Smart City / Energy

Erfolgsrezepte für die Smart City

Wie lässt sich die intelligente Stadt verwirklichen? Stadtwerke, Unternehmen, Startups und Wissenschaftler diskutierten auf der Hasso-Plattner-Konferenz Industrie 4.0 in Kooperation mit dem VKU viele interessante Aspekte zur digitalen Stadt.
18.02.2018

Es gibt zahlreiche Anwendungen für die Smart City: Etwa Apps, die Autofahrern melden, ob und wo Parkplätze frei sind – das spart Zeit, Geld und Nerven. Eine solche Anwendung wird derzeit beispielsweise in München getestet. Die Darmstädter Entsorgungsbetriebe hingegen setzen auf spezielle Sensoren, die ihnen melden, wann Mülleimer voll sind. So müssen sie die Abfallbehälter nur noch dann anfahren, wenn sie voll sind. Intelligente Straßenlaternen in Ludwigsburg leuchten heller, sobald sich ihnen Autos, Fahrräder oder Menschen nähern. Die digitale Transformation zu Smart Cities liegt nicht in ferner Zukunft, sondern wird jetzt schon vielfach umgesetzt.

„Wir müssen Prozesse und Wertschöpfungsketten optimieren, wir müssen sie automatisieren, wir müssen darin Menschen und Organisatorisch heimisch machen, und wir müssen neue Geschäftsmodelle und digital-basierte Produkte an die Kunden bringen", fasste Katherina Reiche, Hauptgeschäftsführerin des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU), die Herausforderungen der digitalen Transformation auf der Konferenz Inustrie 4.0 des Hasso-Plattner-Instituts in Potdsdam zusammen. Und, betonte sie, nicht jedes Geschäftsmodell sei automatisch gewinnträchtig, aber die Kunden erwarten digitale Angebote. Daten sind der Treiber. „Wer keine Daten hat, guckt in die Röhre".

Woher kommen die Daten und wie kommt man an sie?

Wie Stadtwerke an Daten kommen, das war einer der Themenschwerpunkte der vollbesuchten Veranstaltung, die das HPI zusammen mit dem VKU und den Berliner Verkehrsbetrieben ausrichtete. So haben beispielsweise die Technischen Werke Ludwigshafen (TWL) über die ganze Stadt verstreut an unterschiedlichen Stellen Sensoren und Antennen verbaut. Die Übertragung geschieht über die Funktechnologie LoRaWAN. Hans-Heinrich Kleuker, TWL-Vorstand, zieht Bilanz: die Reichweite ist super, der Netzbetrieb nachhaltig, es funktioniert auch bidirektional und man kann es mit eigenem Personal umsetzen. Allerdings, so schränkt er ein, gebe es derzeit noch keine große Anzahl an Devices, also Geräte, die man heute verbauen könne und wenn, seien diese noch vergleichsweise teuer. „Aber ich sage immer, wo ein Bedarf ist, wird es auch irgendein Startup geben, das diesen Bedarf deckt".

Stadtwerke sind offen für Kooperationen mit deutschen, aber auch internationalen Startups, hatte zuvor schon VKU-Geschäftsführerin Reiche erklärt. Kleukers TWL beteiligen sich inzwischen an mehreren Startups. Der TWL-Chef ist sich sicher: In zehn Jahren werde man das Kerngeschäft, den Verkauf von Strom, Gas und Wärme nicht mehr machen. Die Frage sei vielmehr, wie komme ich weg von Commodity zu anderen Geschäftsmodellen.

Startups als wichtige Kooperations-Partner

Unterschiedliche Möglichkeiten präsentierten vier geladene Startups in einem eigenen Panel: Envelio stellte seine intelligente Grid-Plattform-Software vor, mit der sich berechnen lässt, ob PV-Anlagen, Speicher oder Ladesäulen an geplanten Stellen ins Verteilnetz integrieren lassen. Die Zolitron Technology zeigte eine Lösung, mit speziellen kognitiven Sensoren, die etwa Müllfüllstände melden oder im Straßenverkehr eingesetzt werden können. Envio Systems hat sich auf Energiemanagement-Systeme spezialisiert, mit der sich (Industrie-)Gebäude digitalisieren lassen. Eingespart wird Energie und CO2. Fresh-Energy hingegen entwickelte eine Energiespar-App, die mehr kann, als nur den gesamten Energiebedarf zu erfassen: Mit einem einzigen Smart Meter schlüsselt sie den jeweiligen Verbrauch in Echtzeit auf die unterschiedlichen Geräte wie Kühlschrank, Waschmaschine, Kaffeemaschine auf.

Deutlich wurde in der anschließenden Publikumsdiskussion, dass das Interesse an der Energiefresser-App am größten war. Das zeigte sich schon nach der diesjährigen E-World, wie Geschäftsführer Christian Bogatu erzählt. Seitdem rufen ihm zufolge fast drei Stadtwerke pro Woche dort an und erkundigen sich nach dem White-Label-Produkt – ohne, dass man überhaupt groß Werbung gemacht habe. „Wir arbeiten gerne mit den kommunalen Unternehmen zusammen", bekräftigt Bogatu. Aber auch Envelio berichtete von vielen Nachfragen, seitdem man das Produkt seit Mai letztem Jahres entwickelt habe.

Aufbruch in die Smart City Darmstadt

Bogatu trat zum Ende der Diskussion noch mit einer Bitte an die Stadtwerke heran: Er wisse, dass Stadtwerke Innovationen lieben, aber ihm sei es wichtig, dass es nicht nur um der Innovation willen geschehe. So habe etwa jedes Stadtwerk eine Ladesäule installiert und rühmt sich damit. Wichtiger sei es jedoch, ein Geschäft zu machen, und das ganze im großen Maßstab auszurollen.

Wie der Aufbruch zum Weg zur Smart City erfolgreich sein kann, demonstrierte Kristina Sinemus. Die Professorin ist Präsidentin der IHK Darmstadt – die erste weibliche seit 150 Jahren in Hessen. Die 160 000-Einwohner-Stadt von denen 40000 auf Studenten entfallen, hatte vergangenes Jahr beschlossen, am Bitkom-Wettbewerb zur Smart City teilzunehmen. Und zu gewinnen. Anfangs sei man von vielen belächelt worden. Aber ausschlaggebend sei gewesen, dass die vier großen Player beschlossen hatten, den Weg gemeinsam zu gehen.

Vier tragende Säulen

Dazu gehöre erstens die Stadt als solche, denn man habe mit der Entega ein unheimlich engagiertes Stadtwerk, zum zweiten die Wirtschaft mit Unternehmen wie die Deutsche Telekom und auch Startups. Insgesamt gebe es in der Region 13 000 IT-Unternehmen, die 140 000 Arbeitsplätze schaffen. Als drittes zählt Sinemus die Wissenschaft mit drei Hochschulen und Forschungsinstituten auf und zuletzt, das dürfe nicht vergessen werden: die Bürgerschaft, die sich ebenfalls sehr stark engagiere. Diese habe man explizit mitgenommen. Nur über dieses analoge Miteinander und mit diesem Digitalisierungs-Know-how habe man es überhaupt geschafft.

Man habe sich ganz am Anfang zudem gesagt: „Auch wenn wir nicht gewinnen, dann nehmen wir wenigstens den Spirit mit für die Zukunft", so Sinemus. So sei man mit allen wichtigen Entscheidungsträgern samt Oberbürgermeister nach Berlin gefahren und habe tatsächlich gesiegt. Nun gelte es die Visionen in die Praxis umzusetzen und eine Plattform der digitalen Stadt auch im tatsächlichen Sinne der IT zusammenzustellen. Von Anfang an sei aber auch wichtig, sich zu fragen, wie die Daten so verschlüsselt werden können, dass sie sicher im Sinne von Datenschutz und IT-Sicherheit sind.

Ohne Plattform geht es nicht

Der Plattformgedanke schwebte in fast jeder Diskussion mit. Jan Schöning, Director Urban Developement & Smart Cities von Siemens etwa präsentierte sein Betriebssystem Mindsphere, das die reale Welt mit der digitalen Welt verknüpfen könne. Erzeugt werde ein digitaler Zwilling der Stadt oder Kommune. „Ich brauche keine Prototypen mehr, ich simuliere die Abläufe und optimiere sie", erklärte Schöning. Ziel ist der reale Betrieb in der Stadt. Es dürfe ruhig mehrere verschiedene Plattformen geben, so Siemens. Wichtig sei nur, dass sie komplett offen sein müssten, sowohl nach unten als nach oben. Unten für die Systeme für das Internet of Things, oben für die Applikationen, damit jeder Anwendungen bauen könne und auf die Daten zugreifen kann.

Manfred Hauswirth, Professor und Geschäftsführender Institutsleiter des Fraunhofer Instituts Fokus, unterstrich zum Schluss der Veranstaltung nochmals, dass man aus technischer Sicht die digitale Transformation „absolut hin bekommt". Auch die Übertragungstechnologien existieren und es gebe auch schon sehr nützliche Anwendungen. „Im Grunde genommen sind der Kreativität der Leute, die ein Problem lösen wollen, aus technischer Sicht keine Grenzen gesetzt", so Hauswirth. In Deutschland habe man aber ein System sehr enger rechtlicher Bestimmungen, die teilweise vernünftige Lösungen verhindern. Man müsste also versuchen, die Bestimmungen so neu zu gestalten, dass auch innovative und technische Plattformen bestehen können. Und außerdem: „Es ist genug geredet, nun muss man die Dinge tun!", so der abschließende Appell von Hauwirth. (sg)

Weitere spannende Aspekte zur Smart City und der Veranstaltung Industrie 4.0 gibt es in der kommenden Printausgabe der ZfK.