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"Künftig können wir eine Reihe an Anforderungen von Stadtwerken erfüllen"

Alles wird auf einer Plattform: IT-Anbieter Powercloud hat EN2GO übernommen. Warum dieser Schritt gerade für Stadtwerke interessant sein dürfte, erklären CEO Marco Beicht und CPO Daniel Zeiske.
18.10.2022

Herr Beicht, warum haben Sie sich überhaupt dazu entschieden, EN2GO, einen Anbieter für konfigurierbare Abrechnungslösungen, zu übernehmen?
Marco Beicht, CEO von Powercloud: Der Hintergrund für unsere Akquisition liegt im Grunde auf der Hand, denn die Funktionalitäten von EN2GO ergänzen unsere Plattform und schließen die noch offenen Lücken im B2B-Geschäft sowie die spezifischen Anforderungen von Stadtwerken. Mit diesen hätten wir uns, offen gesprochen, zeitlich schwer getan.

Darüber hinaus konnten wir unser Angebot nun auch mit speziellen Abrechnungsmodellen erweitern, wie etwa der Heizkosten- und Mieterstromabrechnung, der flexibleren Betreuung von Bündelkunden, der registrierenden Leistungsmessung, dem Contracting im B2B-Bereich, aber auch zum Beispiel Flüssiggas, Entsorgung und vieles mehr. Insgesamt kann man also sagen, dass wir künftig eine Reihe von Anforderungen von Stadtwerken erfüllen können. 

Letztendlich zahlt die Akquisition stark auf unsere Vision einer einheitlichen Plattform für den gesamtem deutschen Markt ein und ermöglicht nun auch Vollversorgern von der powercloud Plattform zu profitieren.

Wie kann man sich nun die technische Umsetzung vorstellen?
Daniel Zeiske, Chief Product Officer bei Powercloud: Das ist ein wichtiger Punkt, denn unsere Produktphilosophie ist von dieser Akquisition unberührt – es gibt auch künftig nur eine Powercloud Plattform für unsere Kunden. Folglich fließen die neuen Funktionen direkt in die powercloud mit ein und stehen anschließend Stück für Stück bei Bedarf unseren Kunden zur Verfügung. Wir erweitern also unser ureigenes Angebot und bauen keine zweite Lösung. Es hat auch etwas Glück mitgespielt, denn En2GO wurde auf der gleichen Technologiebasis entwickelt, die Powercloud schon seit 2012 nutzt. Das macht die Integration nun deutlich schneller und einfacher.

Verändert sich die unternehmerische Zielsetzung von Powercloud?
Marco Beicht: Nein. Unsere Strategie bleibt konstant und unser Leitgedanke gilt weiterhin und betrifft alle Komponenten der Plattform: Wir bieten eine modulare Lösung in allen Marktrollen, bald auch inklusive Netz, die alle relevanten Prozesse und Produkte der Versorger abdeckt. Das ist auch wichtig für die Thüga Abrechnungsplattform, die wir gemeinsam mit Accenture derzeit für über 15 Millionen Endkundenverträge umsetzen.

Die Offenheit unserer Plattform macht nicht nur für unsere Kunden, sondern auch, wie in diesem Fall bewiesen, für uns vieles einfacher. Aber lassen Sie es mich noch einmal unterstreichen: Auch künftig wird die Powercloud fertig konfiguriert bei Kunden als einheitliches und standardisiertes best-in-class Angebot aus der Cloud bereitgestellt. So ist etwa der aktuelle Formatwechsel zum 1. Oktober 2022 für alle unsere Kunden wieder ohne deren Zutun fristgerecht und in hoher Qualität verfügbar – genauso wie wir das alle 2 Wochen mit neuen Funktionen und Prozessen handhaben, die quasi über Nacht verfügbar gemacht werden.  

Wie sieht der Zeitplan rund um die Integration der neuen Funktionen aus?
Daniel Zeiske: Wir bringen das Beste aus beiden Welten zusammen, während sich powercloud seit der Gründung sehr stark auf das Massenkundengeschäft inklusive der Grundversorgung konzentriert hat, hatte die jetzt neu erworbene Komponente von Beginn an einen sehr starken Fokus auf B2B sowie auf komplexe Abrechnungssituationen und Spezialprodukte. Zu den schon über 10 Millionen produktiven Endkunden auf der powercloud Plattform, inklusive über 2,5 Millionen in der Grundversorgung, sollen in der Zukunft auch größere Mengen an Bündel- und B2B-Kunden hinzukommen, die bisher noch nicht optimal abgebildet werden konnten.

Es geht hier um wirklich viele Funktionen, nicht nur aus dem B2B-Segment. Mit ihrer Hilfe lassen sich zum Beispiel Bündelprodukte für kommunale Kunden oder die Wohnungswirtschaft abrechnen, zeitvariable Tarife in die Abrechnung einbinden, marktkonforme Messkonzepte bei Mieterstrom realisieren oder komplexe Billing-Prozesse beim Thema „Wasser und Wärme“ realisieren. Denken Sie bei Letzterem an die Abrechnung von Fernwärme, Contracting-Anlagen mit individuellen Preisgleitklauseln und Nahwärmenetze. Und: Alles das ist auf der Basis einer weitreichenden Automatisierung stark vereinfacht.

Allerdings wird bei dieser Aufzählung deutlich, dass wir nicht „über Nacht“ dieses große Paket in die Powercloud integrieren können. Aktuell arbeiten mehrere Teams intensiv an der Integration. Einzelne Funktionen werden von Bestandskunden heute bereits genutzt. Wir gehen davon aus, dass im ersten Quartal 2023 der erste neue Powercloud-Kunde die neuen Funktionen produktiv nutzen wird. Insgesamt rollen wir das Ganze dann nach und nach aus.

Abschließend ein Blick auf die Zukunft der Powercloud: Wohin soll die Reise im Zuge dieser Akquisition gehen?
Marco Beicht: Unsere Kunden können sich darauf verlassen, dass wir den Wandel des Energiemarkts im Blick haben und gemeinsam mit ihnen erfolgreich gestalten. Um den Vorsprung unserer Kunden weiter auszubauen, investieren wir jedes Jahr einen relevanten 8-stelligen Betrag in die Weiterentwicklung der powercloud-Plattform und in die Umsetzung neuer Funktionen.

Unser Geschäftsmodell wurde in den vergangenen drei Jahren konsequenter denn je auf den Partnerschaftsgedanken umgebaut, denn nur gemeinsam mit unseren Kunden und Partnern sind wir stark. Zugleich haben wir den Anspruch, mit modernem Mindset zu agieren. Die powercloud ist agil und skalierbar, aber noch wichtiger, sie ist einfach zu bedienen und bietet leichtgewichtige Prozesse bei einer hohen Automatisierung. Es gibt bei uns keine festgefahrenen Denkmuster. Dieser Anspruch definiert die Gegenwart und Zukunft der heute schon über 400 Mitarbeiter der Powercloud.

Daniel Zeiske: Insgesamt wollen wir Dinge einfacher machen. Deshalb optimieren wir zum Beispiel ständig unsere Bedienoberfläche, integrieren andere Systeme und sorgen mit vielen Partnern dafür, dass der powercloud powerApp Store weiterwächst. Das Unternehmensziel, unsere offene Plattform als Standard im Markt zu etablieren, bestimmt auch weiterhin unser Handeln. Hierzu gehörte auch die Schließung funktionaler Lücken für die Zielgruppe der Stadtwerke und B2B-Vertriebe, die wir nun im Rahmen des Zukaufs in markterprobter Qualität abschließen konnten. Wir freuen uns darauf, die neue Lösung unseren Kunden vorstellen zu können. Das Ganze ist ein großer Meilenstein.

Abschließend die Frage: Was passiert mit dem Namen „EN2GO“?
Marco Beicht: Wir benutzen ihn überhaupt nicht mehr. Etwas anderes würde auch keinen Sinn ergeben. Schließlich wandern alle Funktionen, die bislang unter diesem Namen zusammengefasst wurden, in die Powercloud. Darüber haben wir auch bereits die mit dem Kauf erworbenen Bestandskundenbeziehungen informiert. (sg)