ÖPNV

ÖPNV: Bonn lockt Neukunden mit Jahresticket für 365 Euro

Bonn ist Modellstadt für den ÖPNV. Mit einem spektakulären Vorschlag sollen dort nun Neukunden geworben werden, für das Umland soll es Pendlerprogramme geben – aber erst ab 2019.
14.08.2018

Konzernzentrale der Stadtwerke Bonn.

365 Euro für ein Jahresticket im gesamten ÖPNV – das klingt nach einem wahrlich großen Schritt hin zu einer Verkehrswende. In Bonn richtet sich dieses Angebot für ein „Klimaticket“, das bereits in der österreichischen Hauptstadt Wien erfolgreich war, allerdings nur an absolute Neukunden. Und es ist vorläufig zeitlich begrenzt. Wer bereits ein Monats- oder Jahresticket der SWB hat, kann nicht umtauschen. Und der neue Tarif gilt auch nur in der Stadt Bonn, nicht etwa in den umgebenden Kreisen, in denen viele Pendler wohnen.

Das medienwirksame Angebot kam nach Angaben des Bonner „Generalanzeigers“ auf ausdrücklichen Wunsch „des Ministeriums“ zustande – gemeint ist offenbar das Bundesumweltministerium, das die aus NRW stammende Svenja Schulze (SPD) führt. Für den Neukundentarif stehen demnach rund 22 Mio. Euro im Förderzeitraum bis 2020 zur Verfügung. Es kommen keine Altkunden zum Zuge, weil ansonsten ein Ansturm der Dauerkartenbesitzer zu erwarten gewesen wäre, die ihre teuren Jahresticket in Klimatickets getauscht hätten. Nach Schätzungen der SWB hätte das bis zu 26 Mio. Euro gekostet.

Die Pendler werden nächstes Jahr bedacht

Doch auch für die Pendler wird es demnächst in Bonn ein eigenes Programm geben, das „Betriebliche Mobilitätsmanagement“. Es wurde in den vergangenen Monaten gemeinsam mit dem Rhein-Sieg-Kreis und dem Verkehrsverbund Rhein-Sieg konzipiert und richtet sich an die Arbeitgeber der Region. Im zweiten Quartal 2019 sollen die Firmen erste, paßgenaue Angebote erhalten. „Als attraktiver Standort für Unternehmen und Institutionen verzeichnen wir schon derzeit täglich 136 000 Einpendler und 55 000 Auspendler“, teilt der Bonner Oberbürgermeister Ashok Sridharan (CDU) dazu mit.

Insgesamt hat der Bund der Stadt Fördermittel von knapp 38 Mio. Euro in Aussicht gestellt. Der Eigenanteil der Stadt Bonn läge bei durchschnittlich fünf Prozent, also etwa 1,9 Mio. Euro. Neben Bonn sind Essen, Mannheim, Herrenberg und Reutlingen ausgewählt worden, um als Modellstädte für innovative Ideen zur Verbesserung der Luftqualität zu dienen. Mit rund 130 Mio. Euro finanziert der Bund bis 2020 Verkehrsprojekte in diesen fünf Modellstädten. Die Mittel stehen zusätzlich zum „Sofortprogramm Saubere Luft 2017 – 2020“ zur Verfügung.

Opposition in Berlin fordert größere Anstrengungen

Für Andreas Wagner (Linke), Sprecher seiner Fraktion für ÖPNV, ist das alles nicht genug: „Das Modellprojekt zur Reduzierung von Ticketpreisen im ÖPNV in den fünf Städten Bonn, Essen, Herrenberg, Mannheim und Reutlingen zielt in die richtige Richtung, ist aber viel zu klein gedacht. Angesichts von Luftverschmutzung und Staus in den Innenstädten müssen alle Kommunen in die Förderung aufgenommen werden. Dazu ist eine deutliche Aufstockung der entsprechenden Haushaltsmittel notwendig.“

Die Bundestagsfraktion der Linken fordere, so Wagner, einen „Milliardenfonds“, um den Ausbau des ÖPNV langfristig zu fördern. Gefordert wird auch eine stufenweise Senkung der Ticketpreise bis hin zum Nulltarif. Ohne eine Hardwarenachrüstung von manipulierten Fahrzeugen und eine deutliche Stärkung des ÖPNV werde weder die NOx-Werte gesenkt noch die notwendige Verringerung des CO2-Ausstoßes erreicht noch die Stauproblematik gelöst: „Solange dies nicht grundlegend angegangen wird, sind befristete Modellprojekte nur Feigenblätter.“ Und damit sind exakt solche Maßnahmen wie das „Klimaticket“ in Bonn gemeint. (sig)