Smart City / Energy

Berlin: Siemens plant eigene Stadt in der Stadt

Aus der Siemensstadt sowie den Betriebsstätten mit 11.500 Beschäftigten soll bis 2030 ein komplett neuer Stadtteil mit allem werden, was eine "Smart City" der Zukunft ausmacht: Siemensstadt 2.0.
09.01.2020

Cedrik Neike (l-r), Mitglied des Vorstands der Siemens AG, Helmut Kleebank (SPD), Bezirksbürgermeister von Spandau, Stefan Behnisch, Architekt, Michael Müller (SPD), Berlins Regierender Bürgermeister und Ramona Pop (Bündnis 90/Die Grünen), Wirtschaftssenatorin, sehen sich den Entwurf für Siemensstadt 2.0 an.

"Bis zu 600 Millionen Euro" will der Konzern, der seinen Hauptsitz seit Jahrzehnten in München, seinen größten Produktionsstandort aber in Berlin hat, für die neue Stadt in der Stadt in die Hand nehmen. Und nach einem Architekten-Wettbewerb steht nun zumindest in groben Zügen fest, wie das 70 Hektar umfassende Areal im Westen Berlins einmal aussehen soll.

Raum für Arbeit, Produktion, Forschung und Wissenschaft ist geplant, 2750 Wohnungen, eine Schule, Kitas, ein Jugendtreff, ein Hotel, Handel, Gastronomie. Frei- und Grünflächen kommen hinzu, ein 150 Meter hoher Wolkenkratzer soll das Zentrum markieren, alte Bausubstanz erhalten und integriert werden. Die in den 1980er Jahren stillgelegte S-Bahn-Verbindung Siemensbahn soll reaktiviert werden, neue Zukunftslösungen für die Arbeits- und Lebenswelt, für E-Mobilität, Klima- und Ressourcenschutz, Digitalisierung und künstliche Intelligenz zum Tragen kommen.

Vorzeigeprojekt

Hinter dem Mega-Projekt stehen auch wirtschaftliche Interessen. Denn der Technologiekonzern mit weltweit 385.000 Beschäftigten und 87 Milliarden Euro Jahresumsatz, der unter anderem im Energie- und Mobilitätssektor aktiv ist, befindet sich aktuell in einer der größten Umbruchphasen seiner Geschichte.

Mit neuer Unternehmens- und Führungsstruktur – darunter fällt auch die geplante Abspaltung der Gas- und Kraftwerkssparte – will sich Siemens von einem Mischkonzern mit vielen traditionellen Geschäftsfeldern im Industriesektor zu einem effizienten Player im Digitalzeitalter mausern. Die Berliner Siemensstadt 2.0, mit der der Konzern zum großen Immobilienentwickler wird, soll dabei ein Leuchtturmprojekt sein.

Bau gegen Zugeständnisse

Siemens-Chef Joe Kaeser persönlich engagierte sich für das Projekt und rang dem Berliner Senat vor Unterzeichnung eines gemeinsamen Memorandums im Oktober 2018 manches Zugeständnis ab. Das betrifft etwa Auflagen für Denkmalschutz, die digitale Infrastruktur und die Verkehrsanbindung. Berlin sagte Millionengelder zu, nicht zuletzt für die Siemensbahn.

Die Linke sieht mit Skepsis, dass ein Konzern über Stadtentwicklung bestimmen wolle. "Siemens darf nicht die alleinige Definitionsmacht haben über die Zukunftsfragen Berlins", sagt die Sprecherin für Stadtentwicklung und Smart City der Linke-Fraktion, Katalin Gennburg. Die Visionen für die Siemensstadt seien noch "schwammig", soziale Fragen wie der Erhalt von Industriearbeitsplätzen unbeantwortet. Und: "Der neue Stadtteil darf keine Open-Air-Multi-Media-Ausstellung für Siemens-Produkte und technischen Schnick-Schnack werden." (dpa/gun)