„Der Einsatz für Vielfalt endet nie"
Die Stadtwerke Düsseldorf und die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) engagieren sich seit Langem für ein vielfältiges Unternehmen. Die Kampagnen haben Wirkung auf die Mitarbeitenden und auch auf die Kund*innen. Wo liegt die Verantwortung für gesellschaftliche Themen – als Unternehmen, aber auch als Individuum? Wie sieht das konkret im Arbeitsalltag aus und was gibt es noch zu tun?
Frau Zeller und Herr Pitschke, sollte sich HR für eine diskriminierungsfreie Unternehmenskultur engagieren?
Jenny Zeller: Auf jeden Fall. Gerade als öffentliche Unternehmen haben wir diese gesellschaftliche Verantwortung. Schon seit Jahren setzen wir uns für gelebte Vielfalt, Chancengleichheit und Inklusion in unserem Unternehmen ein. Dafür wurden wir bereits 2016 mit dem Max-Spohr-Preis ausgezeichnet.
Abseits dieser großen Verantwortung genügt aber schon der gesunde Menschenverstand, um sich für Vielfalt zu engagieren. Diverse Teams sind schlicht erfolgreicher. Das wissen wir aus vielen Untersuchungen – vor allem aber aus unserer täglichen Praxis. Und in Zeiten des Wettbewerbs um Fachkräfte können wir es uns auch gar nicht leisten, vorhandene Kapazitäten und Talente nicht zu nutzen.
Deshalb setzen wir in unserer aktuellen Recruiting-Kampagne bewusst und gezielt auf unsere Stärken als vielfältiges Unternehmen.
Carsten Pitschke: Jede und jeder hat eine gesellschaftliche Verantwortung – das erleben wir gerade in diesen Tagen in besonderer Weise, wo viele Menschen überall im Land ganz klar zeigen, dass Diskriminierung kein Raum gegeben werden darf.
HR – in diesem Fall noch treffender: „Personal“ – kommt im Unternehmen dabei eine besondere Funktion zu: Es geht um Personen, also unverwechselbare Menschen mit ihren ganz unterschiedlichen Hintergründen und eben auch Herkünften. Personal kann einen Beitrag dazu leisten, klarer herauszustellen, wie sehr wir im Unternehmen davon profitieren.
Sie ist kein „notwendiges Übel“, sondern macht uns aus. Alle Personalprozesse werden so gestaltet, dass von der Auswahl über die Entwicklung und Vergütung bis zur Freisetzung Diskriminierung ausgeschlossen ist. Gelebt werden kann die Vielfalt aber nur gemeinsam.
Wie kann Vielfalt ganz konkret in der Unternehmenskultur verankert werden und haben Sie bereits Maßnahmen ergriffen?
Jenny Zeller: Diversität ist für uns kein Projekt, sondern eine Grundhaltung, die wir mit der Unterzeichnung der Charta der Vielfalt bereits 2009 bekräftigt haben. Menschen aus mehr als 80 Nationen, verschiedener Kulturen und Religionen, unterschiedlicher sexueller Orientierung und aller Geschlechter, mit und ohne Behinderung und aus den diversesten Milieus prägen unser Unternehmen.
Durch unser betriebliches Diversity-Management fördern wir diese Vielfalt. Die Aktivitäten und Maßnahmen bilden ein Gesamtpaket, das auch den ganz praktischen Alltag aller Kolleg*innen mit einbezieht. Das reicht vom Beachten der Essgewohnheiten in unseren Kantinen bis hin zum Wahrnehmen kultureller Aspekte, wie etwa Feiertage. Das ist längst selbstverständlich.
Unsere Willkommenskultur zeigt sich auch an ganz praktischen Maßnahmen: zum Beispiel das seit sechs Jahren erfolgreiche Programm für geflüchtete Menschen zur Vorbereitung auf die Ausbildung. Inzwischen haben viele Kolleg*innen die Ausbildung bei uns erfolgreich bestanden und sind Teil unserer großen Familie.
Und natürlich positioniert sich die BVG mit ihrer großen Reichweite immer wieder auch öffentlich gegen Rassismus.
Carsten Pitschke: Die vielfältigen Angebote unseres Diversity Managements richten sich gegen alle Arten von Diskriminierung und stellen dabei Verschiedenartigkeit als Bereicherung heraus. So zum Beispiel unsere aktuelle Aktion „Was verbindest Du mit Vielfalt?“. In Fotoboxen an den verschiedenen Standorten unseres Unternehmens können die Beschäftigten allein oder als Teams dem Thema Vielfalt kreativ Ausdruck verleihen.
Unser letzter Diversity-Tag, der im „Feiertagskalender“ der Stadtwerke Düsseldorf mittlerweile fest verankert ist, machte vor allem auf Vorurteile und Unbewusstes in unserem Denken aufmerksam. Unter dem Label „Business Democracy Council“ bieten wir zudem hochkarätige politische Sensibilisierung und Bildung an. So bearbeiten wir das Thema also auf ganz unterschiedlichen Ebenen.
Wie reagieren Mitarbeitende und Kund*innen darauf?
Jenny Zeller: Die Resonanz auf unsere klare Haltung – und auch beispielsweise auf unsere aktuelle Recruiting-Kampagne – ist größtenteils positiv. Zur Wahrheit gehört aber auch: Wir sind mit unseren rund 16.000 Kolleg*innen ein Abbild unserer Stadt.
Ressentiments und Vorurteile bis hin zur Intoleranz – kurz, alles, was es in der Gesellschaft gibt, gibt es also auch bei uns. Das müssen wir sehen und damit müssen wir umgehen. Das heißt für uns auch: Der Einsatz für Vielfalt, Respekt und Weltoffenheit endet nie. Wir stellen uns dieser Aufgabe aus Überzeugung und mit vollem Einsatz. An jedem Tag.
Carsten Pitschke: Mitarbeitende engagieren sich in den verschiedenen Aktionen und nehmen oft an den Veranstaltungen teil, beteiligen sich differenziert in Diskussionsforen und zeigen so: Diversity ist kein verordnetes Thema, sondern wird von uns gelebt. Oft gehen Impulse zu neuen Initiativen von den Beschäftigten aus, das zeigt uns, dass „die Sache läuft“.
Ganz konkret messbare Ergebnisse und Feedbacks gibt es nach Aktionen mit größerer Breitenwirkung: So hatte der Einsatz des Stadtwerke-Logos in den Regenbogenfarben auf Social Media sehr positive Reaktionen bei Followern und Kund*innen ausgelöst.
Ein Erfolgsfaktor liegt unseres Erachtens in einer Kultur, in der auch Meinungen kontrovers diskutiert werden können und wir anerkennen, dass keiner vor dem Thema Diskriminierung ganz gefeit ist. Vom Kopf zum Herzen ist es oft ein langer Weg und keiner von uns wird bei dem Thema jemals wirklich „fertig“ sein.
Neue Kampagne #hrespect
Unter dem Motto „Love HR, hate Racism“ hat sich nun auch eine Gruppe von Personaler*innen in Deutschland zusammengetan und die Kampagne #hrespect gestartet. Ziel ist es, eine Informationsplattform zu bieten, die Austausch und Vernetzung fördert.
Mitinitiator Jess Koch betont: „Das Thema betrifft uns – klar – alle. Wenn man sich People und Culture auf die Fahne schreiben will, dann kommt man nicht drum rum, dafür zu sorgen, dass Diskriminierungen am Arbeitsplatz schlichtweg nicht vorkommen." Seine Mitstreiterin Andisheh Ebrahimnejad fügt hinzu: „Vielfalt vorzuleben ist das, was den Unterschied macht. Es darf nicht bei Slogans für die Unternehmensseite bleiben. Eine authentische und aufrichtige Integration im Arbeitsalltag braucht immer wieder Räume zur Reflektion. Es ist wichtig, ein Bewusstsein dafür zu schaffen.“ Hier könne man von- und miteinander lernen.
Bei den Stadtwerken Düsseldorf und der BVG geht man mit gutem Beispiel voran.
Die Fragen stellte Boris Schlizio