ÖPNV

Das 9-Euro-Ticket ersetzt Autofahrten

Verkehrsunternehmen ziehen „Bilanz eines Erfolgsmodells“: Rund 52 Millionen verkaufte Tickets. Länder und Branche fordern langfristige Finanzierungsgrundlagen für den Nahverkehr.
29.08.2022

Das 9-Euro-Ticket gilt als Erfolgsmodell.

Die Popularität des 9-Euro-Tickets sei ungebrochen und der positive Effekt zur Bekämpfung des Klimawandels nachweisbar. Das zeigen Ergebnisse einer Marktforschung des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und der Deutschen Bahn im Auftrag von Bund und Ländern. Die zentralen Erkenntnisse daraus hat der VDV gemeinsam mit Verkehrsministern der Länder vorgestellt.

Seit Verkaufsstart Ende Mai sind rund 52 Millionen 9-Euro-Tickets verkauft worden. Hinzu kommen mehr als zehn Millionen Kunden, die das vergünstigte Ticket jeweils monatlich über ihr ÖPNV-Abo automatisch erhalten haben. Ungeachtet der laufenden Diskussionen über eine Nachfolgeregelung fordern Landespolitik und Branchenverband langfristige Finanzierungsgrundlagen für einen zukunftsfähigen öffentlichen Nahverkehr.

Deutlicher Verlagerungseffekt zum Nahverkehr

Es gebe einen Verlagerungseffekt vom Pkw zum Nahverkehr. Zehn Prozent der Fahrten mit dem 9-Euro-Ticket haben eine Fahrt ersetzt, die sonst mit dem Auto unternommen worden wäre. Insgesamt liegt der Anteil der aus anderen Verkehrsmitteln verlagerten Fahrten bei 17 Prozent.

Der Ticketpreis spielt für Neukunden eine deutlich geringere Rolle als für bestehende Abonnenten. Er ist zwar mit 56 Prozent auch bei den Neukunden das Hauptargument für den Kauf. Gleich dahinter nennen jedoch 43 Prozent den Verzicht auf Autofahrten als Kaufgrund. Auch die Flexibilität sowie die bundesweite Gültigkeit werden als wichtige Kaufargumente genannt.

Unter den Befragten, die das Ticket nicht gekauft haben, sind Hauptgründe gegen den Kauf des 9-Euro-Tickets fehlende Nutzungsanlässe (37 Prozent), die Vorliebe fürs Auto (35 Prozent) und umständliche Verbindungen (33 Prozent). Im ländlichen Raum dominieren als Nichtkaufgründe umständliche Verbindungen, Taktung, Fahrtdauer und Entfernung zur Haltestelle. Die Verkaufszahlen dort sind etwa halb so hoch wie in städtischen Gebieten.

Der Bund ist gefordert

„Die Menschen wollen den öffentlichen Nahverkehr, wenn das Ticket einfach und verständlich sowie überall flexibel nutzbar ist. Und sie sind bereit, ihr Auto dafür stehen zu lassen, wenn so ein Ticket nicht nur über den überschaubaren Zeitraum von drei Monaten geht“, bilanzierte Maike Schaefer in ihrer Funktion als Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz (VMK) der Länder. „Jetzt müssen Lösungen erarbeitet werden, die den Nah- und Regionalverkehr in urbanen und ländlichen Räumen ausbauen und stärken. Das ist nur auf Basis einer langfristig gesicherten Finanzierungsgrundlage möglich, die den ÖPNV auf Dauer leistungsfähig und für alle bezahlbar macht. Hier ist insbesondere der Bund gefordert“, so die Senatorin für Mobilität der Freien Hansestadt Bremen weiter.

Brandenburgs Infrastrukturminister Guido Beermann betonte, dass ohne eine strukturelle Erhöhung der Regionalisierungsmittel durch den Bund die Debatte über eine Anschlusslösung für das 9-Euro-Ticket in eine Sackgasse läuft. „Die Attraktivität des ÖPNV, das heißt gute Taktungen, ein dichtes Liniennetz und schnelle Fahrzeiten können nur mit zusätzlichen Mitteln gewährleistet werden. Die enorm gestiegenen Energie- und Kraftstoffpreise verschärfen diese Finanzsituation weiter, so dass der Bund hier zuerst seine Hausaufgaben erledigen muss. Klar ist auch: Der Bund ist gefordert, einen tragfähigen und nachhaltigen Vorschlag zu einer möglichen Nachfolge des 9-Euro-Tickets vorzulegen und die Kosten hierfür aufgrund seiner verfassungsrechtlichen Finanzierungsverantwortung vollständig zu tragen.“

Länder brauchen Planungssicherheit

„Um eine Angebotsoffensive zu starten, ist die Unterstützung des Bundes unerlässlich“, erklärt Winfried Hermann, Verkehrsminister von Baden-Württemberg. „Die Länder tun viel, um Busse und Bahnen zu stärken. Ohne eine deutliche Anhebung der Regionalisierungsmittel kann aber das Angebot im öffentlichen Nahverkehr nicht ausgebaut werden. Angesichts langer Laufzeiten der Verträge mit Bahnunternehmen und der mehrere Jahre im Voraus notwendigen Bestellung von Zügen brauchen die Länder Planungssicherheit.“

VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff hob besonders die Klimawirkung eines attraktiven ÖPNV-Angebotes hervor. Auf Grundlage der vom Pkw auf Busse und Bahnen verlagerten Fahrten habe das 9-Euro-Ticket 1,8 Millionen Tonnen CO2 eingespart. Das sei etwa so viel, wie ein Jahr Tempolimit auf Autobahnen bringen würde, verdeutlichte Oliver Wolff. Alle verantwortlichen Akteure sollten daher jetzt zügig über die Fortsetzung und Weiterentwicklung eines solchen Angebots entscheiden. (wa)