ÖPNV

Wissing will Nachfolge des 9-Euro-Tickets spätestens ab Anfang 2023

Die Nachfolge des 9-Euro-Tickets soll nach Wunsch des Bundesverkehrsministers bis Ende des Jahres geklärt sein. Derweil zeichnen sich mehr Staus ab. Eine andere Branche ist froh über das Ende des Tickets.
04.09.2022

Der Besucherandrang bei den Bahnen war am Wochenende überschaubar.

«Unser Ziel sollte sein, spätestens zu Beginn des Jahres 2023 ein neues Ticket zu haben», sagte der FDP-Politiker den Zeitungen der Mediengruppe VRM. «Ich möchte ein vom Preis her möglichst attraktives Ticket, das deutschlandweit gilt und als Abo-Variante zu kaufen ist.» Der Preis hänge «von der konkreten Ausgestaltung und der Verteilung der Kosten zwischen Bund, Ländern und den Kunden ab».

Die 9-Euro-Tickets ermöglichten im Juni, Juli und August jeweils für einen Monat bundesweit Fahrten in Bussen und Bahnen des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Die Sonderaktion, um Fahrgäste von gestiegenen Energiekosten zu entlasten, lief am Mittwoch aus. Nach Branchenangaben wurden rund 52 Millionen Tickets verkauft. Der Bund finanzierte die Aktion mit 2,5 Milliarden Euro zum Ausgleich von Einnahmeausfällen bei Verkehrsanbietern.

Fahrgastaufkommen geht am Wochenende zurück

Am ersten Wochenende nach Auslaufen des 9-Euro-Tickets hat es beim badenwürttembergischen Nahverkehrsanbieter SWEG eine geringere Auslastung gegeben. «Es ist weniger los als noch am vergangenen Wochenende», sagte eine Sprecherin der Südwestdeutschen Landesverkehrs-GmbH (SWEG) auf Anfrage am Sonntag. Das Verkehrsunternehmen, das nach eigenen Angaben zu 95 Prozent dem Land gehört, bedient mehrere Strecken im Südwesten, unter anderem im Großraum Stuttgart.

«Wir verzeichnen ein normales Fahrgastaufkommen», berichtete ein Sprecher der Deutschen Bahn in Berlin mit Blick auf den Südwesten.

Mehr Staus ohne 9-Euro-Ticket

Nach dem Aus für das bundesweite 9-Euro-Ticket im öffentlichen Nahverkehr am 31. August hat sich der Autoverkehr in Nordrhein-Westfalen wieder spürbar verstärkt. Zu diesem Ergebnis kommt der ADAC NRW in einer ersten Auswertung, deren Ergebnisse er am Freitag bekanntgab. Nach dem letzten Aktionstag am Mittwoch habe die Staulänge im Land tags darauf laut ADAC-Verkehrsdatenbank um 27 Prozent zugenommen. Die gesamte Staulänge stieg von 881 Kilometern (31. Dezember) auf 1119 Kilometer am Donnerstag (1. September).

Auch zeitlich brauchten die Berufspendler wieder mehr Geduld, wie es vom ADAC hieß. Die Staudauer lag am Donnerstag mit 503 Stunden um knapp 21 Prozent über dem Wert des Vortags (417 Stunden). Im Vergleich zu Donnerstag vor einer Woche (25. August) nahmen die Staukilometer an Rhein und Ruhr um 35 Prozent zu, die Staudauer nahm um 34 Prozent zu.

«Natürlich haben viele Faktoren Einfluss auf die Stausituation in NRW, gerade Baustellen und Unfälle spielen eine große Rolle. Das 9-Euro-Ticket hat aber zumindest einige Berufspendler wieder in den ÖPNV gebracht», sagte Professor Roman Suthold vom ADAC Nordrhein. Das Ticket habe gezeigt, welches Potenzial grundsätzlich im ÖPNV stecke, «wenn der Tarif attraktiv und das Angebot unkompliziert und leicht verständlich ist». Diese Faktoren sollte auch ein Folgeangebot beinhalten.

Nicht nur im Preis verbessern, auch in der Qualität

Der Mobilitätsexperte warnte davor, die Debatte um eine Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs nur auf den Ticketpreis zu reduzieren. Wenn dauerhaft mehr Menschen im Berufsverkehr vom Auto auf Busse und Bahnen umsteigen sollten, müsse auch das ÖPNV-Angebot besser werden. «Weitere Investitionen in Taktverdichtung, Infrastrukturerneuerung und Ausbau, zusätzliche Fahrzeuge und mehr Digitalisierung sind dringend notwendig. Das geht nicht mit einem Ticketpreis von 9 Euro und auch die klammen Kommunen können das nicht alleine stemmen. Der Bund muss sich stärker beteiligen», forderte der Verkehrsexperte.

In einer repräsentativen ADAC-Umfrage im August habe knapp die Hälfte der befragten Autofahrer angegeben, mindestens in einem der drei Monate ein 9-Euro-Ticket gekauft zu haben, hieß es. Die meisten Menschen nutzten die günstige Fahrkarte überwiegend für Freizeitfahrten (70 Prozent), ein Viertel aber auch für den Weg zur Arbeit. Eine Mehrheit von 60 Prozent befürwortete eine Fortsetzung des subventionierten Angebots.

Leidtragende des 9-Euro-Tickets

Für Fern- und Reisebusunternehmen sind die drei Monate des 9-Euro-Tickets einer Umfrage zufolge eine schwere Zeit gewesen. Im Schnitt ist die Nachfrage in der Branche in diesen drei Monaten um rund zwei Drittel eingebrochen, wie der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen (bdo) der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Insbesondere Vereins- und Klassenfahrten wurden deutlich weniger gebucht. Und auch bei Seniorinnen und Senioren ging die Nachfrage stark zurück. Jeden Monat hatte der Verband die Stimmung unter den Mitgliedern abgefragt. Zwischen 150 und 170 Fern- und Reisebusunternehmen nahmen teil.

Differenzierter ist das Bild hingegen bei den Busunternehmen, die für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) unterwegs sind. Insbesondere im ländlichen Raum nahm die Nachfrage dort während des Zeitraums des 9-Euro-Tickets zu - allein im August antworteten mehr als 40 Prozent der Unternehmen entsprechend. Der Tankrabatt hat wiederum bei einem Großteil der befragten Busunternehmer zu keiner Entlastung geführt.

«Für ein mögliches Nachfolgeticket muss neben dem garantierten finanziellen Ausgleich für Mindereinnahmen und Kostensteigerungen auch sichergestellt sein, dass Wettbewerbsverzerrungen zulasten des umweltfreundlichen Reisebusses verhindert werden», teilte bdo-Hauptgeschäftsführerin Christiane Leonard mit. (dpa/sg)