Marktübersicht

"Wichtiger Baustein": Kommunale Direktvermarkter streben nach oben

Enercity will sein Portfolio mittelfristig verfünffachen. Auch Sachsenenergie will weiter wachsen. Ein Blick in die Welt großer kommunaler Direktvermarkter, für die sich bald eine zusätzliche Chance auftun könnte.
18.02.2025

Sachsenenergie und Enercity gehören beide zu den größten kommunalen Direktvermarktern in Deutschland.

Von Andreas Baumer und Julian Korb

Vor gut zwölf Jahren gehörte Drewag, einer der beiden Vorgänger des sächsischen Versorgers Sachsenenergie, zu den ersten Unternehmen, die sich in das Abenteuer Direktvermarktung wagten. Waren zu Beginn vor allem Biogasanlagen im Portfolio, dominieren inzwischen Windkraft- und auch immer mehr Photovoltaikanlagen. Mitte 2023 vermarktete der Kommunalversorger erstmals mehr als 1000 Megawatt (MW) Leistung. Anfang dieses Jahres waren es sogar 1107 MW.

Damit zählt Sachsenenergie laut ZfK-Ranking zu den sechs größten kommunalen Direktvermarktern (Tabelle siehe unten). Unter den ostdeutschen Direktvermarktern hat nur der Leipziger Biomassespezialist Energy2Markets ein noch größeres Portfolio.

Trianel schiebt sich vor Stadtwerke München

Auch im diesjährigen ZfK-Direktvermarktungsranking machen große Energiekonzerne und ihre Direktvermarktungstöchter die Spitzenplätze unter sich aus. Der größte mehrheitlich kommunale Direktvermarkter MVV verlor etwas an Boden. Auch EWE und die Stadtwerke München meldeten leichte Portfolioeinbußen. Demgegenüber legte die Aachener Stadtwerkekooperation Trianel zu. Trianel verdrängte die Stadtwerke München sogar von Rang drei.

Dahinter strebt ein Trio nach vorn. Da gibt es den norddeutschen Direktvermarkter ANE, der mehrheitlich den Hamburger Energiewerken gehört, dann Sachsenenergie und dann das Hannoveraner Energieunternehmen Enercity.

Zur gleichen Zeit wie die Sachsenenergie überschritten die Niedersachsen Mitte 2023 im ZfK-Ranking die 1000-Megawatt-Schwelle. Inzwischen liegen sie bei 1088 MW. Vermarktet werden vor allem eigene Erneuerbaren-Anlagen. Sie umfassen etwa 80 Prozent des Gesamtvolumens. Enercity hatte in den vergangenen Jahren insbesondere sein Windportfolio kräftig aufgestockt.

  • Sabine Müller ist Product Master Direktvermarktung bei Enercity.

Enercity will Portfolio verfünffachen

Und die Zeichen stehen weiter auf Wachstum. "Wir investieren bundesweit in unser Onshore-Windportfolio sowie größere Freiflächen-PV-Anlagen und bauen diese stetig aus", sagt Enercity-Direktvermarktungsexpertin Sabine Müller. "Wir setzen zudem verstärkt auf Speichertechnologien."

Darüber hinaus liegt der Enercity-Fokus auf der Vermarktung von Kundenanlagen. "Auch hier wollen wir weiterwachsen", sagt Müller. "Mittelfristig soll das aktuelle Portfolio verfünffacht werden."

Nach eigenen Angaben bieten die Niedersachsen verschiedene Modelle an, die den Kundenbedürfnissen flexibel angepasst werden. Das Direktvermarktungsteam besteht aktuell aus 25 Personen, die Kunden rund um die Themen Prognosen, Abrechnung, Preisgestaltung, Produktentwicklung und Vertrieb betreuen. So hätten Kunden für jede Anfrage einen direkten Ansprechpartner, sagt Müller.

Teils "verrückte Preismodelle" auf dem Markt

Bei Sachsenenergie kümmern sich bis zu 20 Mitarbeiter um den Direktvermarktungsvertrieb und die damit verbundenen Prozesse. Einer von ihnen ist Martin Frohs. "Der Markt für die Direktvermarktung ist permanent am Drehen und überholt sich jedes Jahr", sagt er. Beispiel Investitionen: "Vor ein, zwei Jahren lagen Photovoltaik-Freiflächenanlagen im Trend. Jetzt sind Batteriespeicher immer gefragter." Zugleich sei die Konkurrenz härter geworden, sagt Frohs. "Der Wettbewerb hat wieder angezogen." Teils seien "verrückte Preismodelle" auf dem Markt.

Sachsenenergie selbst wirbt mit einer Mischung aus variablen und festen Entgeltkomponenten. Zudem will das Unternehmen mit gutem Service und persönlicher Betreuung sowie Stabilität und Zuverlässigkeit punkten. "Die Direktvermarktung ist ein wichtiger Baustein in unserem Dienstleistungsgeschäft", sagt Frohs. "Wir wollen weiterwachsen und ein breites Portfolio anbieten."

Der größte Wachstumstreiber in den vergangenen Jahren war der rasante Ausbau der Solarenergie. Davon profitierten auch Kommunalunternehmen wie Sachsenenergie. Das Photovoltaikportfolio der Sachsen stieg in den vergangenen vier Jahren um mehr als 150 Prozent.

Senkung der Direktvermarktungsschwelle als Chance?

Eine Senkung der Direktvermarktungsschwelle könnte den Markt künftig weiter öffnen. Aktuell gilt nur für Anlagen mit einer Leistung von mindestens 100 Kilowatt die Direktvermarktungspflicht. Noch im Sommer 2024 wollte die damalige Ampelkoalition diese auf Anlagen bis zu 25 Kilowatt ausweiten. Im Laufe des Gesetzgebungsprozesses wurden entsprechende Änderungen jedoch gestrichen.

Zuvor hatten mehrere Stromhändler darauf hingewiesen, dass zum jetzigen Zeitpunkt vor allem bei Anlagen mit hohem Eigenverbrauch die Kosten der Direktvermarktung die Erlöse häufig übersteigen würden. Sollte es in Zukunft trotzdem in diese Richtung gehen, "steigen die Anforderungen an digitalisierte Prozesse und angepasste Rahmenbedingungen für Anbindung und Steuerbarkeit", kommentiert Enercity-Direktvermarktungsexpertin Müller.

Für lokal verankerte Anbieter ergeben sich daraus aber auch neue Chancen. "Wir sind Kommunalversorger, deshalb wollen wir unseren Kunden auch vor Ort mit einer Lösung aus der Region helfen", sagt Sachsenenergie-Experte Frohs. "Denn grundsätzlich ist es unser Anspruch, Komplettanbieter zu sein."

Dass dafür ganz andere Prozesse nötig sind als in der klassischen Direktvermarktung, bestreitet auch Frohs nicht. "Wir sind dann im Massenkundengeschäft unterwegs." Ziel müsse es jedenfalls sein, auch Kleinanlagen mit intelligenten Messsystemen in die Prozesse der Direktvermarktung zu integrieren. "Daran arbeiten wir."