Karriere

Demut: Warum sie Führungskräfte für die moderne Zeit fit macht

Die Tugend klingt zunächst altmodisch. Tatsächlich schneiden demutsvolle Manager aber besser ab, wie zahlreiche Studien belegen. Wie Stadtwerke-Chefs davon profitieren, erklärt die Beraterin und Autorin Franziska Frank in einem Gastbeitrag.
30.11.2022

Dr. Franziska Frank ist Visiting lecturer an der ESMT European School of Management and Technology Berlin. Sie bietet auch Beratung für Führungskräfte an.

Manche Dinge lassen sich nicht ändern, sondern man muss sie als Unternehmen einfach aushalten: gesellschaftliche tektonische Bewegungen oder auch Weltkrisen. Dennoch haben Führungskräfte etwas in der Hand, was sie und ihr Unternehmen differenzieren und im Umgang mit New Work, hybridem Führen und Mangel an Fachkräften stärken kann: Nämlich, wie sie führen.

Und da kommt Demut ins Spiel. Führen sie demutsvoll sind sie an all den genannten (und noch erheblich mehr) Fronten erfolgreich. Sollte Ihnen der Begriff nicht munden, können Sie es auch "Mature Leadership", "nachhaltiges Führen" oder "starke Führung" nennen. Der Name ist irrelevant. Nur das Konzept dahinter ist wichtig, das in mehr als 250 Studien mit über 35.000 Führungskräfte und Mitarbeitern seinen Wert für unsere Zeit bewiesen hat.

Worum geht es? Sich einen egofreien Blick vom Balkon zu schaffen und mit diesem bewusst zu agieren. Das heißt, die eigenen Stärken und Schwächen kennen und zeigen, wenn es für das größere Ganze (und nicht für das eigene Ego) wichtig ist. Anerkennen was andere tun und tun können, immer lernbereit und offen sein, sowie verstehen, dass und wie wir nur ein kleiner Teil eines größeren Ganzen sind.


Das klingt doch schon mal nach etwas Starkem und Mächtigen – und wird folglich von Mitarbeitern und Führungskräften als erstrebenswert angesehen. Egal, ob Sie 2.500 Mitarbeiter oder 400 Top Executives befragen - die Begeisterung ist gleich stark.

Warum hören wir aber nicht überall von solchen Führungskräften? Weil sich zwar ganze 80 Prozent der Führungskräfte für demutsvoll halten – dies aber nur 35 Prozent der Mitarbeiter so sehen.

Woher dieses große Delta? Weil die meisten Führungskräfte nicht die Stolpersteine auf dem Weg zur Demut gemeistert haben. Darunter sind:

  • Die Furcht, Fehler und Schwächen zuzugeben, weil die psychologische Sicherheit im Unternehmen nicht gegeben ist. Die Faulheit, Stärken zu zeigen und wirklich für das Gehirn der anderen Seite Verantwortung zu übernehmen sowie auch nicht diejenigen Konflikte zu scheuen, die für die Sache wichtig sind.
  • Das fehlende Wissen darum, dass Gehirne von Menschen mit höherem Status automatisch solche mit niedrigerem Status weniger wahrnehmen und tendenziell nie genug zum Wertschätzen finden. Gepaart mit unserer fehlenden Gewohnheit, andere anzuerkennen.
  • Die mangelnde Bereitschaft, den eigenen Mindset zu hinterfragen, der erlaubt, sich und andere in Schubladen zu stecken und vieles wie z.B. Führung, Charisma, Story-Telling, Empathie als nicht lernbar zu deklarieren. Obwohl die Forschung klar zeigt, dass sich alles zu jeder Lebenszeit aneignen lassen.
  • Der ungenügende Blick auf das größere Ganze, darauf wie wir in ihm stehen und wie stark jeder von uns abhängig ist. Folglich lassen wir uns vom Alltag fangen und ins Kleine ziehen.


Wer sich aber an die eigene Nase fasst und Demut trainiert, bringt Großes für die eigenen Mitarbeiter, das Unternehmen und sich selber zustande. Denn Mitarbeiter sind erheblich zufriedener mit Führungskräften, die sie anhand von 12 Fragen als demutsvoll eingeschätzt haben und sehen mehr Sinnhaftigkeit. Daraus erwächst eine höhere Motivation. Zudem fühlen sich Mitarbeiter fair behandelt und haben keinen Anlass, das Unternehmen zu verlassen. Andere Studien zeigen, dass dies gar gilt, wenn sie für die bestehende Stelle überqualifiziert sind und der Markt offen ist.

Auch im Bereich hybrider Führung schlagen sich demutsvolle Führungskräfte erkennbar besser. Selbst wenn hier an einigen Stellen auch bei ihnen noch etwas Luft nach oben ist, sind sie doch weit eher in der Lage effektiv zu führen, unabhängig davon, wo genau ihre Mitarbeiter sich befinden.

Enorm profitiert die Führungskraft davon, dass sie bessere Beziehungen mit den Mitarbeitern hat und folglich mehr Wissen über das, was gerade im Unternehmen passiert.

Das nutzt sie, um psychologische Sicherheit zu generieren. Und wie wir von der berühmten Forschung bei Google durch Harvard Professor Amy Edmondson wissen: Psychologische Sicherheit ist DER Schlüssel für Leistung, Innovation und offene Kommunikation!

Was bringt Demut noch? Erfolgreicheres Stakeholdermanagement. Denn eine Führungskraft muss nicht nur Mitarbeiter und die eigenen Vorgesetzen führen, sondern auch interne und externe politische Kräfte einbinden können. Auch hier schneidet die demutsvolle Führungskraft erheblich besser ab.

Wo stehen Sie also selbst? Schätzen Sie sich ein, indem Sie zuerst die folgenden Fragen für sich selbst beantworten. Seien Sie ehrlich zu sich.

Und nun, beantworten Sie die Fragen noch einmal. Aber stellen Sie sich vor, Ihre Mitarbeiter träfen sich gerade beim Kaffee, jemand würde diese Fragen stellen und die Gruppe käme auf einen Durchschnittswert.

Nun fallen die Antworten in den meisten Fällen schlechter aus, denn jetzt erkennen wir, dass wir vielleicht nur drei unserer zehn Mitarbeiter regelmäßig wertschätzen oder hauptsächlich einen kleinen Kreis von vertrauten Kollegen um Feedback bitten.

Ideal wäre, wenn Sie nun diesen Fragebogen an Ihre Mitarbeiter verteilen. Alles was über 4 von 5 liegt, ist demutsvoll und wird Ihnen die oben besprochene Ernte einfahren. Da gratuliere ich Ihnen. Und liegen Sie unter 4, mag es Sie beruhigen, dass sich Demut bestens lernen lässt. Die Forschung belegt, was schon Aristoteles wusste, dass sich jedwede Tugend lernen und zur Gewohnheit werden lässt. Was braucht es? Wissen, Willen und Übung und Übung, Willen und Wissen.

Ein paar Geschichten zur Inspiration für Demut gefällig?

  • Fehler zeigen: Satya Nadella CEO von Microsoft schickte allen Mitarbeitern eine E-Mail, um auf seinen katastrophalen Auftritt auf einer Konferenz hinzuweisen, wo er Undurchdachtes zu Frauen und Gehaltserhöhung gesagt hat.
  • Stärken zeigen: Markus Sontheimer, stellte sich als CIO bei DB Schenker seinen Kollegen vor: „Ich bin nicht euer Sklave. Die IT muss auf Augenhöhe mit dem Business sein.“ Einige Mitarbeiter waren bei dem Meeting dabei und waren schockiert. Kein CIO hatte jemals so deutlich gesprochen. „Aber ich musste mich zum Wohle der Abteilung und des großen Ganzen klar positionieren.“
  • Das größere Ganze erkennen: „Was ist hier meine Aufgabe als CEO? Nun, was immer einer meiner Mitarbeiter besser machen kann, das macht er oder sie. Was mir bleibt, ist dorthin zu gehen, wo es wehtut. Zu verstehen, was passiert ist, wie man helfen und wie man Probleme in Zukunft verhindern kann.“ (CEO, 6.600 Mitarbeiter)

Übrigens profitiert auch die Führungskraft selbst erheblich von ihrer Demut: Sie hat weniger Stress, bessere Beziehungen mit Mitarbeitern und wird auch von ihren Vorgesetzten als kompetenter angesehen.

Das ist doch noch ein weiterer Grund, das Thema genau jetzt und heute anzugehen. Bei Demut geht es nämlich immer auch um Sie. Denn wir haben alle nur ein Leben, da ist es doch Pflicht, dieses so stark und wertschaffend wie möglich zu führen! Und Demut ist ein mächtiger Hebel für Sie und andere zugleich!

Franziska Frank ist unter anderem Autorin von "Mit Demut zum Erfolg". Die zweite Auflage des Buches erscheint im Winter 2022/23.