Karriere

Wenn Mitarbeiter Mitarbeiter empfehlen

Der Druck des Fachkräftemangels führt vermehrt dazu, dass Firmen neue Ansätze verfolgen, um qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Einer davon sind sogenannte Mitarbeiter-Empfehlungsprogramme. Berater Volker Aumann erläutert das Konzept.
25.04.2024

Der Empfehlung eines Mitarbeiters für eine Neueinstellung zu folgen, kann viele Vorteile haben.

  • Volker Aumann ist Geschäftsführer und Co-Founder der Personalberatung aumann & metzen aus Essen.

„MiKis“ und „KuKis“ waren früher in fast jeder Firma bekannt. Sie kennen die nicht? Es sind die Mitarbeiterkinder oder die Kundenkinder, die in puncto Ausbildung und Einstellung oft von ihren Eltern oder von Kunden empfohlen wurden.

Die Idee für die Unternehmen dahinter leuchtet ein: Kennt man die Eltern und Kunden und verbindet mit ihnen positive Eindrücke, wird das bei Kindern mit hoher Wahrscheinlichkeit auch der Fall sein. Eine gewisse soziale Kontrolle und eine hohe Identifikation mit der Firma sind zwei weitere Vorteile einer solchen Konstellation.

Empfehlungen von Mitarbeitern sind in unterschiedlichen Arbeitskulturen immer schon ein wichtiges Element der Mitarbeiterfindung. In den USA und in Großbritannien sind diese Methoden häufig noch viel stärker vertreten als in unseren Unternehmen. Dies in einen strukturierten, methodisch sauberen und digital unterstützten Prozess zu überführen, der kontrollierbare Ergebnisse liefert, ist jedoch ziemlich neu und wird gerade zum Trend.

Fachkräftemangel macht erfinderisch

Der Fachkräftemangel erfordert kreative Lösungen. Neben traditionellen Rekrutierungsmethoden wie Stellenanzeigen, Social-Media-Suche und dem Einsatz von Personalberatungen, gewinnt die Nutzung von Mitarbeiter-Netzwerken zunehmend an Bedeutung. Mitarbeiter werden ermutigt, potenzielle Kandidaten zu empfehlen, die sie kennen und schätzen.

Diese Methode, einst selten und unstrukturiert, gewinnt in Zeiten des Fachkräftemangels an Aufmerksamkeit. Denn der Fachkräftemangel ist nicht mehr nur das Problem des Gesundheitswesens. Viele Personaler erinnern sich noch an die Zeiten, in denen sie von Mitarbeitern Bewerbungsmappen übergeben bekamen mit der Aussage, die oft auch als Aufforderung daherkam: „Das wäre doch eine(r) für uns!“

Aus diesem eher unstrukturierten und für alle Beteiligten schwierigen Vorgehen sind in den letzten Jahren zunehmend digital abgebildete Prozesse entstanden, die Unternehmen ein ganz neues Recruitingtool an die Hand geben.

Von der Excel-Liste zum Cloud-basierten Recruitingtool

Dass eine persönlich übergebene und ausgedruckte Bewerbungsmappe heute nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist, dürfte bereits hinsichtlich Datensicherung, Datenschutz und Diskriminierung (auch im positiven Sinne) einleuchten.

Viele Anbieter von HR-Software haben daher in ihren Systemen bereits Vorkehrungen getroffen, wie Mitarbeiterempfehlungen sicher eingespielt werden. Hatten die ersten Vorlagen noch den Charme einer Excel-Liste, werden heute spezifische Cloud-Lösungen eingesetzt, die neben dem Einpflegen von Bewerberdaten noch ganz andere Funktionalitäten bereithalten.

In Form von Apps werden Mitarbeiter nicht nur über alle zu besetzenden Stellen informiert, sondern erhalten auch Links für soziale Netzwerke und Bewerberinformationen, so dass sie diese ohne großen Aufwand in ihren persönlichen Netzwerken verbreiten können. Auch Prämien und Belohnungen könnten so direkt abgerufen werden.

Für HR-Abteilungen stehen darüber hinaus auch Tools zur Verfügung, die messen, wie viele Vorschläge eingegangen sind und wie viele davon schließlich zu einem Arbeitsvertrag führten. So lassen sich die Erfolge messen und mit anderen Instrumenten vergleichen. Die systemische Dokumentation und genaue Nachvollziehbarkeit der Prozesse zerstreut Bedenken hinsichtlich einer Bevor- oder Benachteiligung und erfüllt auch die Anforderungen der Prozessdokumentation und der DSGVO.

Unterschiedliche Prämien

Das Finden und Überzeugen von Mitarbeitern ist heute aus vielen Gründen sehr kostenintensiv. Das Schalten von Stellenanzeigen in Fachmagazinen, auf Internetplattformen, die direkte Ansprache von Bewerbern in den sozialen Medien, das Führen von vielen Erstgesprächen mit Bewerbern, die dann doch nicht interessiert sind – da ist eine Empfehlung aus der eigenen Belegschaft für viele Unternehmen bares Geld wert.

Neben direkten Zahlungen, die auch mal im vierstelligen Bereich liegen können, werden Gutscheine von etablierten Online-Shops oder entsprechende Sachprämien als Anreiz für Mitarbeiterempfehlungen vergeben. In größeren Unternehmen ist manchmal sogar ein Prämienkatalog in der entsprechenden App angelegt, aus dem direkt ausgewählt werden kann.

Die Regeln, wann und wie es zu einer Auszahlung kommt, variieren in den Unternehmen. Meist ist die Unterschrift unter einem Arbeitsvertrag der Zeitpunkt zur Prämienauszahlung, andere Unternehmen wählen dagegen den Arbeitsbeginn oder die erfolgreich überstandene Probezeit.

Leichteres Onboarding

Egal ob Sachprämien, Gutscheine oder Geldbeträge, von der erfolgreichen Werbung eines Mitarbeiters profitieren alle Seiten. Unternehmen sparen dabei aufwendige Ausschreibungskosten in Internetstellenbörsen oder sogar Personalberatungskosten und können auf Mitarbeiter zählen, die auf Grund der persönlichen Beziehung zu anderen Mitarbeitern bereits einen Vertrauensvorschuss haben und ab Tag eins motiviert und informiert sind. Durch zusätzliche Ansprechpartner können Kollegen auf den neuen Mitarbeiter ganz anders vorbereitet werden. Außerdem fühlen sich die eigenen Mitarbeiter gestärkt und identifizieren sich noch stärker mit dem Unternehmen.

Im Betrieb wird das Onboarding erleichtert und Fragen und Probleme können oftmals schon im Vorfeld und ohne Einschalten von Personal- und Fachabteilung geklärt werden. Besonders in Spezialbereichen haben Mitarbeiter oft Zugang zu Personen, die sich gar nicht auf Stellenmärkten bewegen und nur über die direkte Ansprache zu erreichen sind. Mitarbeiterwerbungsprogramme bieten hier die Möglichkeit, auch sehr spezialisierte Fachkräfte anzusprechen.

Nachteile von Mitarbeiterwerbungsprogrammen

Auf den ersten Blick bieten Mitarbeiterwerbungsprogramme nur Vorteile. Bei einem genaueren Blick auf die Programme und deren Anwendung zeigen sich jedoch auch verschiedene negative Aspekte. Die erfolgreiche Durchführung eines solchen Programms erfordert einen erheblichen Zeitaufwand und eine intensive Kommunikation.

Es genügt nicht, einfach eine Software zu implementieren und auf Vorschläge zu warten. Es bedarf einer kontinuierlichen Begleitkommunikation, laufendem Controlling, Beratung von Fachabteilungen und Führungskräften sowie der Betreuung der Mitarbeiter, die Fragen zu Bearbeitungsständen und Prämien haben.

Daneben ist der Umgang mit Enttäuschungen und Absagen ein sozial herausfordernder Prozess. Sowohl die empfehlende wie auch die empfohlene Person müssen mit einer Absage des Unternehmens rechnen und damit umgehen können. Oft werden auch die Anforderungen an Positionen nicht richtig verstanden oder Mitarbeiter empfehlen Personen, die für die Positionen überhaupt nicht geeignet sind. Dies kann zu Unverständnis und Verstimmungen auf allen Seiten führen, da die Erwartungen bei Empfehlungen meist viel höher sind als im regulären Bewerbungsprozess.

Auch übermotivierte Mitarbeiter, die über den Bekanntenkreis hinaus in sozialen Netzwerken auf Mitarbeitersuche gehen und sich nicht immer an die Vorgaben der Unternehmen halten, können zu Problemen führen. Ein weiterer Nachteil kann auch die fehlende Diversität in solchen Prozessen sein. Der bestehende Mitarbeiterstab kennt meist nur Personen, deren Erfahrungshintergrund, Herkunft und Ausbildung ähnlich sind. Dies führt zwar nicht zwangsläufig zu Problemen, kann aber zu einer Bevorzugung bestimmter Personengruppen führen. (hb)