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Private WhatsApp-Gruppenchats sind kein rechtsfreier Raum

Deshalb müssen Unternehmen zum Schutz ihrer Mitarbeitenden eventuell Maßnahmen ergreifen. Das Bundesarbeitsgericht hat nun Kriterien dafür herausgearbeitet. Gastbeitrag von Nicole Elert und Fabienne Richarz von PwC.
02.11.2023

Auch wenn eine Kommunikation in einer kleinen und vermeintlich geschlossenen Gruppe erfolgt, müssen Arbeitnehmer damit rechnen, dass unangemessene Äußerungen nicht folgenlos bleiben.

Die Kommunikation in privaten WhatsApp-Gruppen unter Arbeitskolleg:innen ist nicht immer vertraulich und kann bei unangemessenen Inhalten zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen bis hin zu einer außerordentlichen Kündigung führen. Auch wenn die Kommunikation in einer kleinen und vermeintlich geschlossenen Gruppe erfolgt, müssen Arbeitnehmer:innen damit rechnen, dass unangemessene Äußerungen über Vorgesetzte und Arbeitskollegen/-innen nicht folgenlos bleiben.

Laut einer Pressemitteilung hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 24. August 2023 nun erstmals Kriterien herausgearbeitet, wann sich Mitarbeitende bei ehrverletzenden Äußerungen in vermeintlich privaten digitalen Kanälen, sogenannten „geschützten Räumen“, auf das Argument der Vertraulichkeitserwartung stützen dürfen und wann nicht.

Wie so oft, gibt es auch hier kein „null oder eins“, sondern das BAG hat verschiedene Kriterien herausgearbeitet, wann anscheinend Privates auch wirklich privat ist und wann nicht. Damit hat das Urteil weitreichende Folgen für die Kommunikation am Arbeitsplatz, die Fürsorgepflicht von Arbeitgeber:innen bis hin zur Freizeit beim vermeintlich privaten Umgang mit digitalen Medien aller Beschäftigten.

  • Nicole Elert, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht, Partnerin der PricewaterhouseCoopers GmbH WPG

Fristlose Kündigung des Arbeitnehmers

Eines der Gruppenmitglieder zeigte den Chatverlauf einem außenstehenden Mitarbeitenden, der diesen auf sein eigenes Smartphone kopierte und dem Betriebsrat weiterleitete. Nachdem die Arbeitgeberin von den Chats Kenntnis erhielt, kündigte sie das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers außerordentlich und fristlos. Dagegen erhob dieser vor allem mit dem Hinweis auf die Vertraulichkeit der Kommunikation in der kleinen Chatgruppe unter Freunden Kündigungsschutzklage.

Das BAG bewertete die Annahme des vorinstanzlichen Landesarbeitsgerichts, es habe aufgrund der privaten Umstände der Kommunikation eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung des Arbeitnehmers betreffend der ihm vorgeworfenen Äußerungen vorgelegen – was eine darauf gestützte Kündigung des Arbeitgebers ausschließe – als rechtsfehlerhaft.

Inhalte spielen eine Rolle

Nach Auffassung des BAG ist eine Vertraulichkeitserwartung nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Das wiederum sei abhängig von dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe.

Sind Gegenstand der Nachrichten beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedarf es einer besonderen Darlegung, warum Arbeitnehmer berechtigt erwarten sollten, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben.

  • Fabienne Richarz, Rechtsanwältin, Senior Associate der PricewaterhouseCoopers Legal AG

Die Folgerungen aus dem BAG-Urteil

Für Unternehmen wird es zu einer rechtlichen Erleichterung führen, konsequent gegen das für das Betriebsklima äußerst schädliche Verhalten vorzugehen. Aus personalpolitischer Sicht ist dieses hilfreich bei der Schaffung und Erhaltung eines respektvollen und achtsamen Arbeitsklimas.

Hieraus werden sich aber auch Handlungsbedarfe ergeben. Es steht zu erwarten, dass Äußerungen in Chats, Mails und anderen digitalen Kanälen mit vermeintlich privatem Charakter häufiger Bestandteil der Arbeit von HR-Abteilungen und Führungskräfte werden. Führungskräfte sollten im Umgang hiermit geschult werden.

Mitarbeitende werden zudem die klare Erwartung haben, dass sie anonym über unternehmensinterne Meldekanäle solche Kommunikationshistorien melden können. Darauf sollten Unternehmen sich vorbereiten, denn auch im Kontext des Hinweisgeberschutzgesetzes sind Unternehmen bereits heute aufgefordert, ihren Mitarbeitenden zu ermöglichen, bestimmte Rechtsverstöße über interne Meldestelle melden zu können.  (hp)