ÖPNV

Erstes Netz mit Wasserstoffzügen in Betrieb

Startschuss in Niedersachen: Im Kampf gegen den Klimawandel könnten Verbrennungsmotoren auf der Schiene bald die letzte Stunde schlagen.
25.08.2022

In Bremervörde fiel der Startschuss für das erste Wasserstoffzug-Netz.

Weg mit dem Verbrennungsmotor, Vorhang auf für den Wasserstoffantrieb auf der Schiene: Das erste Netz mit Wasserstoffzügen für Passagiere hat in Niedersachsen den Betrieb aufgenommen. Nach Einschätzung der Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG) ist es das weltweit erste. Das Land schreibe damit «Eisenbahn-Geschichte». Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte, das Projekt habe „weltweit Vorbildcharakter“.

Zunächst fünf, bis zum Jahresende schließlich 14 wasserstoffbetriebene Regionalzüge sollen stündlich auf der 126 Kilometer langen Strecke zwischen Cuxhaven, Bremerhaven, Bremervörde und Buxtehude fahren. Sie sollen 15 Diesel-Züge ersetzen. Betreiber sind die Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser (EVB). Weitere Partner sind der Zughersteller Alstom und der Industriegase-Spezialist Linde.

Schon der Testbetrieb war ein Meilenstein

Von September 2018 bis Februar 2020 waren zwei Wasserstoff-Prototypen im Testbetrieb mit Passagieren auf der Strecke im Einsatz. Das sei ein „markanter Meilenstein“ gewesen, sagte Carmen Schwabl, Sprecherin der LNVG-Geschäftsführung. Auch in Hessen sollen künftig 27 Wasserstoffzüge fahren.

„Wir werden keine Dieselfahrzeuge mehr kaufen“, kündigte sie an. Alle Strecken ohne elektrische Oberleitung, auf denen Dieseltriebzüge führen, seien Kandidaten für Wasserstoffzüge. Große Diesel-Netze gebe es im Raum Weser-Ems zwischen Wilhelmshaven, Oldenburg und Osnabrück sowie im Harz und in der Heide. Auf kürzeren nicht-elektrifizierten Strecken von 60 bis 80 Kilometern Länge könnten auch Hybridzüge eingesetzt werden, die sowohl mit Strom aus der Oberleitung als auch per Akku fahren können. In Niedersachsen seien 47 Prozent der Strecken nicht elektrifiziert, bundesweit sogar 61 Prozent.

Dieselflotte bleibt zunächst in Reserve

Neben Elektrozügen verfügt die Landesnahverkehrsgesellschaft über 126 Dieseltriebwagen, die an Eisenbahnunternehmen vermietet werden. Die wirtschaftliche Lebensdauer der Dieselfahrzeuge von 30 Jahren läuft nach und nach aus. Im Auftrag der Gesellschaft werden die Züge im Regionalverkehr eingesetzt, die Deutsche Bahn und andere Regionalbahnunternehmen sind in Niedersachsen aber auch mit eigenen Zügen unterwegs. Schwabl sagte, die Dieselflotte im Raum Bremervörde bleibe bis zum Jahresende zur Sicherheit in Reserve.

Die im Betrieb emissionsfreien Alstom-Züge vom Typ Coradia iLint hätten eine offizielle Reichweite von 1000 bis 1200 Kilometern mit einer Tankfüllung. Im Testbetrieb seien es 600 bis 800 Kilometer gewesen. Der Coradia iLint ist nach Angaben von Alstom der erste mit einer Wasserstoff-Brennstoffzelle angetriebene Personenzug.

Äußerlich und auch bei der Bedienung der Züge gibt es nur wenige Unterschiede zu den Dieselzügen. Alle Fahrer seien geschult, einige auch neu eingestellt worden. Wichtig auch: „Wir wollen nichts, was die Fahrgäste nicht einschätzen können.“ Und im direkten Vergleich mit dem Dieselantrieb? „Er ist leiser“, sagte Schwabl. Auch eine Wasserstofftankstelle in Bremervörde musste eigens errichtet werden, eine künftige Wasserstoffproduktion per Elektrolyse mit regenerativ erzeugtem Strom ist geplant.

Bis 2040 soll Diesel komplett ersetzt sein

Die Deutsche Bahn hatte im Februar angekündigt, bis 2040 Dieselkraftstoffe vollständig aus ihrer Flotte verbannen und ersetzen zu wollen. Der Konzern setzt dabei eigenen Angaben zufolge unter anderem auf Biokraftstoffe, die aus Rest- und Abfallstoffen hergestellt werden sollen. Vorhandene Dieselmotoren müssten dafür nicht umgerüstet werden. Neufahrzeuge sollen künftig nur noch mit Wasserstoff- oder Batterieantrieb angeschafft werden.

Ministerpräsident Weil sprach bei der Inbetriebnahme von einem «Meilenstein auf dem Weg zur Klimaneutralität im Verkehrssektor». Das Projekt hat ein finanzielles Volumen von über 93 Millionen Euro, mehr als 85 Millionen Euro davon stammen vom Land, 8,4 Millionen Euro vom Bund, wie Landesverkehrsminister Bernd Althusmann (CDU) sagte. Schwabl machte aber auch klar: Das Ziel sollte sein, künftig alle Strecken zu elektrifizieren. Das dürfte aber noch viel Zeit kosten. (dpa)