Smart City / Energy

Gaia-X nimmt Gestalt an

Das von Deutschland und Frankreich vorangetriebene Cloud- und Dateninfrastrukturprojekt soll zu einem europäischen Vorhaben ausgebaut werden. Darin sollen auch Spielregeln für Kooperationen zur digitalen Energiewende festgelegt werden.
04.06.2020

Peter Altmaier (CDU), Bundesminister für Wirtschaft und Energie, spricht beim virtuellen Fachforum des Bundeswirtschaftsministeriums. Vertreter der Regierungen sowie der Wirtschaft und Wissenschaft aus Frankreich und Deutschland arbeiten gemeinsam mit weiteren europäischen Partnern an der nächsten Generation einer sicheren Dateninfrastruktur für Europa: Gaia-X.

Die von Deutschland und Frankreich vorangetriebene europäische Cloud- und Dateninfrastruktur Gaia-X nimmt Gestalt an. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) stellte am Donnerstag zusammen mit seinem französischen Amtskollegen Bruno Le Maire das technische Konzept und die künftige Organisationsstruktur vor. Das ambitionierte Projekt soll dabei über die Grenzen von Deutschland und Frankreich hinaus zu einem europäischen Projekt ausgebaut werden. Gaia X soll aber auch Unternehmen und Organisationen außerhalb der EU offen stehen, solange die von Gaia X definierten Spielregeln beim Datenschutz und anderen rechtlichen Rahmenbedingungen eingehalten werden.

Der Name für das Digitalprojekt Gaia-X ist bedeutungsschwer: In der griechischen Mythologie ist Gaia eine Urgottheit der Erde, die alles Lebende hervorbringt und ernährt. Nun soll Gaia-X von der Ebene des Ungefähren in die Praxis geholt und auf ganz Europa erweitert werden.

Grüne und digitale Zukunft als Ziel

Altmaier stellte die Initiative in einen Zusammenhang mit dem Wiederaufbauplan, mit dem die Europäische Union die Corona-Krise bekämpfen und die Wirtschaft auf Kurs für eine grüne und digitale Zukunft bringen will. Es komme nun auch darauf an, wofür das Geld ausgegeben werde, nämlich für Wirtschaftswachstum und Wohlstand aller Bürger, sagte Altmaier. Mit Gaia-X strebten mehr als 300 Unternehmen und Organisationen in ganz Europa «nichts Geringeres an als einen europäischen Moonshot (großer Wurf) in der Digitalpolitik».

Le Maire sagte, in der Corona-Krise sei klar geworden, wie wichtig eine sichere IT-Infrastruktur sei, auch für die Telearbeit. Dabei dürfe man nicht von anderen Großmächten abhängig sein. «Wir sind nicht die USA, wir sind nicht China, wir sind europäische Länder mit eigenen Interessen und Werten.»

Namhafte Unternehmen als Gründungsmitglieder

Gaia X soll von einer nicht-gewinnorientierten Organisation nach belgischem Recht gesteuert werden, die von 22 Unternehmen aus Deutschland und Frankreich gegründet wurde. Zu den Gründungsmitgliedern gehören die Deutsche Telekom, SAP, Siemens, Bosch, BMW, Beckhoff Automation, Plusserver, German Edge Cloud und De-Cix. Außerdem sind die Fraunhofer-Gesellschaft, die International Data Spaces Association und die europäische Cloudanbietervereinigung CISPE Mitgründer der Gaia-X-Entität. Auf französischer Seite sind unter anderen Orange, Atos, Amadeus, Docaposte, EDF, Dassault Systems, Institut Mines-Télécom und Safran mit dabei.

Kommunaler Bezug zu Gaia-X

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) begrüßt, dass künftig die Gründungsorganisation über die Einhaltung von Souveränität, Transparenz, Offenheit, Interoperabilität und faire Teilhabe wacht und unterstützt die Initiative gemeinsam mit seinen Mitgliedsunternehmen über die GAIA-X-Arbeitsgruppe Energie.
 
„GAIA-X ist eine digitale Chance für die Energiewende, weil sie die dafür notwendige Zusammenarbeit unterschiedlicher Sektoren vereinfacht. Beispiel Verkehrswende: Hier müssen Energie- und Automobilwirtschaft nicht nur beim Ausbau der Ladeinfrastruktur, sondern auch bei der digitalen Steuerung der Energieversorgung via smartem Stromnetz zusammenarbeiten. Die digitale Steuerung über Sektorengrenzen hinweg setzt voraus, dass Daten sicher, transparent und nachvollziehbar durch einheitliche Zugangsregeln und Schnittstellen geteilt werden können, wie GAIA-X es vorsieht. GAIA-X will gemeinsame Spielregeln für Kooperationen zur digitalen Energiewende festlegen. Das erleichtert den Austausch und die Zusammenarbeit und kann neue Chancen bei Smart-City-Anwendungen eröffnen“, erklärt Ingbert Liebing, VKU-Hauptgeschäftsführer.
 
Der VKU unterstützt gemeinsam mit einigen Stadtwerken die Arbeiten an der Cloudarchitektur über die GAIA-X-Arbeitsgruppe Energie. Die AG Energie erarbeitet Anwendungsfälle und leitet daraus Anforderungen der Energiewirtschaft an die Nutzung von GAIA-X ab. Die Ergebnisse der AG Energie sollen dann in die weitere Ausgestaltung der technischen Architektur einfließen.

Hintergrund

Gaia-X war im Oktober 2019 der Öffentlichkeit vorgestellt worden. In dem Projekt es darum, in Europa nicht alternativlos auf die großen IT-Konzerne aus den USA und China angewiesen zu sein. Dafür soll ein Konzept für eine souveräne und vertrauenswürdige europäische Dateninfrastruktur erarbeitet werden, für die bestehende Angebote über Open-Source-Anwendungen und offene Standards miteinander vernetzt werden. Gaia-X strebt aber nicht an, selbst einen europäischen «Hyperscaler» zu schaffen, wie es in der Vergangenheit mit Airbus in der internationalen Luftfahrtindustrie gelungen war. Vielmehr will Gaia-X den Cloud-Riesen mit einer Vernetzung von vielen kleineren Anbietern aus Europa entgegentreten.

Cédric Prevost, Director of Trusted Cloud des französischen Telekommunikationsdienstleisters Orange Business Services, erinnerte daran, dass zuvor Versuche auf Landesebene gescheitert seien, eine souveräne Cloud zu etablieren. «Das muss man in einem sehr großen Maßstab anlegen, so wie das den Hyperscalern aus den USA und China gelungen ist. Der europäische Maßstab ist die richtige Größenordnung, um dieses Ziel zu erreichen.»

Der Branchenverband Bitkom nannte die Gründung der Organisation einen «Meilenstein auf dem Weg zu einer europäischen Cloud- und Dateninfrastruktur.» Gaia-X müsse möglichst bald erste Angebote auf den Markt bringen. (dpa/sg)