den Job.

Schleiter: „Oft ist es einfach fehlende Wertschätzung, die Beschäftigte frustriert und sie veranlasst, sich einen anderen Arbeitgeber zu suchen. Eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit wird dagegen durch eine menschenorientierte Unternehmensführung ausgelöst.“

Die Bindung steigt Richtung Rente

Für Brüne geht es zu einem großen Teil um die Themen Bindung und Engagement. Durch Befragungen kam sie zu dem Ergebnis: „Die 55- bis 65-Jährigen bewerten ihr Unternehmen positiver als andere Jahrgänge. Das tun auch jüngere Mitarbeitende, wenn sie in das Unternehmen eintreten, weil sie in der Regel noch nicht viele negative Erfahrungen im Unternehmensalltag gesammelt haben. In den mittleren Altersgruppen ist das Urteil getrübt von kritischen Rückschlägen während der Berufskarriere. Bevor es dann in die Rente geht, steigt die Zufriedenheit mit dem Unternehmen wieder an.“

Schleite ist überzeugt, es werden hier Potenziale zu wenig genutzt: „Viele wissen nicht, dass die Erwerbsbeteiligung im Alterssegment 60 plus aktuell am allerstärksten steigt.“ Wenn aber jemand weiterarbeiten wolle, müsse man ihm auch die Möglichkeit geben, mit reduzierten Zeiten zu arbeiten oder veränderte Aufgaben zu übernehmen. Dies könnte beispielsweise die Unterstützung Jüngerer in der Ausbildung sein.

„Diese erfahrenen Beschäftigten sind größtenteils exzellent ausgebildet und besitzen eine enorme Erfahrung“, so Schleite.

Gesundheitsförderung und Lebenslanges Lernen bei SachsenEnergie

Auch viele Energieversorger sehen dieses Potenzial. Auf die Frage nach der Bedeutung einer generationenübergreifenden Belegschaft antwortete Nora Weinhold, Presse- und Mediensprecherin von SachsenEnergie:

„Uns sind alle 3800 Mitarbeitenden jeden Alters sehr wichtig. Und deswegen versuchen wir als einer der größten Arbeitgeber Sachsens, möglichst vielfältig Flexibilität und Attraktivität für das gesamte #TeamSachsenEnergie zu schaffen. Dazu gehören die geregelte Tarifbindung und jährliche Sonderzahlungen, eine betriebliche Altersvorsorge sowie eine aktive Gesundheitsförderung und ein Gesundheitsmanagement mit Sport- und Gesundheitskursen für jedes Alter.

Des Weiteren schätzen unsere Mitarbeitenden das Jobticket für den Personennahverkehr sowie die Möglichkeit, die Arbeitszeit zeitlich als auch räumlich individuell zu gestalten, wenn es die Tätigkeit zulässt. So kann Arbeit und Freizeit, oder auch die Zeit mit Enkeln und Kindern, flexibel mit dem Job unter einen Hut gebracht werden.

Geht es dann Richtung Ruhestand, haben die Kolleginnen und Kollegen bei Bedarf die Möglichkeit, uns mit reduzierter Arbeitszeit weiterhin zu unterstützen. Darüber hinaus richtet sich unser breit angelegtes Bildungsangebot an alle Altersgruppen – ganz nach dem Motto #LebenslangesLernen.“ (bs)