Frustfaktor Personalengpass
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat die Folgen des Personalengpasses für die Beschäftigten untersucht. Aktuelle Auswertungen der IW- Beschäftigtenbefragung 2023 zeigten: Rund 6 von 10 Befragten erleben personelle Engpässe in ihrem direkten Arbeitsumfeld. In unterbesetzten Belegschaften verteilt sich die Arbeit dann auf weniger Köpfe.
Trotz der vielfältigen Krisen und der aktuell schwächelnden Konjunktur bleibt der Fachkräftemangel auf hohem Niveau. Das hat weitreichende Folgen für Unternehmen und wirkt sich auch unmittelbar auf die Beschäftigten aus: Firmen müssen Aufträge ablehnen, Investitionen in Weiterbildung zurückstellen, steigende Kosten für Rekrutierung stemmen oder können Wachstumspotenziale nicht erschließen. Für die Beschäftigten geht dies mit einer Mehrbelastung einher.
Auch Urlaub wird verschoben
Die Studie belegt: Bei Personalengpässen leisten die betroffenen Beschäftigten deutlich mehr Überstunden. Zudem übernehmen sie zusätzliche Aufgaben, die nicht ihrer eigentlichen Tätigkeit entsprechen oder die auch von geringer qualifiziertem Personal übernommen werden könnten. Die Folgen: Aufgaben werden weniger sorgfältig erledigt. Manchmal werden Aufträge und Projekte aus Zeitmangel gar nicht mehr angegangen.
Selten, aber doch häufiger als andere, müssen diese Beschäftigte Aufgaben übernehmen, für die sie nicht qualifiziert sind. Auch Weiterbildungen, Urlaub oder freie Tage werden verschoben oder ganz gestrichen.
Arbeitszufriedenheit sinkt
Die Mehrbelastung hinterlässt Spuren: Betroffene Beschäftigte sagen deutlich seltener, dass ihnen ihre Arbeit Freude bereitet und in ihren Betrieben ein gutes Arbeitsklima herrscht. Allerdings stimmen bei beiden Fragen immer noch mehr als zwei Drittel der Beschäftigten zu. Sie berichten häufiger über Stress bei der Arbeit und auch darüber, dass sie in ihrer Freizeit nicht abschalten können. Ausgeprägter ist auch die Angst, die eigene Arbeit nicht zu schaffen.
Auch Entwicklungsmöglichkeiten in ihrem Unternehmen sehen sie seltener. Beschäftigte mit Personalengpässen im direkten Arbeitsumfeld suchen häufiger nach alternativen Arbeitsmöglichkeiten, was auf eine allgemeine Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation hindeutet.
Den Teufelskreis durchbrechen
Es ergibt sich Handlungsbedarf für Unternehmen. Sie sollten hier möglichst schnell gegensteuern, sonst droht ein Teufelskreis. Denn Personalengpässe führen auch zu häufigeren Gesundheitsproblemem und höheren Krankenständen bei Betroffenen, wie die Studie mit Verweis auf Daten der DAK zeigt. Die Forschenden betonen: Wird das Problem nicht aktiv angegangen und gemeinsam mit den Beschäftigten nach Lösungen gesucht, droht die Abwanderung des vorhandenen Personals und damit eine Verschärfung der Personalengpässe in Unternehmen.
In den kommenden Jahren wird der demografische Wandel – insbesondere die bevorstehenden Eintritte der sogenannten „Babyboomer“-Generation in den Ruhestand – den Druck weiter erhöhen. Gleichzeitig steigen die Anforderungen durch die digitale und ökologische Transformation der Wirtschaft.
Konkrete Maßnahmen einleiten
Unternehmen sollten alle Möglichkeiten einer effizienten Arbeitsorganisation ausschöpfen. So können individuelle Absprachen in Teams oder intelligente Schichtmodelle die Belastungen der Beschäftigten niedriger halten. Urlaube sowie Weiterbildungen sollten nur im äußersten Notfall verschoben werden. Sie sichern Produktivität und Perspektiven der Beschäftigten, um sie so motiviert bei der Arbeit und langfristig im Unternehmen zu halten.
Denn immerhin ein Drittel der von Personalengpässen betroffenen Beschäftigten sucht nach alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten. Wenn die Qualität der Leistungen dauerhaft leidet und Aufträge wiederholt abgelehnt werden, kann dies zum Geschäftsrisiko werden.
Quereinsteiger können unterstützen
Wenn möglich, sollten Firmen ihre Beschäftigten durch weiteres Personal entlasten. Sind Fachkräfte mit der benötigten Qualifikation nicht auf dem Arbeitsmarkt zu finden, könnten zumindest Beschäftigte für einfache Tätigkeiten und Zuarbeiten rekrutiert werden. Ein Quereinstieg aus anderen Berufsfeldern und Branchen oder auch der Einsatz von angelernten Beschäftigten würde zu einer Entlastung der vorhandenen Fachkräfte führen. Nach Einschätzung der Forschenden könnte dies die Qualität der Leistungen sichern und die Arbeitszufriedenheit erhöhen.
Die Digitalisierung von Prozessen und der Betriebsabläufe zur Entlastung der Beschäftigten wird ebenfalls empfohlen. Denkbar ist die Unterstützung von Produktionsschritten durch Roboter oder die digitale Erledigung von Dokumentations- und Verwaltungsaufgaben wie der Rechnungsstellung.
Die Forschenden raten zu zeitnahen Maßnahmen: Denn Personalengpässe sind nicht nur eine Bremse für die Wirtschaft, sondern eben auch eine nicht zu unterschätzende Belastungsprobe für die Beschäftigten. (bs)