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Der Universalbestellprozess: Abwicklung von Steuerungshandlungen über das intelligente Messsystem

Im November hat die Beschlusskammer 6 der Bundesnetzagentur den sogenannten Universalbestellprozess verabschiedet. Im Folgenden werden zentrale Änderungen vorgestellt. Ein Gastbeitrag
25.01.2023

Wegen der noch zu erarbeitenden Spezifikationen, die von der Expertengruppe EDI@Energy erstellt werden, ist die bundesweite Anwendung der Prozesse zur Ausführung eines Steuerbefehls erst für den 01.04.2024 vorgesehen.

Von:
Christian Grad, Managing Consultant bei Q-Perior und
Thorben Sparkuhle, Senior Consultant be Q-Perior


Spätestens seit der Veröffentlichung der „Kosten-Nutzen-Analyse für einen flächendeckenden Einsatz intelligenter Zähler“  im Jahr 2013 ist klar, dass ein volkswirtschaftlich sinnvoller Einsatz der neuen Technologie nur durch eine Erweiterung des Funktionsumfangs, wie Schalt- und Steuerungsfunktionen erreicht werden kann. Damit sollen sowohl markt- als auch netzdienliche Anwendungsfälle ermöglicht werden.

Zukünftig werden intelligente Messsysteme daher über den Tarifanwendungsfall TAF 10 Netzzustandsdaten (Strom, Spannung, Wirkleistung, Phasenwinkel sowie Frequenz) oder über TAF 9 die Ist-Einspeiseleistung von Erzeugungsanlagen erfassen und kommunizieren. Perspektivisch ist zudem die Steuerung von Anlagen über den CLS-Kanal des intelligenten Messsystems (iMSys) vorgesehen.
    

Serie: CLS-Management

Neben Grundlagen zum CLS zeigt Q-Perior auch praktische Anwendungsbereiche und deren Einbindung in die Organisation von aktiven Energiemarktteilnehmer (aEMT) sowie Ideen für weitere Maßnahmen für ein optimales CLS-Management.

Über die CLS-Schnittstelle des intelligenten Messsystems kann eine Steuerbox zum Steuern und Schalten von Verbrauchs- und Erzeugungsanlagen angeschlossen werden. Neben der Netzsteuerung entstehen auch Mehrwertdienste wie Sub-Metering. Daher ist das Thema für Netzbetreiber, Lieferanten, Messstellenbetreiber und Energiedienstleister interessant.

Zukünftige Nutzung von intelligenten Messsystemen

Durch die vorliegende oben genannte Festlegung werden die prozessualen Voraussetzungen geschaffen. Dazu wurden universell nutzbare Begleitprozesse definiert, die einem generischen Ansatz folgend die Aspekte Angebotsanfrage und -erstellung, Bestellung, Reklamation, Konfiguration und in der Folge Abrechnung der Dienstleistung umfassen.


Einführung des neuen Objekts Netzlokation

Die Novelle des § 14a Energiewirtschaftsgesetz stellt verstärkt auf den Netzanschlusspunkt ab. Aus Sicht eines Netzbetreibers ist nicht das Verhalten eines einzelnen Anschlussnutzers an einer Marktlokation von Bedeutung, sondern die saldierte Betrachtung aller Marktlokationen, die einem Netzanschlusspunkt zugeordnet sind.

Daher wird mit der Festlegung das neue Objekt der Netzlokation eingeführt. Dieses Objekt verbindet unabhängig von der Energieflussrichtung eine oder mehrere Marktlokationen über genau eine Leitung mit dem Netz. Damit bildet sie den Netzanschlusspunkt ab. Abbildung 1 verdeutlicht beispielhaft die Einordnung der Netzlokation (NeLo) in eine bestehende Struktur aus Mess- und Marktlokation. 
 

Abbildung 1: Einordnung der Netzlokation (Beispiel)

Zu beachten ist, dass die Vergabe einer Netzlokation vom Netzbetreiber nur bei Bedarf erfolgt. Der Bedarf stellt sich ein, wenn ein konkreter Anwendungsfall vorliegt, für den eine NeLo erforderlich ist. Im Fall der Abrechnung von Blindmehrarbeit ist ein solcher Fall gegeben. Diese wird ab Inkrafttreten der geänderten Vorgaben auf Ebene der NeLo abgerechnet.


Erweiterung bestehender Definitionen

Mit Abschluss der Umsetzung der MaKo 2022 existieren die Prozesse zur Zählzeitdefinition. Mit dem Beschluss BK6-22-128 werden einige neue Definitionen eingeführt. Deren Beschreibung sowie die verschiedenen Verknüpfungen mit den Objekten der Mess-, Markt- und Netzlokation ist in Abbildung 2 dargestellt. Die durchgezogenen Verbindungslinien zwischen den verschiedenen Objekten zeigen an, wie sie in Verbindung zueinander stehen. Die strichlierten Verbindungslinien zeigen die möglichen Verknüpfungen der (neuen) Definitionen zu den Objekten Mess-, Markt- und Netzlokation an. 

Abbildung 2: Einführung neuer Definitionen

Zu unterscheiden ist bei den neuen Definitionen nach deren Anwendungszweck. So sollen zum einen langfristige Verläufe für Schaltungen oder Leistungsgrenzen festgelegt und zwischen den Marktteilnehmern ausgetauscht werden. Diese dienen primär der Umsetzung präventiver Steuerungshandlungen und unterstützen somit die „gelbe“ Ampelphase laut BDEW-Ampelkonzept. Zum anderen wird eine sogenannte Steuererlaubnis als bestellbare Konfiguration eingeführt. Diese ermöglicht das Absetzen von Steuerbefehlen über den MSB an ein iMSys. Die Steuererlaubnis lässt sich in die „rote“ Ampelphase einordnen, da diese eine Voraussetzung für die sekundenschnelle Verarbeitung von Steuerbefehlen ist.


Der Universalbestellprozess

Für die Abwicklung der marktrollenübergreifenden Einrichtung der neuen Definitionen und die darauf aufbauende lokationsscharfe Bestellung von Konfigurationen ist der sogenannte Universalbestellprozess vorgesehen. Einen Überblick über dessen Abschnitte zeigt Abbildung 3: 
 

Abbildung 3: Überblick über den Universalbestellprozess

Der Ablauf orientiert sich an den bereits seit der MaKo 2022 bekannten Prozessen zur Zählzeitdefinition. Es werden zunächst die Übersichten zu den Definitionen ausgetauscht. Darin teilen die Marktteilnehmer mit, welche Definitionen sie verwenden.
Im nächsten Schritt werden die Definitionen selbst ausgetauscht. Damit werden die in den Übersichten genannten Definitionen spezifiziert und als Datensatz ausgerollt über ein Jahr kommuniziert. Im letzten Schritt erfolgt die Bestellung einer Konfiguration auf der Ebene einer konkreten Lokation.

Zu beachten ist beim Universalbestellprozess zusätzlich der Aspekt der Kostenpflicht. Konfigurationen, die in die Kategorie Zusatzleistung gemäß Messstellenbetriebsgesetz fallen, werden vom Messstellenbetreiber mit einem Preisschild versehen. Dieses wird im Vorfeld mit Hilfe des neuen elektronischen Preisblatts A des MSB ausgetauscht und bildet eine der Grundlagen für die Abrechnung der Dienstleistungen des Messstellenbetreibers.


Ausführung von Steuerbefehlen

Durch die Festlegung BK6-22-128 wird erstmals ein Prozess durch die Bundesnetzagentur beschrieben, bei dem Antwortzeiten im Sekundentakt vorgesehen sind. Die Abwicklung eines Steuerbefehls, der mit Hilfe eines intelligenten Messsystems ausgeführt werden soll, macht darüber hinaus einen schnittstellenübergreifenden Ablauf erforderlich. Gemeint ist damit die Verknüpfung von elektronischer Marktkommunikation mit im Feld verbauten, technischen Komponenten wie z.B. einer Steuerbox.

In Abbildung 4 ist das Sequenzdiagramm Steuerbefehl vom Netzbetreiber an den Messstellenbetreiber, erweitert um die zeitlichen Aspekte mit Bezug auf den Beginn des Wirkungszeitraums dargestellt. 

Abbildung 4: erweitertes Sequenzdiagramm Steuerbefehl NB an MSB

Einer der Mehrwerte, der durch die Nutzung einer Steuerbox, die in ein iMSys eingebunden ist, generiert werden kann, ist der Erhalt einer Rückmeldung über die Durchführung einer Schalt- oder Steuerungshandlung. Diesen Mehrwert lässt die Festlegung außen vor, weil der Prozess zum Steuerbefehl lediglich auf Schritte vor dem Beginn des Wirkungszeitraums fokussiert.

Wegen der Zeitkritikalität ist zur Prozessdurchführung auch nicht mehr der Austausch von EDIFACT-Nachrichtentypen vorgesehen. Die Abwicklung von Steuerbefehlen soll mit Hilfe von API-Webdiensten der beteiligten Marktpartner erfolgen. Wegen der noch zu erarbeitenden Spezifikationen, die von der Expertengruppe EDI@Energy erstellt werden, ist die bundesweite Anwendung der Prozesse zur Ausführung eines Steuerbefehls erst für den 01.04.2024 vorgesehen.


Abrechnung von Dienstleistungen des MSB

Zur Abrechnung der Zusatzleistungen, die mit Hilfe des Universalbestellprozesses bestellt werden können, werden durch die Festlegung BK6-22-128 Änderungen an den Abrechnungsprozessen des Messstellenbetreibers vorgenommen. In Abbildung 5 ist die Struktur der Abrechnungen des MSB dargestellt:

Abbildung 5: Struktur der Abrechnungen des MSB

Bei der bereits seit geraumer Zeit praktizierten Abrechnung der Standardleistungen des MSB mit den im Messstellenbetriebsgesetz festgelegten Preisobergrenzen fällt zukünftig die Variante der Abrechnung im Rahmen der Netznutzungsabrechnung weg.

Für die Abrechnung von Zusatzleistungen, die vom Netzbetreiber oder vom Lieferanten beim MSB bestellt werden können, wird der neue Prozess zur Abrechnung einer Leistung des Preisblatts A des Messstellenbetreibers festgelegt.

Für die Marktrolle des Energieserviceanbieters (ESA) ist der Prozess der Anfrage und Bestellung von Werten vorgesehen. Innerhalb dieses Prozesses übermittelt der Messstellenbetreiber ein Angebot, das in den Prozess Abrechnung einer für den ESA erbrachten Leistung einfließt.

Die Festlegung BK6-22-128 bringt eine Reihe von Anpassungsbedarfen in Prozessen und IT-Systemen mit sich. (sg)