Klimaschutz soll sozial fair sein – Deutsche bereit zum Verzicht

Im Kampf gegen die Erderhitzung ist die Politik unter Druck. Klimaschutz kostet, und Union und SPD wollen Bürgern und Wirtschaft nicht zu viel zumuten. Dabei zeigen sich viele einsichtig.
10.06.2019

Eine Mehrheit der Deutschen ist laut einer aktuellen Umfrage bereit, ihren Lebensstil klimafreundlicher auszurichten, zumindest auf dem Papier.

 

 

 

 

Kurze Flüge, viel Fleisch und Wurst, mit dem Auto durch die Innenstadt: Für den Kampf gegen dem Klimawandel ist eine Mehrheit der Deutschen gewillt, darauf zu verzichten – zumindest auf dem Papier. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov für die Deutsche Presse-Agentur sind drei von vier Erwachsenen (74 Prozent) bereit, auf Kurzstreckenflüge zu verzichten. Fast zwei Drittel (63 Prozent) würden "deutlich" weniger Fleisch essen, immerhin noch 56 Prozent auf das Autofahren in Innenstädten verzichten.

Im Flug- und im Straßenverkehr sowie in der Tierhaltung entstehen viele Treibhausgase, vor allem Kohlendioxid (CO2) und Methan. Im Herbst will die Koalition aus Union und SPD Grundsatzentscheidungen treffen, die Deutschland beim Klimaschutz wieder auf Kurs bringen sollen – diese könnten den CO2-Ausstoß teurer machen, etwa als Aufschlag auf Benzin- und Heizölkosten.

CO2-Preis für kostengünstigen Klimaschutz

Einen CO2-Preis hält der Chef der Wirtschaftsweisen für die kostengünstigste Methode beim Klimaschutz. "Die Chance, dieses Preissignal nun in die Tat umzusetzen, war noch nie so groß wie jetzt", sagte Christoph Schmidt, Wirtschaftsprofessor an der Universität Bochum, der Deutschen Presse-Agentur. Schmidt ist von der Bundesregierung beauftragt, eine Studie dazu auszuarbeiten. Mit Blick auf die einzelnen Bürger sagte er aber auch: "Klimaschutz gibt es nicht zum Nulltarif."

Beim Geld hört allerdings für viele der Spaß auf. Immerhin die Hälfte der Deutschen findet es der Umfrage zufolge noch akzeptabel, wenn Tickets für Flugreisen deutlich mehr kosten. Bei den Spritpreisen sieht das aber nur gut jeder Vierte (27 Prozent) so. Deutlich höhere Preise für Fleisch findet gut jeder Zweite (52 Prozent) in Ordnung, wenn es denn den Klimawandel eindämmt und einer nachhaltigen Agrarpolitik dient. Besonders wenig Toleranz zeigen die Bürger bei Strompreisen: Deutlich mehr Geld für Ökostrom würden der Umfrage zufolge nur 20 Prozent bereitwillig zahlen.

Geld soll den Bürgern wieder zugute kommen

Die Befürworter so eines CO2-Preises wollen, dass das Geld den Bürgern wieder zugute kommt, etwa als Rückzahlung pro Kopf oder über Entlastungen an anderer Stelle. "Es wäre unehrlich zu sagen, dass von den Maßnahmen zum Klimaschutz niemand etwas spüren wird", sagte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer der "Bild am Sonntag". Ganz ohne Umstellung des Lebensstils werde es nicht gehen. Die Belastungen müssten aber "sozial ausgewogen" sein, zudem sollten die Maßnahmen wirtschaftlich sinnvoll und "anreizend" sein.

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus sagte der dpa: "Unser Anspruch ist es, den Klimawandel zu bekämpfen, ohne dass es jetzt soziale Härten gibt. Ohne dass Industriearbeitsplätze verloren gehen und ohne dass die Mobilität im ländlichen Raum unzumutbar eingeschränkt wird."

Bedingte Aussagekraft von Umfragen

SPD-Politiker äußern sich ähnlich. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) etwa sagte der "Welt am Sonntag": "Wir müssen es schaffen, den dazu nötigen großen Umbau einer Industriegesellschaft so zu organisieren, dass die Folgen für die direkt Betroffenen erträglich bleiben". Klimaschutz brauche auch Zustimmung.

Wie groß diese Zustimmung wäre, lässt sich anhand von Umfragen nur bedingt voraussehen. Denn es ist ein bekanntes Phänomen, dass Befragte tendenziell "sozial erwünscht" antworten, weil sie von anderen und sich selbst auf eine bestimmte Weise gesehen werden wollen. Aber handeln sie auch danach?

Handeln lässt noch zu wünschen übrig

Ein Blick auf die Statistik des Agrarministeriums etwa zeigt, dass der Fleischkonsum in den vergangenen Jahren nur leicht rückläufig war und zuletzt sogar etwas stieg. Der geschätzte Pro-Kopf-Verzehr lag 2018 bei 60,1 Kilo.

Der Anteil der Inlandsflüge sinkt, allerdings vor allem statistisch, weil die Gesamtzahl aller Flüge wächst und wächst. 2018 flogen laut Statistischem Bundesamt 23,5 Millionen Passagiere im Inland. 2017 waren es 23,7 Millionen, das macht ein Minus von nur 0,8 Prozent. Der Pkw-Verkehr hat laut Umweltbundesamt zwischen 1995 und 2017 um knapp 18 Prozent zugenommen. (dpa/hcn)