Karriere

Hoher Krankenstand rückt Gesundheitsmanagement in den Fokus

Mehr als ein Drittel der Beschäftigten hatte bereits in den ersten drei Monaten dieses Jahres mindestens eine Krankschreibung. Bei den Jüngeren war schon die Hälfte betroffen. Personalengpässe sind nicht nur im ÖPNV die Folge.
30.04.2024

Wie können Arbeitgeber dazu beitragen, das Immunsystem ihrer Beschäftigten zu stärken?

„Beim Krankenstand in Deutschland ist keine Entwarnung in Sicht“, kommentiert Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit, welche eine aktuelle Analyse durchgeführt hat.

Der Krankenstand lag im ersten Quartal 2024 bei 5,8 Prozent. In diesen zwölf Wochen fehlten bereits 38 Prozent der Beschäftigten mindestens einmal mit einer Krankschreibung. Jüngere Beschäftigte waren dabei häufiger betroffen als ältere: Bei den unter 20-Jährigen hatten 59 Prozent mindestens eine Krankschreibung, bei den über 60-Jährigen nur 33 Prozent. Bei den Jüngeren dauerte ein Krankheitsfall durchschnittlich 4,4 Tage, bei den Beschäftigten ab 60 waren es pro Fall im Durchschnitt sogar 18 Tage.

Erkältungswelle zeigt sich im Krankenstand

Insgesamt gingen die meisten Fehltage auf das Konto von Atemwegserkrankungen. Sie hatten einen Anteil von 26 Prozent am Krankenstand und verursachten 135 Fehltage je 100 Versicherte.

Ebenfalls sehr relevant für die Krankschreibungen waren Muskel-Skelett- und psychische Erkrankungen. Diese beiden Erkrankungsgruppen zeichneten für 88 beziehungsweise 77 Fehltage je 100 Versicherte verantwortlich.

„Nach Rekordwerten in den Jahren 2022 und 2023 haben sich die hohen Ausfallraten bei den Beschäftigten auch im ersten Quartal 2024 verfestigt. Die erhoffte und erwartete Trendwende ist in den ersten Monaten des Jahres nicht eingetreten. Deshalb bleibt das Thema Gesundheitsschutz und Gesundheitsmanagement für die Arbeitgeber wichtig und zentral", so Storm.

Ausfälle verursachen hohe Kosten

Aktuelle Daten aus dem Personalpanel des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) belegen, dass der hohe Krankenstand die betriebliche Gesundheitsförderung tatsächlich stärker in den Fokus rückt. "Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels sind die Maßnahmen ein wichtiger Baustein, um eine längere Erwerbstätigkeit zu fördern", betont Andrea Hammermann, IW-Expertin für Arbeitsbedingungen und Personalpolitik.

Der hohe Krankenstand sei nämlich für Arbeitgeber nicht nur ein großer Kostenfaktor, sondern lasse sich an vielen Stellen auch nicht mehr durch Vertretungsregelungen kompensieren. Lieferverzögerungen und Einschränkungen in dem Leistungsangebot seien die Folge, welche die Kundinnen und Kunden in vielen Bereichen wie im öffentlichen Nahverkehr deutlich zu spüren bekommen, so Hammermann weiter.

Mehr als nur Sportkurse

Im Rahmen des IW-Personalpanels wurden Unternehmen in Deutschland konkret danach befragt, welche Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung sie derzeit anbieten. Hammermann: “Für Arbeitgeber ist neben den gesundheitsförderlichen Effekten auch die Arbeitgeberattraktivität ein Motiv für Angebote.“ Welche Maßnahmen angeboten werden, richte sich folglich nach den Bedarfen und Wünschen in der Belegschaft bzw. der Zielgruppe an potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern.

Betriebliche Gesundheitsförderung wird laut der Wissenschaftlerin häufig mit Sportkursen assoziiert. Diese sind jedoch vor allem in größeren Unternehmen mit 250 Mitarbeitern und mehr verbreitet. Am häufigsten investieren Unternehmen hingegen in eine gesundheitsförderliche Arbeitsplatzgestaltung, die ergonomischen Kriterien folgt.

Autonomie soll entlasten

Ebenfalls häufig werden in den Unternehmen Entscheidungsspielräume für die Beschäftigten geschaffen, um ihre Arbeit zeitlich selbst zu planen und einzuteilen. Autonomie als Instrument zur Gesundheitsförderung scheint besonders für Beschäftigtengruppen wichtig, deren Arbeit nicht gut vorausplanbar ist und die über die nötigen Kompetenzen verfügen, selbst einzuschätzen, wie sie ihre Arbeit effektiv und belastungsreduzierend erledigen können.

Laut Hammermann verwundert es auch nicht, dass Unternehmen mit einem höheren Anteil an Hochqualifizierten häufiger Entscheidungsspielräume als Instrument der Gesundheitsförderung nutzen. Ein Effekt der Unternehmensgröße zeige sich im Unterschied zu den sonstigen Maßnahmen hingegen nicht.

Gesundheitsförderung ist Führungsinstrument

Die Wissenschaftlerin weiter: "Führungskräfte haben in der Organisation häufig maßgeblichen Einfluss sowohl im positiven wie auch negativen Sinne auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Beschäftigten.“

So sensibilisierten zwei Drittel der Unternehmen ihre Führungskräfte für einen gesundheitsförderlichen Führungsstil: Mit organisatorischen und strukturellen Anpassungen, wie der Überprüfung von Aufgabenprioritäten oder dem Aufbau von Stellvertretersystemen, schaffen Arbeitgeber Entlastungen bei Auftragsspitzen und sorgen für Ausfall- und Urlaubszeiten vor. Denn gerade in Zeiten betrieblicher Veränderungen sei eine klare Ressourcenzuteilung besonders wichtig, meint Hammermann.

Unternehmen, die einen starken Einfluss der Digitalisierung in den kommenden fünf Jahren sehen, setzen dabei häufiger auf die Umverteilung von Aufgaben und Entscheidungsspielräumen.

Resilienz in Krisenzeiten

Geopolitische Verwerfungen, Pandemie, Klimawandel und hohe Inflation – in den letzten Jahren kamen viele Krisen zusammen, die Ängste auslösen können und auch in die Arbeitswelt hineinwirken. Laut Hammermann bietet rund jedes vierte Unternehmen bereits Stress- oder Resilienztrainings an.

Diese Trainingsmaßnahmen sind jedoch nur ein Ansatzpunkt, um Beschäftigten zu helfen, mit Krisen und Unsicherheiten bestmöglich umzugehen. Unterstützend wirken laut den Untersuchungsergebnissen insbesondere gerade auch: Ein gutes Betriebsklima, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Führungskraft und eigene Handlungsspielräume.

Hammermann: „Die aktuellen Befunde aus dem IW-Personalpanel zeigen, wie verbreitet und breit aufgestellt das betriebliche Engagement zur Gesundheitsförderung in Deutschland ist. Eine sinnvolle betriebliche Investition, um sich nachhaltig krisenfest aufzustellen.“ (bs)